Die Proteste haben gefruchtet

Koalition relativiert GEG-Verschärfung

April 2023

Die Proteste haben gefruchtet. Anders als von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz ursprünglich geplant, wird das Aus für den Einbau reiner Öl- und Gasheizungen nicht so rigide umgesetzt und enthält Bestandsschutz, Ausnahmen und Übergangsregelungen. In einer recht weichen Formulierung hat die Koalition Ende März festgehalten, dass ab nächstem Jahr "möglichst jede Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll." Das gibt Menschen mit Wohneigentum etwas mehr Zeit, den Heizungswechsel zu planen.

Das war ein Paukenschlag: Der Vorentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) Ende Februar beinhaltete, dass die Auflagen zum Heizungstausch bereits auf 2024 vorgezogen und verschärft werden sollten. Das hätte den Einbau reiner Öl- und Gasbrenner schon ab nächstem Jahr verboten und so bei einem Heizungstausch nur Nah- oder Fernwärme, Wärmepumpen oder Biomasse wie Pelletheizungen erlaubt. Außerdem wären Wohneigentümer dann verpflichtet gewesen, eine Heiztechnik zu wählen, die mindestens zu 65

Sondersituation der "kleinen Leute"

Klimafreundliche Heizungen gehen ins Geld
Klimafreundliche Heizungen gehen ins Geld: Mit nachhaltigen und effizienten Heizungen lassen sich die Energiepreise senken, aber sie sind in der Anschaffung deutlich teurer als Gas- und Ölheizungen.   © Statista
Die kurzfristigen Auflagen hätten vor allem selbstnutzende Eigentümerinnen und Eigentümer mit älteren Häusern stark belastet. Denn: Klimafreundliche Heizungen ziehen umfangreiche Sanierungen von Bestandshäusern nach sich und kosten. Der Verband Wohneigentum (VWE) warnt auch nach der leichten Modifizierung des Gesetzesvorhabens vor einer dramatischen finanziellen Überforderung der Eigentümer und Eigentümerinnen. "Viele Familien, die Bestandsimmobilien erworben haben, sind noch einige Jahre dabei, ihre laufenden Darlehen abzubezahlen. Auf sie würden mit neuen Auflagen gravierende Kosten zukommen, die sie nicht schultern können", erklärt Peter Wegner, amtierender Präsident des Verbands Wohneigentum (VWE). Die bisherigen staatlichen Förderangebote könnten diese Belastungen nicht abpuffern. "Dabei ist das Ende der finanziellen Belastbarkeit bei vielen selbstnutzenden Wohneigentümern und Hausbesitzerinnen durch hohe Energiekosten und Inflation längst erreicht", so Wegner. Vor der Einsparung durch Einsatz neuer Technik stehe nun einmal eine beträchtliche Investition. Reduzierte Förderung und gestiegene Zinsen für die Finanzierung des Hauses und der Sanierungsmaßnahmen kämen erschwerend hinzu.

Heizungstausch: das gilt

Nach einem Proteststurm wurde das Ziel, die Energiewende im Gebäudebestand zu beschleunigen, durch den Koalitionsausschuss wieder gelockert: Im Beschlusspapier vom 28. März 2023 heißt es in einer recht weichen Formulierung nur noch, dass "möglichst jede Heizung ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll". Das kurzfristige und rigide Aus für den Einbau reiner Öl- und Gasheizungen wird nun relativiert: Man will Bürgerinnen und Bürger laut Beschlusspapier nicht überfordern und verspricht pragmatische Ausnahmen (zum Beispiel, dass über 80-jährige selbstnutzende Hausbesitzer befreit sind), "bürokratiearme" soziale Härtefallregelungen und Übergangsregelungen. Bestehende Heizungen können weiter betrieben werden, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Zudem sprach die Bundesbauministerin von weiteren Ausnahmen: "Wir haben uns darauf geeinigt, Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern, die vor 2002 dort eingezogen sind, vom Heizungsaustausch auszunehmen", erklärte Klara Geywitz der Nachrichtenagentur Reuters. "Für alle anderen gilt, funktionierende Öl- oder Gasheizungen, die weniger als 30 Jahre alt sind, müssen nicht ausgetauscht werden." Damit folgt die Bundesregierung wichtigen Forderungen des VWE.

VWE-Protest trägt Früchte

"Wir alle müssen umdenken, in jedem Bereich, um die Klimaziele zu erreichen und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und unberechenbaren Lieferstopps zu verringern", führt VWE-Präsident Wegner weiter aus. Aber dies müsse eben machbar und vor allem für Menschen mit kleinen oder geringen finanziellen Ressourcen bezahlbar sein. "Eine Sanierungspflicht auf Biegen und Brechen ist nicht praktikabel und provoziert finanzielle Not und Widerstand bei den Menschen, die sie umsetzen müssen. Wichtig ist zu sehen: Wer kann was bezahlen? Und wer kann es umsetzen?"
Der VWE begrüßt, dass der Beschluss der Ampel-Koalition von strikten Verboten beim Heizungstausch absieht. "Das nimmt Menschen mit Wohneigentum eine große Sorge", so Peter Wegner. "Wie vom VWE gefordert, verspricht die Bundesregierung: Niemand wird im Stich gelassen. Die Einlösung dieses Versprechens werden wir kritisch verfolgen, es darf nicht zu einer Floskel werden."

Klimaziele sind wichtig

Bei aller Kritik ist der generelle Grund für die angestrebte politische Weichenstellung nachvollziehbar. Klimaprognosen wie auch spürbar drastischere Wetterphänomene sind nicht zu übersehen und Deutschland läuft Gefahr, die international vereinbarten Klimaziele weiterhin zu verfehlen und erneut Vertragsstrafen zahlen zu müssen. Wie Berichte der Versicherungswirtschaft belegen, ist nicht nur Vorsorge teuer, schon jetzt belasten Klimafolgeschäden die deutsche Volkswirtschaft. Um die Nutzung klimaschädlicher, fossiler Energien im Gebäudebereich zu verringern, will die Bundesregierung die Energiewende beschleunigen.

"Isoliert betrachtet ist alles, was die Energieeffizienz im Gebäudebereich erhöht, aus Klimaschutzgründen, aber auch aus Gründen der Versorgungssicherheit, grundsätzlich sinnvoll und zukunftsweisend", betont der VWE-Präsident. Laut Bundesregierung wird mehr als ein Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland zum Heizen von Gebäuden und zur Warmwasserversorgung verbraucht; über 80

Energiewende gelingt nur mit den Menschen

"Die notwendige Energiewende im Gebäudebestand wird aber nur gelingen, wenn man alle Menschen mit Wohneigentum mitnimmt und nicht überfordert", betont Peter Wegner. An die Bundesregierung richtet er den dringenden Appell: "Provozieren Sie keinen Widerstand gegen die Energiewende, durch immer höhere und teilweise utopische Auflagen, die im Bereich selbstgenutztes Wohneigentum nicht umgesetzt werden können!"

Ende März kündigte Robert Habeck an, ein soziales Förderprogramm in Milliardenhöhe auflegen zu wollen - für Wohneigentümer mit kleinem und mittlerem Einkommen, die ihre Heizung wechseln müssen. Der VWE-Präsident: "Hier bleibt abzuwarten, ob und wie diese Förderung, die abhängig vom Einkommen sein soll, ausgestaltet wird. Immerhin entspricht sie unserer langjährigen Forderung an die Politik: Fördert, was gefordert wird!" Bis zur Sommerpause soll die Novelle des GEG beschlossen werden.

Anna Florenske

Aktuelles zum GEG auf der Info-Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz

Das sagen unsere Mitglieder

"Was mich am meisten stört, ist dieser Zwang, innerhalb kürzester Zeit solche gravierenden energetischen Sanierungen am Haus vornehmen zu müssen. Und, dass die Politik augenscheinlich kein Bewusstsein dafür hat, was für Kosten dadurch auf uns kleine Leute zukommen. Wir sparen Energie, wo es geht, die Brisanz der Lage ist uns bewusst. Nur so geht es einfach nicht, es ufert aus!" Anonym, Bochum

"Neue Energien im gut gedämmten Neubau einzusetzen, macht natürlich Sinn. Aber wir haben ein altes Siedlerhaus von 1936. Das lässt sich nur sehr begrenzt dämmen, was machbar war, wurde auch gemacht, aber nicht von außen - wegen der schönen Fassade. Und das ist mein Hauptkritikpunkt, dass viele alte Häuser wie unseres mit erneuerbaren Energien nicht effizient und bezahlbar beheizt werden können. Dazu kommt: Ab einem gewissen Alter bekommt man dafür auch keine Kredite mehr. Die KfW gibt im Moment kaum etwas dazu und wenn, dann mit zu hohen Auflagen. Solch‘ einen umfassenden Umbau können wir nicht finanzieren." Lutz Bollenbach, Nordstemmen

"Mein Haus ist in den 30er Jahren gebaut, soweit es finanziell möglich war, haben wir umgebaut und saniert. Als Rentner reicht mein Einkommen gerade, um die laufenden Kosten für das Haus (wie Grundsteuer und die hohen Energiekosten) zu decken, ich habe aber keine finanziellen Möglichkeiten mehr für z.B. extreme Wärmedämmung oder eine Heizungsanlage mit erneuerbaren Energien wie eine Wärmepumpe, die sehr viel teurer sind als beispielsweise eine Gasbrennwertheizung. … Für "kleine" Wohneigentümer wie uns, die in alten Bestandsgebäuden leben, sind solche Auflagen unbezahlbar - sie würden praktisch einer Enteignung gleichkommen. Wir haben uns das Haus über viele Jahrzehnte mühsam "vom Mund abgespart" und brauchen es zur Altersvorsorge." Ottmar Jäger, Northeim

"Klar wird CO2 eingespart, aber ein Hausbesitzer, der eine auf Kante genähte Finanzierung bei nicht allzu üppigem Gehalt hat oder Rentner mit Minimaleinkommen ist, wird nichts von alledem bezahlen können. Hier muss vom Staat zumindest mit signifikanten Mitteln all jenen ermöglicht werden, die sich das sonst nicht leisten könnten. Anderenfalls kommen diese Gesetze einer Art Enteignung gleich, zumindest für Althausbesitzer wie mich." Gerhard Ramm, via Facebook

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