Überbau mit Wärmedämmung

Ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS), wie es in der Fachsprache heißt, ist bei den Grundstückseigentümern in Berlin und Brandenburg mehr denn je gefragt und unterliegt in der Bauausführung zum Teil einigen wichtigen Besonderheiten. Speziell wenn es dabei um die Überschreitung der Grenze zum Nachbarn geht.

Grundlegend sollten sich Grundstückseigentümer rechtzeitig vor Beginn einer solchen Baumaßnahme einvernehmlich und rechtlich verbindlich mit ihrem Nachbarn einigen. Gegebenenfalls ist bei ausreichend vorhandenem Platz auf dem Grundstück des Nachbarn und bei keiner anderen möglichen Einigung eine Überbaurente oder eine Abfindung für die überbaute Fläche zu vereinbaren.

Eine Vereinbarung sollte jedoch stets schriftlich formuliert werden und auch notariell ins Grundbuch eingetragen werden (zum Nachweis auch für spätere Eigentümer).
Zusätzlich sind immer auch die Grenzabstandsregeln der entsprechenden Bauordnung einzuhalten (ggf. Ausnahmegenehmigung beim Bauordnungsamt beantragen). Es ist zu empfehlen vor Beauftragung der Anbringung eines WDVS oder anderer auf der Fassade aufzubringenden Wärmedämmungen, die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzabstände zu prüfen.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte über folgenden interessanten Fall zu entscheiden:

Die Parteien sind Nachbarn. Das Haus des Beklagten B. ist bis an die Grundstücksgrenze zum Nachbarn und Kläger A. gebaut. Auf A.s Grundstück führt seine ca. 4,50 - 5,00 m breite Grundstückseinfahrt an der Grenze entlang. Im Frühjahr 2009 ließ B. ohne Genehmigung des A. auf dessen Grundstück in der Einfahrt an seiner Fassade ein Gerüst stellen, um dringende Instandsetzungsmaßnahmen am Giebel vorzunehmen. A. genehmigte das nachträglich, musste jedoch Mitte Mai feststellen, dass B. begonnen hatte, auf der Außenwand seines Gebäudes eine ca. 12 cm starke Isolierung aufzubringen, die nach dem Aufbringen des Putzes mit einer Gesamtdicke von 15 cm in sein Grundstück hineinragen und die Einfahrt verengen würde. Die beabsichtigte Dämmschicht sollte eine Fassadenfläche von ca. 253 qm bedecken. Nachdem A. den Dämmmaßnahmen erfolglos widersprochen hatte, erwirkte er beim Landgericht Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach B. es zu unterlassen hatte, auf der Außenfassade eine in das Grundstück des A. hineinragende Außenisolierung anzubringen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des B. zum OLG Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Nach der Begründung des für das Nachbarrecht zuständigen 6. Zivilsenates hat der Kläger gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch. A. muss die in sein Grundstück hineinragende Isolierungsmaßnahme nicht als Überbau gemäß § 912 Abs. 1 BGB dulden. Nach § 912 BGB hat ein Nachbar den Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer des Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn er nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Hier hat B. jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt, denn wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht gegebenenfalls durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstücks nicht überschreitet, handelt gegebenenfalls grob fahrlässig. B. war bewusst, dass ein Gebäude unmittelbar an der Grundstücksgrenze steht und dass die Dämmplatten zwingend in das Grundstück des A. hineinragen würden. Darüber hinaus hat A. sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben.

Auch nach dem baden-württembergischen Nachbarrecht ist A. nicht zur Duldung verpflichtet. § 7 b NRG-BW regelt, dass dann, wenn nach den baurechtlichen Vorschriften unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze gebaut werden darf, der Eigentümer des Nachbargrundstücks in den Luftraum seines Grundstücks übergreifende untergeordnete Bauteile, die den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, zu dulden hat, solange diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Der wärmeschutzbedingte Überbau an der Hauswand ist jedoch kein untergeordneter Bauteil lt. Landesbauordnung Baden-Württemberg (wie z. B. Gesimse, Dachvorsprünge, Eingangs- und Terrassenüberdachungen). Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber haben entsprechende Überbauregelungen getroffen, die in der Wertung übereinstimmen, dass nur ausnahmsweise von einem Eigentümer ein Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen ist. Deshalb führen allein das grundsätzliche Interesse des Eigentümers oder das Gemeinwohlinteresse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetische Maßnahme nicht zu einer Duldungspflicht. Andere besondere Umstände sind im Streitfall nicht vorgetragen. Es ist nicht geltend gemacht, dass die Wärmedämmung zwingend vorgenommen werden muss oder dass sie aus technischen Gründen nur außen an der Fassade erfolgen kann. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. Dezember 2009 – 6 U 121/09.

In Berlin gibt es dazu eine einschränkende Regelung im Nachbarrechtsgesetz (NachbG Bln) § 16a Wärmeschutzüberbau der Grenzwand, wonach der Eigentümer eines Grundstücks die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden hat, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.

Ha/Bo

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