Erinnerungen ... des Gemeinschaftsleiters

Kurt Baumann erinnert sich:
Schon als 13-jähriger Schulbub war ich am 13.07.1947 mit dabei, als ich die - mit dem Zug angekommenen - Delegierten vom alten Bahnhof in der Mitte Heidelbergs zum Tagungsort „Schwarzes Schiff“ in Neuenheim geleiten durfte. Erstmals im Jahr 1948 hörte man dann, es solle im Pfaffengrund eine Kleinsiedlung gebaut werden. Anhörungen, Gespräche und Verhandlungen folgten.
Ein Jahr später war alles besiegelt und 1950 war Baubeginn.
Im 1. Bauabschnitt konnten 10 Familien ihre 5 Doppelhäuser mit Einliegerwohnung errichten.
Die Wohnfläche war sehr bescheiden geplant:
• Wohnküche 16,0 m2
• Elternschlafzimmer 12,5 m2
• Kinderzimmer 10,5 m2
• Flur 2,5 m2
• zusammen: 41,5 m2
Noch war das „Buschgewann“ nur ein Feldweg, an dem bereits während des Krieges 3 Doppelhäuser errichtet worden waren.
Doch mit der Unterstützung der Stadt, der Heimstätte und dem DSB wurde 1951 mit einfachsten Mitteln der Aushub begonnen: Spaten, Schaufel und Schubkarre ohne Bereifung – dafür oft mit knurrendem Magen.
Wegen des schlechten Weges mußte das Baumaterial mit dem Handwagen, der Schubkarre oder einfach auf der Achsel von den Siedlern ab der Entladestelle am Kranichweg zur Baustelle hingeschleppt werden.
Auch die als Übertragungsmaterial dienende Koksschlacke wurde vom Gaswerk per Handwagen herangeschafft.
Das Material für die Deckenübertragungen wurde – vermischt mit Stroh und Wasser - aus dem Lehm der Baugrube hergestellt.
Der „Komfort“ war sehr einfach: z.B. eine Toilette für zwei Familien, am Anfang gab es keinen Kanalanschluß, laufend mußte die Grube geleert und im Garten zur Düngung verteilt werden.
Und doch herrschte eine ungeheure Hilfsbereitschaft: wurde jemand krank, dann war der Nachbar zur Stelle und übernahm ganz selbstverständlch die nötigen Arbeiten.
Schön anzusehen waren die Gärten mit den Beerensträuchern und Obstbäumen, dem Gemüse sowie den Blumen der Siedlerfrauen. Lange Zeit wurden auch Tiere gehalten, jeder war stolz auf seine Hasen, Ziegen, Hühner und Enten. So mancher Sonntagsbraten wäre ohne eigene Tierhaltung nicht in den Topf oder in die Pfanne gekommen. Abfall kannte man nicht, alles wurde verwertet - und zuletzt als Kompost im Garten.
Innerhalb der Siedlergemeinschaft Pfaffengrund herrschte immer reges Leben. Man traf sich zu Ausflügen, Lehrgängen, bei Weihnachtsfeiern, Kappenabenden und nahm an Umzügen teil.
Dieses gesellige Beisammensein wird auch heute noch gepflegt.
Im Laufe der zurückliegenden 55 Jahre hat sich natürlich auch bei den Siedlern Vieles geändert, die Notzeiten sind vergessen, im Garten sind Gemüse und Obst meistens grünem Rasen und Blumenrabatten gewichen und die Stallungen für die Kleintiere wurden zu gemütlichen Lauben oder Freisitzen umfunktioniert. Und leider geht auch so mancher Jungsiedler lieber ins Fitness-Studio anstatt die überflüssigen Kalorien bei nützlicher Gartenarbeit auszuschwitzen.
Und doch: Was wären die Siedler ohne ihre Gärten? Sie sind die Freiräume für ihre Selbstverwirklichung, Freudenspender durch den Erfolg in selbstbestimmter Arbeit, sie sind die kleinen Paradiese für Musestunden mit der Familie und mit Freunden. Darüber hinaus schaffen sie als grüne Inseln ein gesundes Kleinklima für die Stadt und Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt.
Diesen Lebensraum zu erhalten - auch gegen drohende Bauverdichtung - ist uns ein wichtiges Anliegen.
Unsere Arbeit auf unseren Grundstücken und besonders im Garten, sowie die laufenden Beratungen für unsere Mitglieder werden geleitet von dem Wissen, daß wir die Natur nicht zerstören dürfen, wenn wir uns nicht selbst zerstören wollen.
Diese Erkenntnis prägt seit langem die Arbeit userer Gemeinschaft und der uns vertretenden Verbände und gilt uns auch für die Zukunft als Verpflichtung.

       Kurt Baumann

Gemeinschaftsleiter bis 2014

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