Baulasteintragung

Liebe Siedler,
als Vorstand des Siemens-Siedlung 3 am Hohenzollernkanal e.V. möchten wir die jüngsten Ereignisse zum Anlass nehmen, Sie in der Angelegenheit wegen der Baulasteintragung wie folgt zu informieren:

1. Derzeitiger Sachstand
Die Siedlung wurde in den Jahren 1934/1935 von der Firma Siemens erbaut. Sie besteht aus 164 Grundstücken mit je einer Doppelhaushälfte. Im Jahr 1952 wurde die Siedlung an die damaligen Siedler verkauft und die Straßenbereiche wurden dem Verein überschrieben. Es handelt sich somit um Privatstraßen im Eigentum des Vereins.

Bislang war die Erteilung von Baugenehmigungen für Um- oder Anbauten relativ unproblematisch möglich, zumindest erfolgte keine Versagung wegen fehlender Zufahrten. Seit dem Jahr 2013 hat das Bauamt Reinickendorf nunmehr seine bisherige Verfahrensweise geändert und meint nunmehr, aufgrund von § 4 BauO Bln könne eine Baugenehmigung nur noch erteilt werden, wenn eine Baulast eingetragen wird. Nach Gesprächen mit dem Bauamt vertritt dieses nunmehr den Standpunkt, dass eine Baulasteintragung für die Erteilung einer Baugenehmigung jedenfalls dann erforderlich ist, wenn ein Neubau erfolgt.

2. Rechtslage
§ 4 BauO Bln. sieht vor, dass Gebäude nur errichtet werden dürfen, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Grundstück eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat. Der Wortlaut des Paragraphen lautet wie folgt:

§ 4 Bebauung der Grundstücke mit Gebäuden
(1) Gebäude dürfen nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat.
(2) Ein Gebäude auf mehreren Grundstücken ist nur zulässig, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass dadurch keine Verhältnisse eintreten können, die Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes widersprechen.

Vorliegend liegen alle Grundstücke an einer Privatstraße, so dass die erste Alternative "Lage an einer öffentlichen Verkehrsfläche" nicht gegeben ist. In Betracht kommt daher nur die zweite Alternative "öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt". Eine solche öffentlich-rechtliche Sicherung erfolgt in der Regel durch die Eintragung einer Baulast. Hierbei handelt es sich um die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers zu einem das Grundstück betreffenden Tun, Unterlassen oder Dulden. Im vorliegenden Fall würde dies konkret bedeuten, dass der Verein sich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde verpflichtet, die Zufahrt zu den einzelnen Grundstücken zu gewährleisten. Sinn einer solchen Baulasteintragung ist also, dem Begünstigten, dessen Bauvorhaben ansonsten nicht genehmigungsfähig wäre, die Möglichkeit zu verschaffen, bauordnungsrechtliche Vorschriften unter Ausnutzung eines dritten Grundstücks zu erfüllen.

Bsp.:
Wenn Siedler A ein neues Gebäude errichten will, benötigt er entweder einen direkten Zugang zu einer öffentlichen Verkehrsfläche oder aber eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer öffentlichen Verkehrsfläche, da andernfalls die Voraussetzungen des § 4 BauO Bln nicht erfüllt sind. Da die Privatstraßen Eigentum des Vereins sind, müsste dieser auf seinen Grundstücken eine Baulast eintragen, damit dem Siedler eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer öffentlichen Straße zur Verfügung steht.

3. Problematik
Das Bauamt hat in einem Gespräch mit dem Vorstand angekündigt, in Zukunft Baugenehmigungen für einen Neubau nur noch dann zu erteilen, wenn der Verein auf seinem Grundstück (also den Straßen der Siedlung) eine Baulast eintragen lässt. Wir sind jedoch der Meinung, dass dies rechtswidrig ist. Denn nach § 68 BauO Bln. kann die Behörde auf die Eintragung einer Baulast im Einzelfall verzichten. Ein solcher Verzicht liegt im Ermessen der Behörde. Voraussetzung ist, dass die einzelnen Belange ausreichend gewürdigt werden. Unseres Erachtens sprechen folgende Argumente für einen solchen Verzicht:

  • Gleichbehandlungsgrundsatz

Etliche Siedler haben bereits Baugenehmigungen erhalten, ohne dass die Eintragung einer Baulast gefordert wurde. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nunmehr von dieser Vorgehensweise abgewichen wird, obgleich sich die Rechtslage nicht geändert hat.

  • Treu und Glauben

Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bauamtes durften Siedler davon ausgehen, dass auch in Zukunft Baugenehmigungen im gleichen Umfang erteilt werden und haben im Vertrauen darauf Investitionen getätigt.

  • Eintragung einer Grunddienstbarkeit

Die Begehbarkeit der Straßen ist für die Siedler durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit gesichert. Nach der Rechtsprechung des BGH bestehen keine Bedenken, eine gesicherte Erschließung auch dann anzunehmen, wenn die Zufahrt durch eine Dienstbarkeit dinglich gesichert ist (BGH, Urteil vom 21.05.1992, III ZR 14/01). Zudem hat der BGH (Urteil vom 03.02.1998, V ZR 224/87) erkannt, dass dann, wenn der Inhalt und Umfang einer geforderten Baulast dem einer bestehenden Grunddienstbarkeit entspricht, der Eigentümer des dienenden Grundstücks verpflichtet ist, der Eintragung einer Baulast zuzustimmen, wenn die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung ist. Damit ist nach unserer Ansicht dem Zweck der Baulasteintragung bereits Genüge getan. Denn wenn es lediglich vom Willen des Siedlers abhängt, die Eintragung zu fordern, ist eine solche tatsächlich nicht erforderlich, weil die Zuwegung bereits damit ausreichend gesichert ist.


Derzeit gibt es keinen Anlass, eine Baulast eintragen zu lassen, da keine offenen Genehmigungsverfahren vorliegen. Die Eintragung einer Baulast ist mit Kosten verbunden. Zudem kann die Baulast eine Wertminderung des Grundstücks herbeiführen. Die Baulast erlischt nicht durch Verkauf oder Zwangsversteigerung des Grundstücks. Als Erlöschensgrund kommt regelmäßig nur ein Verzicht der Baubehörde in Betracht. Der Verein beabsichtigt daher derzeit nicht, eine solche Baulasteintragung vorzunehmen. Sofern in Zukunft ein Siedler eine Baugenehmigung für einen Neubau beantragen möchte, würden wir eine vorherige Abstimmung mit dem Verein begrüßen.

Ihr Vorstand
Oktober 2013

Hinweis zum Datenschutz

Wir verwenden nur technisch notwendige Session-Cookies. Diese werden automatisch gelöscht, sobald Sie die Sitzung auf unseren Webseiten beenden und den Browser schließen.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.