Erinnerungen von Werner Marquis *)

W e r t e   g e s c h a f f e n

Grußwort zum 80-jährigen Bestehen der

Siedlergemeinschaft Düsseldorf-Nord (seit 1931)

Knapp eine halbe Million Euro soll nach einer Studie des Rings Deutscher Makler von 2011 ein freistehendes Einfamilienhaus in Düsseldorf-Stockum kosten.

Wer den Menschen erzählt hätte, die Anfang der 1930er-Jahre mit Spaten und Hacken den ehemaligen Truppenübungsplatz Golzheimer Heide besiedelten, welche Werte sie für ihre Urenkel schaffen, wäre sicher nicht ernst genommen worden.

"Wertschaffende Arbeitslosenhilfe" hatte das Ziel, den Arbeitslosen in der großen wirtschaftlichen Depression das Überleben zu sichern. Das hieß: ein Dach über dem Kopf, Kleinviehhaltung und ein paar Reihen Kartoffeln.

Noch in den 1960er-Jahren war die Siedlung in mancher Hinsicht ein liebevolles Provisorium und ein Paradies für Kinder. In alten Autos konnte man herrlich spielen, ebenso in den Wäldern `In der Been´.

Die Straßen waren nicht befestigt, es gab nur wenig Verkehr. Die Gärten waren riesig und hatten viele Obstbäume. Hunde durften noch unangeleint ihrer Wege gehen.

Der Sandweg war das Zentrum. Hier gab es eine Gaststätte (die "Siedlerklause" meiner Eltern), eine Metzgerei, einen Schreibwaren-Laden und sage und schreibe vier Lebensmittel-Geschäfte.

Man kannte noch keine Einkaufsparks vor der Stadt - wie hätte man da auch hinkommen sollen. Man blieb in der Siedlung. Man verstand sich gut in der Siedlung - so im Großen und Ganzen.

" Zoff " gab es immer mal, aber der wurde auch in der Siedlung ausgetragen. Wenn es Streit gab - in Kneipen blieb das nie aus - musste man vorher wissen, mit wem man sich anlegte, denn es konnte gut sein, dass die Hälfte der Gäste in verwandtschaftlicher Beziehung stand und in den Streit eingriff.

Das englische Militär hatte große Teile des Nordparks unter Kontrolle.
Auf der Engländer-Wiese wurden Rugby und Kricket gespielt. An Feiertagen marschierten Dudelsack-Kapellen. Eine kleine englische "Stadt":

Das Globe-Kino, NAAFI - ein Einkaufszentrum -, und der Youth-Club, ein Begegnungszentrum für junge Engländer und Deutsche.

Hier spielten die ersten englischen Rock-Bands. Der Frieden nach dem verheerenden Weltkrieg musste noch stabilisiert werden. Mit moderner Musik ging das gut.

Es ging aber nicht immer friedlich zu. Englische Militär-Polizei war stets in der Nähe.
Sie mussten des Öfteren auch in den Kneipen eingreifen, wenn die Diskussionen politisch wurden. Das war kein Spaß.

Die Zeiten waren nicht rosig. Sie waren bescheiden. Man war zufrieden mit dem, was man hatte. Das war nicht immer viel. Aber es ging aufwärts, irgendwie.

Am Farnweg wurden schon schickere Häuser gebaut. Keine an der Giebelfront geteilten Häuser mit an der familiären Entwicklung ausgerichteten Anbauten in den Garten. Garagen gab es jetzt auch immer mehr. Mit der steigenden Mobilität änderten sich auch die Einkaufsgewohnheiten.

Man kam in die großen Supermärkte und kaufte in größeren Mengen ein.
Das war auch das Ende der kleinen Geschäfte und Büdchen in der Siedlung.

Die Zeiten - nicht nur die Immobilien-Preise - haben sich geändert. Heute ist Stockum und die Siedlung zwischen Schlehen- und Wacholderweg ein in Düsseldorf angesagtes Viertel.

Düsseldorf-Stockum ist attraktiv. Die Nähe zur Innenstadt - man ist längst nicht mehr Vorort -, der Flughafen und die Messe haben die Strukturen verändert. Zimmervermietung ist eine lukrative Quelle .

Der Sandweg ist Taxi-Zufahrt zur Messe.

Die Flugzeuge sind zwar leiser als vor 40 Jahren, die Starts und Landungen haben sich aber vervielfacht.

Was ist geblieben von der Siedlung? Immer noch ein liebenswertes Quartier mit netten Menschen und einem Gefühl für Zusammengehörigkeit. Man sollte daran festhalten.

Jubiläen sind ein guter Anlass, sich der Ursprünge zu erinnern.
Sich zu erinnern, was tatkräftige Menschen in der Not schaffen können.

Nicht nur Werte im Sinne von Immobilienpreisen. Nachbarschaft, Solidarität und Nächstenliebe bleiben unverzichtbar, auch wenn sich die Zeiten ändern.

Mir hat der Name `Deutscher Siedlerbund´ immer gut gefallen. Der neue Vereinsname `Wohneigentum Nordrhein-Westfalen´ spiegelt aber wohl die Veränderungen in der Siedlung.

Ich hoffe, dass es auch in Zukunft noch genug Stockumer geben wird, die wissen, was es mit der Siedlung auf sich hat.

Zum 80-jährigen Bestehen der Siedlergemeinschaft Düsseldorf-Nord
wünsche ich

den Älteren angenehme Gespräche über alte Zeiten und neue Herausforderungen,

den Jüngeren die Muße, sich anzuhören, wie alles mal begonnen hat

und allen zusammen:

"Prost, Gesundheit und Frieden" für ein schönes Fest!

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*) geb.1951 und 1961 zum Sandweg gezogen, dort in der Gaststätte
„Siedlerklause“ aufgewachsen. Wohnt seit 1976 am „Am Hain“ in
Stockum. Von 1994 bis 2003 war er Mitglied des Rates der Stadt
Düsseldorf für Bündnis 90/Die Grünen, von 1994 bis 1999 Mitglied des
Aufsichtsrates der Messe Düsseldorf. Beruflich war er Sprecher der
Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen.

Im Juni 2011

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