Rechtzeitige "Schenkung des Familienheims", Teil 1 Vermeidung des Sozialhilferegresses im Pflegefall?

Rente und Pflegegeld reichen immer seltener zur Deckung von Heimkosten und Pflegebedarf aus. Oft herrscht die Sorge, das eigene Haus müsste zur Kostendeckung versilbert werden. Daher übertragen viele selbstnutzende Wohneigentümer ihr Heim schon zu Lebzeiten an Angehörige. Diese Lösung kann sinnvoll sein, sofern man die Schenkungen vertraglich korrekt absichert.

Hans-Michael Schiller,
Rechtsanwalt und Notar
Vorsitzender Verband Wohneigentum Westfalen-Lippe e.V.  
Die monatlichen stationären Pflege- und Heimunterbringungskosten betragen derzeit mindestens 4.000,00 € pro Person. Die Pflegeversicherung übernimmt nur Aufwendungen für die Pflege (ambulante oder stationäre Sachleistungen zum Beispiel in der Pflegestufe 3 mit derzeit monatlich höchstens 1.470 € und in Härtefällen maximal 1.750 €; ab 2010: 1.510 €/1.825 €), nicht aber für die Wohnkosten im Heim. Landesregional unterschiedlich kann gegebenenfalls bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen (eigenes Vermögen von weniger als 10.000 €) ein Zuschuss zum Pflegewohngeld beantragt werden. Da die eigenen Einkünfte (zum Beispiel Rente) zuzüglich Zahlungen aus der Pflegekasse und weiteren öffentlichen Mitteln oft nicht zur vollen Deckung aller Pflege- und Heimkosten ausreichen, ist in diesen Fällen für die betroffenen Eltern bzw. deren Kinder der Gang zum Sozialamt und die Beantragung von Sozialhilfeleistungen meistens unumgänglich.

Die notarielle Beratungspraxis zeigt, dass Eltern eine "unfreiwillige" Inanspruchnahme oder Minderung ihres Vermögens durch Sozialhilferegress (z.B. im stationären Pflegefall) häufig mithilfe einer vorgezogenen Schenkung an ihre Kinder oder Enkel verhindern möchten. Andererseits aber soll wirtschaftlich „alles so bleiben, wie es ist“. Die Zuwendung von Immobilien an Familienangehörige erfolgt deshalb meist gegen Vorbehalt eines Nießbrauchs- oder Wohnungsrechts, eines Altenteilsrechts oder gegen Vereinbarung monatlicher Unterhaltszahlungen an die Eltern.

Sozialhilfe - wer zahlt?

Wenn bisher das Eigenheim der Eltern ihr wesentlicher Vermögenswert war und sich nun nach Schenkung nicht mehr im Vermögen der Eltern befindet, muss der Sozialhilfeträger zur Deckung des dringenden Notbedarfs – etwa für Heim-, Miet- und Pflegekosten – in Vorleistung treten. Danach prüft er, ob der Beschenkte oder Angehörige des Schenkers zur Kasse gebeten werden können. Regressansprüche des Sozialhilfeträgers können in diesen Fällen auf die Rückforderung der Schenkung gerichtet sein und sich aus den von den Eltern vorbehaltenen Nutzungsrechten (Nießbrauch- oder Wohnungsrecht) ergeben.

Hat sich der Beschenkte im Übertragungsvertrag gar zu Zahlungen gegenüber den nun pflegebedürftigen Schenkern verpflichtet, sind diese Zahlungen zukünftig zur Deckung der Heim- und Pflegekosten an den Sozialhilfeträger oder das Pflegeheim zu zahlen. Denn der Sozialhilfeträger leitet alle Ansprüche des nun pflegebedürftig gewordenen Schenkers nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auf sich über.

Fehler vermeiden

Dennoch bieten sich aufgrund der bestehenden Gesetze und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zahlreiche Möglichkeiten, derartige (vorsorgliche) Vermögensübertragungen weitestgehend rechtssicher zu gestalten. Welche Fehler sollten bei der Grundstückschenkung an Kinder oder an nahe Angehörige möglichst vermieden werden?

Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers

Ein „verarmter Schenker“ kann sein Geschenk binnen 10 Jahren (§§ 528 I, 529 I BGB) vom Beschenkten zurückfordern, um sich wieder in die Lage zu versetzen, seinen angemessenen Unterhalt selbst bestreiten zu können. Dieser Anspruch wird im jeweiligen Bedarfsfall vom zuständigen Sozialamt geltend gemacht. Ein im Übertragungsvertrag erklärter Verzicht des Schenkers auf Rückforderung ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung sittenwidrig.

Bei nicht teilbaren Objekten – zum Beispiel einem Grundstück – kann nur dann vollständige Rückgabe gefordert werden, wenn der bereits entstandene Unterhaltsbedarf des pflegebedürftigen Schenkers den Wert der Schenkung übersteigt. Die Rückgabe kann in diesen Fällen durch Zahlung einer Leibrente abgewendet werden (§ 528 I Satz 3 BGB). Liegt der Wert der Schenkung über dem Unterhaltsbedarf, ist vom Beschenkten nur Wertersatz in Höhe der Bedürftigkeit zu leisten. Bei Schenkungen mit Gegenleistungen an den Schenker (z. B. Mitarbeit, Bauleistungen, Pflege, Gewährung eines Wohnrechts oder Nießbrauchs) kann nur Ersatz bis zur Höhe des verbleibenden Werts des Schenkungsanteils verlangt werden. Mit einer an diesen sozialhilferechtlichen Fragen orientierten Vertragsgestaltung bei Grundstücksübertragungen auf Angehörige kann also in rechtlich zulässiger Weise eine „Minderung der Schenkung“ und damit eine erhebliche Reduzierung bzw. Einschränkung der Rückforderungsmöglichkeiten des Sozialamtes erreicht werden (z.B. durch dem Schenker vertraglich zugesprochene Versorgungs- oder Nutzungsrechte oder sonstige Gegenleistungen).

Vorbehaltene Nutzungsrechte mindern zwar (auch) den Schenkungswert, dürften aber zur Verlängerung der 10-Jahres-Frist führen – hierzu fehlt bisher eine abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie sind daher sozialhilferechtlich nicht völlig unproblematisch, führen aber – wie der Beispielfall zeigt (siehe Kasten unten) – zu einer nachhaltigen Begrenzung der Ansprüche des Schenkers bzw. des Sozialamtes.

Beispiel

Der pflegedürftige Vater hat das (mit der Ehefrau/Mutter) bewohnte und mit dem Eigenheim bebaute Grundstück im Gesamtwert von 200.000 € seinem Sohn übertragen und sich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht am gesamten Objekt, häusliche Pflegeleistungen (begrenzt auf Leistungen der Pflegestufe 1) und die spätere Kostenübernahme sämtlicher Bestattungs- und Grabpflegekosten durch den Sohn vertraglich vorbehalten.

Der Vertrag wurde nach dem 01.01.2009 geschlossen. Der Vater war zum Zeitpunkt des Vertragschlusses 68 Jahre alt.

Der „fiktive“ Nutzungswert des Wohnrechts beträgt jährlich 9.600 €. Dabei wurde zugrunde gelegt, dass das Objekt monatlich mit 800 € „kalt“ zu vermieten gewesen wäre.

Berechnung:

Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung

200.000,00 €

./. Kapitalwert des vorbehaltenen lebenslangen Wohnrechts

- 141.696,00 €

./. Kapitalwert der lebenslangen häuslichen Pflegeleistungen
(begrenzt auf Leistungen der Pflegestufe 1)

- 38.080,80 €

./. Wert der Bestattungs- und Grabpflegekostenübernahme

- 10.000,00 €

Verbleibender Schenkungswert

10.223,20 €


Bei Ansprüchen wegen „Rückforderung der Schenkung“ kann somit durch den Schenker bzw. den Sozialhilfeträger Ersatz nur bis zur Höhe des restlichen Werts des Schenkungsanteils, also bis zur Höhe von 10.223,20 €, verlangt werden.

Die Berechnung fiele zugunsten des Sohnes noch günstiger aus, wenn der Vater zum Zeitpunkt der Übertragung jünger als 68 Jahre gewesen wäre (wegen der dann zu erwartenden höheren Restlebenszeit). Insofern günstiger wäre auch, wenn nicht Vater, sondern Mutter oder beide Eltern gemeinsam ihr Eigentum am Eigenheim auf den Sohn übertragen hätten, denn der Berechnung liegen die Sterbetabellen 2005/2007 des Statistischen Bundesamts zugrunde, nach denen die Lebenserwartung von Frauen höher ist. Dies führt zu einem höheren Kapitalwert des vorbehaltenen Wohnungsrechts und der vereinbarten häuslichen Pflegeleistungen.

Ferner halbiert sich bei Übertragungen von beiden Elternteilen das „Haftungsrisiko im Regressfall“, da Rückforderungsansprüche nur durch den bedürftig gewordenen Elternteil und bezogen auf dessen übertragenen Eigentumsanteil in Betracht kommen.


Hans-Michael Schiller,
Rechtsanwalt und Notar
Vorsitzender Verband Wohneigentum Westfalen-Lippe


Die Vermögensübertragung bzw. Grundstückschenkung an Kinder oder Angehörige birgt noch weitere Risiken, die jedoch durch die korrekte Kenntnis der Rechtslage und entsprechend formulierte Verträge vermieden werden können. Lesen Sie ab Juni 2009 mehr Tipps von dem Rechtsexperten Hans-Michael Schiller zu den Themen „Wohnungsrecht oder Nießbrauch“ sowie „Vertragliche Rückforderungs- bzw. Rückerwerbsrechte“.

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