Erbbaurecht - Teil 1 Ausgewogene Regelungen erforderlich

Wohnen auf Basis eines Erbbaurechts ist in einigen Regionen Deutschlands zurzeit eine ärgerliche Sache. Die Dauer des Wohnrechts ist begrenzt, bei Neuabschluss erfolgt gern ein saftiger Aufschlag. Der Kauf des Grundstücks ist meist ausgeschlossen oder zu teuer. Vielerorts haben Betroffene Interessengemeinschaften gebildet und sich untereinander vernetzt, nach dem Motto: Gemeinsamkeit macht stark. Rechtliche Grundlagen und praktische Erfahrungen.

Siedlung Erbbaurecht
© H Pöltelt
Der Wohnungsmarkt, die Entwicklung der Reallöhne und Renten, aber auch die energetischen Anforderungen bei Bau und Sanierung eines Hauses sowie die demografische Entwicklung werfen die Frage auf, ob das Erbbaurecht in seiner derzeitigen Ausgestaltung seinem Ursprungsgedanken noch gerecht wird. Kommt es dem sozialen Ziel nach, finanziell weniger gut gestellten Familien mit dem eigenen Haus eine Lebensgrundlage bis ins hohe Alter zu sichern? Dies ist eindeutig mit "nein" zu beantworten. Soll das Erbbaurecht seinem sozialpolitischen Ursprung wieder gerecht und für den Bauwilligen, aber auch den Erbbaurechtsausgeber interessant werden, sind Änderungen zwingend erforderlich.

Der Verband Wohneigentum hat wiederholt durch seine Präsidenten Eckart Naumann, Alfons Löseke und aktuell Hans Rauch eine Novellierung des Erbbaurechtsgesetzes gefordert. Politisch aktiv sind aus gegebenem Anlass die Interessengemeinschaften Northeim, Sprecher Oliver Neuber, und Wolfsburg, Sprecher Werner Hesse, (beide Niedersachsen) sowie die Interessengemeinschaft Ahrensfelde (Brandenburg), mit dem Vorsitzenden der Siedlergemeinschaft Hans-Joachim Schulz. Hier arbeiten überall Mitglieder des Verbands Wohneigentum mit. Trotz Petitionen an den Bundestag hat sich bis heute wenig bewegt. Ein Grund also, die Veränderungen aus der Praxis sichtbar zu machen und Änderungen der gesetzlichen Grundlagen zu fordern.

Grundlage des Vertrags

Es sind verschiedene Vertragsgestaltungen im Umlauf. Hier können nur einige typische Punkte der Verträge benannt und bewertet werden: Partner eines Erbbaurechtsvertrags sind der Erbbaurechtsausgeber und der Erbbaurechtsnehmer. Ausgeber sind nicht nur Kommunen, Kirchen und große Industrieunternehmen, sondern auch private Stiftungen oder Privatpersonen. Der Ausgeber zielt auf wirtschaftlichen Gewinn und handelt nicht rein altruistisch. Eine Erhöhung des Erbbauzinses, durch Wertsicherungsklauseln, bei Verlängerung oder Neuabschluss von Verträgen, ist zunächst nicht verwerflich. Eine soziale Komponente besteht in der Tatsache, dass ein Hausinteressent neben den Bau- oder Erwerbskosten nicht auch noch einen Grundstückskauf finanzieren muss. Allerdings müssen dann die Erbbauzinsen maßvoll sein und bleiben. Genau hier halten Gesetz und Rechtsprechung nicht mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Schritt. Für die unzeitgemäße Regelung des Erbbaurechtsgesetzes können die Ausgeber nicht verantwortlich gemacht werden. Die Novellierung ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Dauer des Erbbaurechts

Die Vertragsdauer ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Häufig findet sich eine Vertragsdauer von 99 Jahren, doch gibt es Verträge mit einer Dauer von nur 60 Jahren. Bei Abschluss dieser "kurzfristigen" Verträge war man sich über die Konsequenzen nicht im Klaren. Erstens konnte niemand in den 50er und 60er Jahren erwarten, dass die Grundstückspreise in den Folgejahren extrem ansteigen werden, zudem erhöhte sich die Lebenserwartung der Bundesbürger. Bei Abschluss kurzfristiger Verträge ging man also von stabilen Grundstückspreisen aus, der Berechnungsbasis des Zinses, von denen auch die zweite Generation noch profitieren würde. Doch gibt es heute über achtzigjährige Erbbaurechtsnehmer, deren Vertrag nach 60 Jahren ausgelaufen ist. Ein neuer Vertrag ist fällig, für den vier Prozent des nun aktuellen Grundstückspreises verlangt werden. Dies können 400 Euro im Monat sein - und die finanziellen Möglichkeiten des Erbbaurechtsnehmers übersteigen. Zu fordern sind bei neuen Verträgen eine Mindestdauer von 80 Jahren sowie die Verlängerung kurzfristiger Altverträge bis auf 99 Jahre, und zwar auf der alten Basis der Erbbauzinsberechnung. Der Problematik, dass zum Beispiel Kommunen, die unter Haushaltsaufsicht stehen, nicht auf Einnahmen verzichten dürfen, kann der Gesetzgeber abhelfen, indem er eine Verlängerung kurzfristiger Erbbaurechtsverträge bei Vorliegen sozialer Gründe zu den alten Vertragsbedingungen gestattet.

Verlängern oder verkaufen

Nach Ablauf des Vertrags hat der Erbbaurechtsnehmer keinen Verlängerungsanspruch, lediglich das Vorrecht auf Erneuerung des Erbbaurechts. Das bedeutet: ein neuer Vertrag zu neuen, teureren Bedingungen. Hier spielen die geänderten Lebensverhältnisse eine wichtige Rolle. Die gestiegene Lebenserwartung des Erbbaurechtsnehmers und die berufliche sowie familiäre Situation der Kinder und Enkel sind zu berücksichtigen. Lebte man früher meist an einem Ort, gründete eine Familie und ging dort seiner Arbeit nach, war man an der Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages interessiert. Heute lebt man flexibler, was Ort, Familie und Beruf betrifft. Zu überlegen ist, ob Ansprüche auf Vertragsverlängerungen sinnvoll sind oder ob nicht eher der Hausverkauf durch den Erbbauberechtigten und der Heimfallanspruch (die vorzeitige Beendigung durch den Ausgeber wegen Vertragsverstoßes) anders zu regeln wären.

Eine vorzeitige Vertragsauflösung sollte man allein den Vertragspartnern überlassen: pacta sunt servanda - Verträge sind zu halten. Will der Erbbauberechtigte während der Vertragslaufzeit sein Objekt verkaufen, ist in der Regel die Zustimmung des Ausgebers erforderlich, der dies natürlich vom Abschluss eines neuen Erbbaurechtsvertrages oder vom Kauf des Grundstückes abhängig macht. Bei den ersten Vertragsverhandlungen ist der Kaufinteressent noch begeistert über den oft niedrigen Erbbauzins. Das Interesse ändert sich schlagartig, wenn der neue Erbbauzins, statt 280 Euro jährlich, plötzlich 400 Euro monatlich betragen soll. Oder wenn das Grundstück für 120.000 Euro zusätzlich erworben werden muss. Soll der Kaufinteressent nun nicht gänzlich Abstand von seinem Angebot nehmen, muss der Erbbaurechtsnehmer mit seiner Preisvorstellung entsprechend nach unten gehen. Zu fordern wäre, dass der Erbbaurechtsausgeber dem Hausverkauf ohne Erhöhung des Erbbauzinses zustimmt oder bei Verkauf des Grundstücks neben dem aktuellen Grundstückswert die Restlaufzeit des alten Vertrages berücksichtigt.

Kauf von Grund und Boden

Ein Rechtsanspruch des Erbbaurechtsnehmers auf Erwerb des Grundstücks - über das Vorkaufsrecht hinaus - sollte nicht festgeschrieben werden, da hierdurch in die Verfügungsmöglichkeiten des Erbbaurechtsausgebers massiv eingegriffen wird. Dies muss Sache freier Vereinbarung bleiben, will man die Grundlage des Erbbaurechts erhalten.

Doch kommt es vor, dass das Grundstück zum Kauf angeboten wird. Die Bewertung kann durch Gutachterausschüsse oder mittels Bodenrichtwertkarten (so in Nordrhein-Westfalen) erfolgen. Letztere liegen aber häufig höher als das, was am Markt zu erzielen wäre. Auch bewerten und berechnen einige Ausgeber bei dem Kaufangebot das gesamte Grundstück als Bauland, obwohl zum Beispiel der hintere Teil des Grundstücks eindeutig Gartenland und eine Bebauung dort nicht zulässig ist.
Damit gewährleistet ist, dass das Angebot dem tatsächlichen Wert entspricht, erachte ich es als zwingend erforderlich, dem Kaufangebot das Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen oder der Gutachterausschüsse beizufügen. Diese kennen den Marktwert des Baugrundes und können zwischen Bauland und Gartenland differenzieren. So wird auch der Wert der Restlaufzeit des Erbbaurechtes richtig errechnet, sodass der fällige Abschlag bei vorzeitigem Kauf der rechtlichen Grundlage entspricht. Derzeit kann es vorkommen, dass der Ausgeber bei einer Restlaufzeit von 49 Jahren nur einen pauschalen Abzug von 20 Prozent des Grundstückpreises anbietet.

Zeitablauf und Heimfall

Sowohl bei Vertragsbeendigung wegen Zeitablaufs als auch beim Heimfallanspruch sieht das Gesetz für die Immobilie eine Entschädigung in Höhe von mindestens zwei Dritteln des gemeinen Wertes vor, wenn das Erbbaurecht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses wenig begüterter Bevölkerungskreise bestellt wurde. Diese Regelung ist überholt, zumal kaum noch sozialer Wohnungsbau stattfindet und der Erbbauberechtigte grundsätzlich Schuldner der Erschließungskosten, Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz und anderem ist. Hinzu kommen die gesetzlichen Pflichten zur Einsparung von Energie. Für das Vertragsende (auch von Altverträgen) ist somit gesetzlich zu regeln, dass der volle aktuelle Wert als Entschädigung zu zahlen ist. Allein eine solche Regelung wird den Erbbauberechtigten ermuntern, in sein Objekt zu investieren, und der Erbbaurechtsausgeber wird eher bereit sein, einen Vertrag angemessen zu verlängern.
Detlef Erm, Jurist

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