Jahresausflug 2012 in die Steiermark

Im Reich der Almos 

Wieder einmal waren die reisefreudigen Mitglieder der Siedlergemeinschaft Sinsheim mit dem Bus unterwegs. Und ich war dabei. Bei einem längeren Aufenthalt in Passau haben sie mich aufgelesen. Die Firma Hoffmann Reisen brachte die Gesellschaft diesmal in die Steiermark - dem grünen Herzen Österreichs.

Das genaue Ziel lag in der Ost-Steiermark, nördlich von Graz. Hier gibt es das längste zusammenhängende Almengebiet Mitteleuropas, den Naturpark Almenland. Schon auf dem letzten Stück der Fahrt konnten wir erleben, dass es auf sehr schmalen Straßen hoch hinauf und wieder hinunter und wieder hinauf ging und sich dabei weite Ausblicke in tiefe Täler öffneten. Wie ein grünes Gewand bedeckten Wälder und Wiesen das Land, dazwischen hingestreut kleine Orte und einsame Bauerngüter. Gut, dass Arthur, der Engel, unseren Bus lenkte und, wie es auch kam, uns freundlich, gelassen und sicher kutschierte.

Auf 1104 m Höhe in Brandlucken angekommen, begrüßte uns der Chef, Simon Bauernhofer, in seinem Landhotel mit einem Lärchl-Schnaps. In dem Moment wusste wohl noch keiner, dass dies der Auftakt zu einer Woche mit gesunden, schmackhaften Naturprodukten war. Der Lärchl-Schnaps
erhält seinen Geschmack von nichts anderem als den frischen Trieben des Lärchenbaumes. Ich glaube, diese überraschende Kostprobe hat allen gut getan, selbst den zartesten Frauenkehlen. Dann konnten wir uns über in einem modernen Landhausstil eingerichtete Zimmer und über weiche Betten freuen.

Am Abend lag ein weiteres Spitzenerzeugnis auf unseren Tellern: Gespickter ALMO-Braten. Almos sind kastrierte Alm-Ochsen, die zwei Sommer lang unbehelligt auf der Alm weiden können und erst dann geschlachtet werden, wenn der Bedarf dafür da ist. Das Fleisch war so zart, dass es auf der Zunge zerging. Vom guten Essen ließe sich weiter schwärmen, aber es gab noch andere landestypische Produkte, deren Herstellung wir vor Ort begutachten konnten. Eswaren jedoch nicht nur die Erzeugnisse, die den Eindruck vermittelten, dass hier die Welt noch ein bisschen mehr in Ordnung ist als anderswo. Eswaren vor allem die Menschen, die liebeswürdig, überzeugend und bodenständig wirkten. Über ihre professionelle Routine hinaus, ließen sie uns spüren, dass sie auch mit ihrem Herzen an dem hängen, was sie tun. Wir erlebten es bei der Obstbäuerin Wilhelm auf der Apfelstraße genauso wie in der Oelmühle Fandler und der Imkerei Kreiner. Die vielen Obstplantagen mit den über die Bäume gespannten Hagelnetzen und die besondere Sorte von Kürbissen auf den Feldern, die für das exklusive Kürbiskernöl benötigt werden, waren auf jedem Fall nicht zu übersehen. Vielleicht entstehen alle diese Bilder im Kopf erneut, wenn zu Hause die mitgebrachten
Köstlichkeiten verwendet werden. Eines wurde allerdings auch deutlich. Die Ansprüche von uns Konsumenten sind nicht gerade geeignet, langfristig mit weniger Aufwand und Energie gesunde Lebensmittel zu produzieren. Was und wie wir essen ist ein wesentlicher Teil unserer Kultur und es bleibt eine spannende Frage, wohin sich diese entwickeln wird.

Aber wir haben uns natürlich nicht nur mit Essen beschäftigt, wenn auch Simon Bauernhofer eine Mindestgewichtszunahme von zwei Kilo für jeden Gast kalkuliert hatte. Es hieß also: in Bewegung bleiben! Wir besichtigten das romantische Schloß Herberstein, das ungewöhnlicherweise nicht auf einer Anhöhe liegt, sondern versteckt im Tal. Die mächtige Anlage erzählt von siebenhundert Jahren steirischer Geschichte und Familientradition. In der wieder zum Leben erweckten Gartenanlage erholten wir uns von dem vielfältigen Geschichtsexkurs und genossen die Blumen und die Sonne.Ebenso auf historischen Wegen waren wir bei unserem Besuch im Augustiner Chorherrenstift in Vorau unterwegs. Es wurde 1163 gegründet und hat sich über die Jahrhunderte zu einem Zentrum der Seelsorge und des religiösen Lebens, der Kultur und Weiterbildung entwickelt. Mich faszinierte ganz besonders die Bibliothek. Sie beherbergt fast ein Jahrtausend Buchgeschichte. Die am reichhaltigsten illustrierte Handschrift ist die 1467 geschriebene Volksbibel. Ich horchte auf. Luther übersetzte die Bibel erst um 1522. Da hatte also jemand schon vor ihm für einen eng begrenzten Landstrich, aber doch mit dem Vorsatz der Verständlichkeit, dasselbe getan. Heute gibt es daneben noch eine öffentliche Bibliothek und ein Denkmal des Lesens. Hier haben Studenten die unterschiedlichsten Bücher aus Stein gehauen und nebeneinander aufgereiht. Was in den Büchern stehen soll, darf ihr Geheimnis bleiben, aber manchmal kann man etwas davon erahnen. Die steinerne Bibliothek steht im Freien und wird mit der Zeit verwittern.

Verwitterte, aber immer wieder neugefügte Steine gab es in Pollau. Dort stand zunächst eine Burg, dann wurde daraus ein Stift und heute wird die Anlage Schloss genannt. Bekannt ist sie durch ihre Kirche, dem größten barocken Kirchenbau in der Steiermark. Durch die Ähnlichkeit im Grundriss und in der Kuppel mit dem Petersdom in Rom wird die Kirche als steirischer Petersdom bezeichnet. Oberhalb von Pöllau liegt das schönste Blumendorf oder auch das schönste Fleckerl der Steiermark-Pollauberg. Das kann man von unten natürlich noch nicht sehen, aber vom höchsten Punkt des Berges ragt markant die Wallfahrtskirche Maria Pöllauberg ins Land. Ich erinnere mich besonders an die vielen Danksagungstafeln von Wallfahrern auf der Rückseite ihres Altars. Und auch daran, dass selbst der Friedhof wie ein buntes Blumenmeer aussah.
Gut essen konnte man hier natürlich auch, zum Beispiel Steirer-Stukli. Was das ist? Das ist Dialekt. Sie haben gut geschmeckt, die Strudeltascherln.

Die Übersetzung vom Steirischen ins Badische war nur manchmal leicht. Im Dialekt, ohne deutsche Standardsprache, blieb vieles unverständlich. Beim Sommertheater auf der Brandlucken ging deshalb so manche Pointe an mir vorbei. Aber die Spielfreude der Laiendarsteller, der Sternenhimmel über uns und der Wein beförderten auf andere Weise das Verständnis für "Die widerspenstige Zähmung", Die zwei musizierenden Bauernburschen mittleren Alters, die uns am steirischen Abend unterhielten, waren schon stärker auf ausländische Touristen eingestellt. Wenn sie sangen: Ich lieg im Straßengrabn, was wird mei Weibl sagn ..., dann musste das nicht übersetzt werden. Außerdem gab es auch unter den Sinsheimern Gesangsfreunde. Gemeinsames Singen überwindet ja sowieso alle Hindernisse. Am meisten gelernt haben wir wohl von Alexandra, zukünftige von der Lilie. Sie begleitete uns drei Tage und ließ in ihren Erklärungen immer wieder Steirisches durchspitzeln. Beispielsweise auch solche Dinge, wie, dass die Schule in Heilbrunn heuer geschlossen worden ist. Ich hatte auf der Fahrt schon woanders Plakate entdeckt, auf denen stand: Zu einem gesunden Dorf gehört eine Schule! Das Problem ist ja auch bei uns bekannt.

Peter Rosegger, der bedeutendste Schriftsteller der Steiermark, der 1913 beinahe, aber aus politischen Gründen dann doch nicht, den Literaturnobelpreis erhalten hätte, konnte als Kind nur einen sehr beschränkten Schulunterricht genießen. Er wurde als Sohn eines Waldbauern geboren und ging bei einem Wanderschneider in die Lehre, ehe er anfing, Geschichten zu schreiben. Ihm wird nachgesagt, dass er wie ein einfacher Bauer begraben werden wollte, weil esihm vielmehr genügte, wenn man nach 50 Jahren noch wissen sollte, wer der Rosegger war.Anders als Rosegger haben die "Stoakogler" schon zu Lebzeiten dafür gesorgt, dass die Welt sie nicht vergessen wird. Eine Ruhmeshalle hätte sich in Gasen, dem steilsten Bergbauerndorf der Steiermark sicher schlecht eingefügt. So ist das Stoani Haus der Musik entstanden - eine Musikschule und ein Museum, in dem das Andenken an die einzigartige Karriere dieser von hier stammenden und noch hier wohnenden Volksmusikanten wach gehalten wird. Für meinen Geschmack ein bisschen zu viel amerikanisches Marketing, aber offensichtlich wirkungsvoll. Zum Auftakt des Besuchs durften wir mit den per Video anwesenden Stoakoglern zusammen singen. Zu einigen G'stanzln schmetterten wir den Refrain. Eine nette Überraschung, die nur darunter litt, dass wir am Ende auf Anweisung. "Das war Spitze!" kreischen sollten. Jetzt kann jeder von uns sagen, dass er schon einmal eine CD produziert hat. Die Aufnahme gab es nämlich gleich mit.

Zum Abschied aus dem Naturpark Almenland ging es dorthin, woher die Landschaft ihren Namen hat, auf die Almen. Und um diesen Sehnsuchtsort noch eindringlicher auf uns wirken zu lassen, stiegen wir am Teichalmsee aus dem Bus und schauten ins Teichalmseewasser. Der See wird von dem Fluss Mixnitz (ein Zungenbrecher für deutsche Zungen) gespeist und ist von Menschenhand gemacht, genauso wie der überdimensionierte Schindel-Ochse an seinem Ufer. ,,S' pascht scho", dachte ich auf steirisch, schaute in die Gegend und freute mich auf die empfohlene Jause. Wer wollte, konnte den See umrunden oder auch den Rundgang durchs Teichalmmoor wählen.

Bevor wir über Rohrmoos am Dachsteingebirge die Heimreise antraten, besuchten wir noch die Landeshauptstadt der Steiermark, Graz. Die Grazer Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist ganz autofrei. Wir erkundeten sie bei einem geführten Spaziergang zu Fuß. Der Uhrenturm auf dem Schlossberg ist wohl eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Ich wollte ihn gern aus der Nähe betrachten. Verschiedene steile Fußwege führen hinauf, aber es gibt einen Lift im Berg, der einen in Nullkommanichts den Anstieg überwinden lässt. In Ruhe die Stadt von oben zu betrachten, hatte auch seinen Reiz. Graz ist Universitätsstadt und hat fast so viele Studenten wie Einwohner. 2003 war sie Kulturhauptstadt Europas. Daran erinnert noch das Kunsthaus und die schwimmende Inselkonstruktion auf der Mur. Das fand ich besonders sympathisch an den Grazern, dass sie diese Insel trotz hoher Unterhaltungskosten behalten haben.

Aus einem Versehen heraus lag die letzte Übernachtung fast schon auf dem Heimweg. Simen Bauernhofer bekannte sich zu dem Fehler und wir landeten durch seine Vermittlung bei einem guten Freund und seinem ebenso guten Hotel in Rohrmoos, im Salzburger Land, mit Blick auf das Dachsteingebirge.Am nächsten Morgen war vom Gebirge allerdings vor lauter Nebel nichts mehr zu sehen. Der Himmel weinte, wie es sich bei der Abreise einer Schar von Engeln eben gehört. Wir hatten vier Tage besten Wetters, Essens, unterschiedlichster Unterhaltung, intakter Natur und freundlicher Menschen erlebt. Jetzt wollte ich nach Hause, um davon zu erzählen. Lieber Bruno, da Du ja vorhast, zukünftig zu Hause zu bleiben und damit die jahrelange Organisation dieser Ausflüge aus der Hand zu geben, will ich Dir noch einmal herzlich und innig dafür danken, dass ich einige Fahrten mitmachen konnte. Eswaren immer besondere Erlebnisse für mich, an die ich mich gern erinnere.

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