Die Details Nutzungsrechte im Pflegefall

So lange wie möglich Zuhause leben - das möchten die meisten Menschen. Wer dennoch die selbst genutzte Immobilie schon zu Lebzeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge an die Kinder weitergeben will, regelt seinen Wunsch häufig über ein Wohnrecht oder ein Nießbrauchsrecht. Damit sichern sich die ursprünglichen Eigentümer auch nach der Übergabe an die Erben ein oftmals lebenslanges Wohnen in der Immobilie. Müssen sie aber später, etwa bei dauerhafter stationärer Pflegebedürftigkeit, die Wohnräume verlassen und ins Pflegeheim umziehen, stellen sich zahlreiche Fragen zu ihren Nutzungsrechten. Hier gibt Hans-Michael Schiller, Rechtsanwalt und Notar Antworten.

Ältere Frau mit Teetasse
Viele Menschen mit Wohneigentm übertragen eine bislang zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie auf die nächste Generation.   © PantherMedia_Artanika

Viele Menschen mit Wohneigentm übertragen eine bislang zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie auf die nächste Generation. Dies kann sinnvoll sein, sofern sich der Übergeber im notariell beurkundeten Übertragungsvertrag umfassend vertraglich und korrekt absichert. Regelmäßig möchte sich der Übergeber - oftmals bis zu seinem Lebensende oder für einen zunächst unabsehbaren Zeitraum - das Recht vorbehalten, die Immobilie auch nach Übertragung ganz oder teilweise (nur eine bestimmte Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten des Hauses) weiterhin in der gewohnten Art und Weise zu bewohnen oder zu nutzen. Die Übertragung von Immobilien auf die nächste Generation erfolgt daher häufig gegen Einräumung eines Wohnungs- oder Wohnrechts oder eines Nießbrauchs zugunsten der Übergeber, entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Pflegefall - und dann?

Wenn die ursprünglichen Besitzer der Immobilie in solch einem Szenario pflegebedürftig werden und nicht mehr Zuhause leben können, stehen viele Fragen im Raum. Die Antworten hängen vor allem davon ab, welche Art von Nutzungsrechten sich die Übergeber im Übertragungsvertrag vorbehalten haben. Bei Wohnrechten unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Formen.

Wohn- oder Wohnungsrecht?

Portrait Hans-Michael Schiller
Hans-Michael Schiller, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Familienrecht   © Verband Wohneigentum NRW
Haben sich die Übergeber ein Wohnungsrecht nach Paragraf 1093 BGB vorbehalten und dieses durch einen Eintrag im Grundbuch sichern lassen, dürfen die Übergeber das betreffende Gebäude oder einen bestimmten Teil (einzelne Räume oder Wohnungen) desselben unter Ausschluss des Eigentümers (des beschenkten Kindes) selbst bewohnen oder nutzen. Wenn nur die Mitbenutzung zum Wohnen ohne Ausschluss des neuen Eigentümers gewollt ist, handelt es sich um ein ebenfalls höchstpersönliches, aber nicht übertragbares und nicht vererbliches Wohnrecht nach Paragraf 1090 bis 1092 BGB. Letztgenanntes Wohnrecht kommt gewöhnlich dann in Betracht, wenn die Übergeber und das beschenkte Kind zukünftig weiterhin gemeinsam auf die Nutzung bestimmter Räumlichkeiten (z.B. Küche, Badezimmer) im ansonsten gemeinsam bewohnten Haus angewiesen sind.

Nießbrauch

Der Nießbrauch nach Paragraf 1030 ff BGB unterscheidet sich von den Wohnrechten dadurch, dass er dem Übergeber das Recht gibt, alle Nutzungen des gesamten Grundstücks mit allen Räumen des Wohngebäudes zu realisieren. So kann der Übergeber beispielsweise im Gebäude wohnen bleiben, kann dies aber auch ganz oder teilweise vermieten und die Miete einziehen. Das Nießbrauchsrecht gestattet dem Übergeber somit die komplette wirtschaftliche Nutzung. In beschränktem Maße können einzelne Nutzungsarten durch vertragliche Vereinbarungen eingeschränkt werden.

Mitbewohner erlaubt?

Der Wohnungsberechtigte kann ohne besondere Erlaubnis durch den neuen Eigentümer seine Familienangehörigen, einen dauerhaften Lebensgefährten oder auch Hauspersonal in diejenigen Räumlichkeiten aufnehmen, für die er das Wohnungsrecht hat (Paragraf 1093 Abs.2 BGB). Diese Personen sind aber nur zur Mitbenutzung berechtigt, nicht etwa zur alleinigen Nutzung. Sonstigen Personen darf die Allein- oder Mitbenutzung - wie generell beim nur Wohnberechtigten - nur bei ausdrücklicher Erlaubnis des Eigentümers überlassen werden (Paragraf 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine vorübergehende Aufnahme von Besuchern ist aber auch in diesen Fällen möglich. Im Gegensatz zu dem Nießbraucher ist der Wohn- oder Wohnungsberechtigte ohne ausdrückliche Gestattung des Eigentümers nicht zur Vermietung seiner Räume berechtigt.

Erlöschen der Nutzungsrechte?

Wohn- oder Wohnungsrecht und Nießbrauch erlöschen nicht automatisch bei bloßem Auszug des Berechtigten oder wegen Nichtausübung seines Rechts (BGH DNotZ 2008, 703, 704). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verliert das Recht nur, wem eine "Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (objektiv) dauernd unmöglich wird". Dies ist unter anderem der Fall, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet. An dieser Voraussetzung fehlt es nach der Rechtsprechung aber, wenn das Wohnungsrecht aufgrund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn hierbei handelt es sich nur um ein "bloßes subjektives Ausübungshindernis". Denn dem Berechtigten verbleibt immer noch die Möglichkeit, mit Gestattung des Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und dadurch zum Beispiel für sich Miete einzunehmen. Ergänzend wird in der Rechtsprechung noch darauf hingewiesen, dass auch bei einem gesundheitlich bedingten Auszug die - wenn auch unwahrscheinliche - Möglichkeit gegeben sei, dass der Berechtigte in die Wohnung zurückkehrt und sich dort pflegen lässt. Somit führt selbst der Umzug in ein Pflegeheim nicht automatisch zum Erlöschen des Wohnungsrechts. Dieses bleibt auch dann bestehen, wenn der Berechtigte bereits seit mehreren Jahren die dem Wohnungsrecht oder Nießbrauch unterliegenden Räumlichkeiten nicht mehr bewohnt.

Aufhebung oder Löschung

Ein Anspruch des Eigentümers auf Löschung besteht nur, wenn der Berechtigte ernsthaft und ausdrücklich erklärt, er werde in Zukunft das Wohnungsrecht nicht mehr ausüben. Das Erlöschen des Wohnrechts und auch des Nießbrauchs kann natürlich durch vertragliche Aufhebung und Löschung im Grundbuch (Paragraf 875, 876 BGB) herbeigeführt werden. Die vorzeitige Löschung dieser Rechte ist juristisch gesehen jedoch eine eigenständige Schenkung des Berechtigten. Unter Umständen - insbesondere bei Bezug von Sozialhilfe – kann die vorzeitige Aufgabe des Rechts sittenwidrig sein und anderweitige negative Folgen in steuer-, zivil- und sozialhilferechtlicher Hinsicht nach sich ziehen. Also ist hier besondere Vorsicht geboten! Wenn im Übergabevertrag allerdings als eine auflösende Bedingung zum Beispiel der dauerhafte Auszug oder der Umzug in ein Pflegeheim ausdrücklich vereinbart und zur Eintragung in das Grundbuch bestellt wurde, erlischt das Wohnrecht automatisch bei Eintritt der jeweiligen Bedingung. Dies ist dann keine eigenständige Schenkung.

Tipps

Um eine Löschung im Grundbuch zu bewirken, muss dem Grundbuchamt allerdings in der dafür erforderlichen notariellen oder öffentlichen Urkundenform nachgewiesen werden, dass die Bedingungen dafür erfüllt sind. Bei Übergabeverträgen mit Einräumung von Wohnungsrechten ist also stets darauf zu achten, dass mit dem dauerhaften Auszug des Übergebers sein vertragliches oder dinglich gesichertes Nutzungsrecht vereinbarungsgemäß erlischt beziehungsweise anderweitige Wegfallklauseln ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. So könnte das Wohnungsrecht erlöschen, wenn es vom Berechtigen auf Dauer nicht mehr ausgeübt wird oder nicht mehr ausgeübt werden kann. Der dauerhafte Auszug könnte gegenüber dem Grundbuchamt zum Beispiel durch die amtliche (gesiegelte) Wohnsitzummeldung nachgewiesen werden. Derartige leistungseinschränkende Vereinbarungen hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 06.02.2009, DNotZ 2009, 441 ff) für Wohnrechte – nicht aber für den Nießbrauch – grundsätzlich für unbedenklich gehalten.

Empfehlenswert ist, für Wohnrechte im Übergabevertrag generell auf einen dauerhaften Auszug – ganz gleich aus welchem Grund – abzustellen und nicht nur ausdrücklich als alleinigen Grund den Eintritt des Pflegefalls oder des Umzugs in ein Pflegeheim für das Erlöschen des Rechts zu vereinbaren. H-M.S.

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