Straßenausbaubeiträge: Wir klagen!
Stand Oktober 2017
München,19. Oktober 2017. Der Verband Wohneigentum Bayern und der Eigenheimerverband Bayern haben beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München eine Popularklage gegen die ungerechten Straßenausbaubeiträge eingereicht. Die Verbände klagen stellvertretend für viele betroffene Bürger, deren Grundrechte sie durch die derzeitigen Regelungen in Bayern verletzt sehen. Nun muss der Bayerischen Verfassungsgerichtshof überprüfen, ob die Straßenausbaubeiträge in Bayern rechtmäßig erhoben werden - oder nicht. Das Urteil könnte richtungsweisend für andere Bundesländer sein.
Seit Jahren setzt sich der Verband Wohneigentum bundesweit dafür ein, dass die Kosten für den Straßenausbau nicht auf die Anlieger abgewälzt werden. Das Gericht ist nun in der Pflicht, das Bayerische Kommunalabgabengesetz daraufhin zu überprüfen, ob es den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen der Bayerischen Verfassung entspricht. Vor allem die Rechtmäßigkeit des neuen Artikels 5b des KAG über die wiederkehrenden Beiträge für Verkehrsanlagen wird angezweifelt.
Gerügt wird insbesondere, dass es der Landesgesetzgeber unterlassen hat, die Kriterien für einen aus dem Ausbau von Ortsstraßen angeblich resultierenden geldwerten Vorteil bestimmter Personen, insbesondere der Anlieger, näher zu bestimmen. Zudem werde bislang auch versäumt, einen etwaigen Mehrwert ("qualifizierte Möglichkeit der Inanspruchnahme" einer Straße) mit den Nachteilen zu verrechnen, die gerade Straßenanlieger durch Verkehrsimmissionen hinnehmen müssen. Die 2016 geschaffene Variante eines wiederkehrenden Beitrags verteile zwar die finanzielle Belastung auf eine größere Zahl von abgabepflichtigen Personen, löse aber die grundsätzliche Problematik nicht, die auch aus der offenen Struktur von Straßenverkehrsnetzen herrühre.
Erstellt wurden die 55-seitige Klageschrift sowie ein die Klage begründendes Gutachten von Prof. Dr. Ludwig Gramlich, der bis vor kurzem an der TU Chemnitz einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht innehatte.
Die Präsidenten der beiden Verbände, Siegmund Schauer (Verband Wohneigentum Bayern) und Wolfgang Kuhn (Eigenheimerverband Bayern), begründen diesen Gang vor Gericht mit der bedauerlichen Tatsache, dass die nun schon jahrelangen Bemühungen zur Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung - geregelt im Kommunalabgabengesetz des Freistaates Bayern - weder in der Landespolitik noch bei den Kommunalen Spitzenverbänden wirklich Gehör gefunden hätten.
Wenngleich man sich seitens des Bayerischen Landtages nach intensivem Drängen der Verbände im Frühjahr 2016 dazu entschlossen hatte, das KAG in diesem Bereich zu ändern, so hätten diese Änderungen (etwa die Möglichkeit der sogenannten wiederkehrenden Beiträge) keine zufriedenstellende Lösung für Haus- und Grundstücksbesitzer gebracht.
Das Damoklesschwert einer bis zu fünfstelligen Zahlung nach einer Straßenerneuerung schwebe weiterhin über jedem Hauseigentümer in Bayern. Die beiden Verbände zusammen vertreten um die 170.000 mögliche Betroffenen.
"Dieses Gesetz", resümiert Siegmund Schauer, Präsident des Verbands Wohneigentum Bayern, "ist immer häufiger, insbesondere für ältere Menschen, existenzgefährdend. Die Feststellung von Politik und Wirtschaft, dass das Wohneigentum eine der letzten sicheren Bastionen der Altersversorgung sei, wird hier ad absurdum geführt." Ein Beispiel: Es könne nicht sein, dass eine Gemeinde eine 70-jährige Anliegerin und Besitzerin eines Einfamilienhauses mit 10.000 Euro Straßenausbaubeiträgen belaste.
Darüber hinaus sei die Unsicherheit über mögliche spätere Zahlungen, mittlerweile neben hohen Grundstücks- und Baupreisen, sowie der geforderten Arbeitsstellenmobilität, ein weiterer Grund dafür, warum man in Deutschland mit der Erhöhung der Wohneigentumsquote nicht vorankomme und im europäischen Vergleich weiterhin auf den hinteren Plätzen rangiere.
S.Z./ Anna Florenske