Haftung bei Reiseveranstaltungen der Gemeinschaften
Vereinshaftung und steuerliche Konsequenzen bei Reiseveranstaltungen „in eigener Regie“
Viele Gliederungen (Landes- und Kreisverbände, Siedlergemeinschaften) im VERBAND WOHNEIGENTUM veranstalten während des Jahres Fahrten, Ausflüge und Reisen. Dabei ist ihnen nicht bewusst, dass sie damit oftmals die gesetzlichen Kriterien eines Reiseveranstalters erfüllen und somit die gesetzlichen Regelungen des Reisevertragsrechts (§§ 651 a ff. BGB) zu beachten haben. Die Abgrenzung schlichter Vereinstätigkeit gegenüber der Tätigkeit als Reiseveranstalter im Sinne der vorgenannten Rechtsvorschriften ist fließend und häufig schwierig.
Die Einstufung einer Vereinsaktivität als „Reiseveranstaltung“ führt zu zahlreichen gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere zur Sicherung des Reisepreises und Beachtung besonderer Informationspflichten, deren Verletzung einschneidende (Haftungs-)Folgen sowohl für den Verein wie auch für dessen Vorstandsmitglieder haben können. Oftmals werden im Zusammenhang mit Reiseveranstaltungstätigkeiten auch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ von den Vereinen verwendet, deren Inhalt gegen geltendes Recht oder höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt, was zum einen zur Unwirksamkeit der mit den Reiseteilnehmern abgeschlossenen Verträge und zum anderen zu kostspieligen Abmahnungen durch Wettbewerbsvereine oder Konkurrenten (z.B. andere Reiseveranstalter) führen kann. Wirtschaftliche Aktivitäten gemeinnütziger Vereine können zudem unerwartete negative steuerliche Auswirkungen haben und bis zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit der betroffenen Verbandsgliederung führen. Den zu erwartenden negativen steuerlichen Folgen ist zunehmend mehr Gewicht beizumessen, da Vereine, bei denen die Geselligkeit im Vordergrund steht, nicht gemeinnützig sein können. Denn die Pflege der Geselligkeit ist in dem Katalog der in § 52 Abs.2 Abgabenordnung (AO) aufgeführten Gemeinnützigkeitsgründe nicht enthalten. Gelegentliche gesellige Zusammenkünfte – also solche von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu sonstigen steuerbegünstigten und satzungsgemäßen Vereinstätigkeit – schließen aber die Gemeinnützigkeit nicht aus (§ 58 Nr. 8 Abgabenordnung).
Wann ist ein Verein Reiseveranstalter gemäß § 651 a BGB?
Auch im Vereinsbereich ist Reiseveranstalter derjenige, der sich gegenüber dem Reisenden verpflichtet , in eigener Verantwortung eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen.
Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist ein Verein Reiseveranstalter , wenn er sich gegenüber den Teilnehmern im Rahmen der Ausschreibung (Prospekt) verpflichtet, mindestens zwei die Reise bezogene Leistungen zu erbringen, von denen keine eine ganz untergeordnete Bedeutung haben darf.
Beispielhaft gehören zu sog. „Hauptleistungen“ einer Reise:
Transport und Unterbringung,
Transport und Verpflegung,
Unterkunft und organisierte Wanderungen, Tagestouren etc.
Unterkunft und Rahmenprogramme.
Reiseveranstalter kann jede natürliche oder juristische Person – also auch ein in das Vereinsregister eingetragener oder dort nicht eingetragener Verein – sein, somit also jeder, der eine Reise verantwortlich organisiert und anbietet. Dabei kann es sich auch um eine Gelegenheitsveranstaltung handeln. Eine gewerbliche Tätigkeit – insbesondere eine Gewinnerzielungsabsicht – werden vom Gesetz und der Rechtsprechung nicht vorausgesetzt. Wenn die vom Verein angebotene Reise ausschließlich eine organisationsspezifische Ausrichtung hat (Beispiel: Veranstaltung, die es den Mitgliedern ermöglicht, an einer Schulung teilzunehmen), gilt der Verein nicht als Reiseveranstalter im Sinne des Gesetzes. Gerade bei der Frage einer rein organisationsspezifischen Ausrichtung kommt es in der Praxis aber regelmäßig zu Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall. Deshalb kann jedem Verein nur eine vorherige rechtzeitige juristische Prüfung angeraten werden! Es ist wichtig zu wissen, dass jede einzelne Aktivität des Vereines als solche beurteilt werden muss, um herauszufinden, ob eine Reiseveranstaltertätigkeit oder nur schlichte Vereinstätigkeiten vorliegen. Nicht das Gesamtbild der Aktivitäten des Vereines entscheidet, sondern das Gesamtbild jeder einzelnen Aktivität.
Beispiele:
1. Interne Ausbildungs- oder Fortbildungsveranstaltungen
Solche sind in der Regel nicht als Reiseveranstaltungstätigkeit des Vereins einzuordnen. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn der Verein kein Gesamtpaket zu einem Pauschalpreis anbietet, sondern Veranstaltungen lediglich (kostenlos) organisiert. Ein Pauschalpreis könnte allerdings dann bejaht werden, wenn der Verein die für die Beschaffung der Einzelleistungen erforderlichen Mittel bei den teilnehmenden Mitgliedern einsammelt und dann aus dieser gemeinsamen Kasse die Reise finanziert. Zur Vermeidung einer Qualifikation als Reiseveranstaltung ist es in diesen Fällen förderlich, wenn Teilleistungen der Fahrt von den Teilnehmern direkt mit den jeweiligen Leistungsträgern abgerechnet werden (z.B. direkte Bezahlung der Übernachtungskosten vor Ort). Die Schwelle zur Reiseveranstaltung ist allerdings dann überschritten, wenn der Verein die Fortbildungsfahrt als Gesamtpaket zu einem Pauschalpreis anbietet und womöglich noch den Teilnehmerkreis für Dritte öffnet. In diesem Fall ist in der Regel das Reisevertragsrecht anzuwenden.
2. Sonstige Ausflugsveranstaltungen
Bei sonstigen Ausflugsveranstaltungen für Mitglieder und Nichtmitglieder sind die Grenzen zwischen schlichter Vereinstätigkeit und Reiseveranstaltungstätigkeit äußerst fließend. Hat die Ausflugsfahrt eher den Charakter einer internen Veranstaltung, für die der Verein bloß die Organisation bzw. Vermittlung übernimmt, liegt eher eine schlichte Vereinstätigkeit vor. Eine Reiseveranstaltung ist aber dann zu bejahen, wenn der Verein in Prospekten als Veranstalter auftritt, mindestens zwei Reiseleistungen in einem Gesamtpaket anbietet und hierbei als Alleinverantwortlicher dem Reiseteilnehmer gegenüber in Erscheinung tritt.
Verein als Reisevermittler?
Vermittelt der Verein lediglich die Leistung(en) eines Dritten, ohne die Reise dabei selbst zu gestalten, können ihn die reisevertragsrechtlichen Vorschriften als Reisevermittler betreffen (§ 651 k Absätze 3 und 4 BGB).
Rechtsfolgen bei Einordnung als Reiseveranstaltungstätigkeit
Ist ein konkretes Veranstaltungsangebot eines Vereins nach den obigen Ausführungen als Reiseveranstaltungstätigkeit einzuordnen, gelten die reisevertragsrechtlichen Vorschriften der §§ 651 a ff. BGB sowie der „Verordnung über die Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht“ (BGB-InfoV). Hierbei handelt es sich um zwingende Gesetzesvorschriften, die auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht abbedungen werden können.
Das Reisevertragsrecht führt zu nachfolgenden Konsequenzen und Anforderungen an den Veranstalter:
a) Umfassende Verantwortlichkeit
Den Verein trifft als Reiseveranstalter die volle Verantwortung und Haftung für die gesamte Reise. Dies gilt auch für Leistungen anderer – also fremder – Leistungsträger, sofern sich der Verein (=Veranstalter) dieser fremden Leistungsträger zur Erfüllung seiner reisevertraglich vereinbarten Leistungen bedient. Ein Haftungsausschluss für diese „Fremdleistungen“ ist auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen des Vereins nicht möglich.
b) Prospektangaben
Eine Pflicht des Veranstalters, einen Prospekt herauszugeben, besteht nicht. Wird ein Prospekt aber herausgegeben, muss es den gesetzlichen Anforderungen der „Verordnung über die Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht“ entsprechen.
c) Unterrichtungspflichten
Den Reiseveranstalter treffen vor Vertragsschluss sowie vor Beginn der Reise bestimmte und im Gesetz näher geregelte Unterrichtungspflichten, auf deren Darstellung im Einzelnen hier verzichtet wird.
d) Reisebestätigung
Der Reiseveranstalter hat den Reiseteilnehmern bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss eine Reisebestätigung zur Verfügung zu stellen, die alle wesentlichen Angaben über die gebuchten Reiseleistungen enthält. Auch hier sind einschlägige gesetzliche Vorgaben zu beachten.
e) Reisepreisabsicherung
Der Reiseveranstalter muss über eine ordnungsgemäße Reisepreisabsicherung oder über ein Zahlungsversprechen (vornehmlich Bankgarantie) eines Kreditinstituts verfügen, um seiner Pflicht zur Absicherung des Reisenden im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Reiseveranstalters nachkommen zu können (§ 651 k BGB). Der Reiseveranstalter hat den Reisenden einen Versicherungsschein zu übergeben, in dem bestätigt wird, dass der Reisende einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles hat. Der Reiseveranstalter darf Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise nur fordern oder annehmen, wenn dem Reisenden dieser Versicherungsschein übergeben wurde. Hinsichtlich des Inhalts und der Gestaltung des Versicherungsscheins sind weitere gesetzliche Vorgaben zu beachten.
Die vorstehend erwähnten Pflichten bestehen ausnahmsweise dann nicht, wenn der Verein „nur gelegentlich und außerhalb seiner gewerblichen Tätigkeit Reisen veranstaltet“, wobei ein oder zwei Veranstaltungen im Jahr von der Rechtsprechung noch als „gelegentlich“ angesehen werden. Von „gelegentlich“ kann aber auch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn im Voraus ein Jahresprogramm für die Reisen des Vereins festgelegt wird.
Wenn die Reise nicht länger als 24 Stunden dauert, keine Übernachtung mit einschließt und der Reisepreis 75,00 Euro nicht übersteigt, entfallen ebenfalls die vorstehend erwähnten Pflichten eines Reiseveranstalters (§ 651 k Abs. 6 BGB).
Allgemeiner Versicherungsschutz des Vereins
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass der Verein als Veranstalter unter Beachtung der zu erwartenden Risiken prüfen muss, ob die sonst vorhandenen Versicherungen des Vereins ausreichen, um die allgemeinen Risiken im Haftpflichtbereich und im Bereich des Unfallversicherungsschutzes während der Reise abzusichern.
Steuerliche Konsequenzen
Betätigt sich ein gemeinnütziger Verein als Reiseveranstalter, handelt es sich – ebenso wie bei anderen nicht steuerbegünstigten Anbietern von Reisen – um wirtschaftliche Aktivitäten auch im steuerlichen Sinn. Denn im Unterschied zur rein ideellen Vereinstätigkeit (Spenden, Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse) liegt hier ein Leistungsaustausch (Leistung und Gegenleistung) vor. Je nach Veranstaltung handelt es sich dabei um einen steuerbegünstigten „Zweckbetrieb“ oder um einen nicht steuerlich begünstigten „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ des Vereins. Bei letzterem ist sogar die Gemeinnützigkeit des Vereins gefährdet, wenn diese Tätigkeiten nicht nur völlig ungeordnete Bedeutung im Vergleich zu den übrigen satzungsgemäßen Aufgaben und deren tatsächliche Erfüllung durch den Verein haben.
Wenn die erzielten Bruttojahresgesamteinnahmen des Vereins aus dessen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftstätigkeiten den Betrag von 35.000,00 Euro übersteigen und der (Gewinn-)Überschuss mehr als 5.000,00 Euro (Freibetrag) beträgt, sind Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag vom Verein zu zahlen. Nach Prüfung der Reisetätigkeit und Umsätze im Einzelfall kann der Verein auch verpflichtet sein, Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen.
Entschließen sich mehrere Vereine, gemeinsam Reiseveranstaltungen durchzuführen, ist zu beachten, dass durch das gemeinschaftliche Zusammenwirken dieser Vereine eine „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ ins Leben gerufen wird, die ein eigenes Steuersubjekt ist und keine Steuerbegünstigungen erlangt. Die erzielten Einnahmen werden den einzelnen Vereinen und deren steuerpflichtigem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugerechnet.
Fazit
Die Vorstände aller Verbandsgruppierungen im VERBAND WOHNEIGENTUM sollten alle Tätigkeiten und jegliches äußere Auftreten vermeiden, was nach Außen und insbesondere bei den Teilnehmern von (Reise-)Veranstaltungen zu der Annahme führen könnte, dass die jeweilige Gruppierung (Landes- oder Kreisverband, Siedlergemeinschaft) oder deren Vorstand die Haftung für den Erfolg der Reise und die damit im Zusammenhang stehenden Leistungen in eigener Verantwortung übernimmt bzw. übernehmen will oder als Reisevermittler auftritt bzw. auftreten will! Vielmehr bietet sich speziell im VERBAND WOHNEIGENTUM eine für alle Gruppierungen gefahrlose (weil Haftung vermeidende), weniger arbeitsaufwändige und zudem kostengünstige Alternative! Bei geplanten Veranstaltungen mit Reisetätigkeiten jeglicher Art könnte von der (durch den Verband angebotenen) Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, die Veranstaltung über Vermittlung des Leserreisedienstes „Familienheim und Garten Reiseservice“ durch dessen Kooperationspartner HTC als Reiseveranstalter durchführen zu lassen. Damit entfallen für die Gemeinschaften, Kreis- und Landesverbände sämtliche zivil-, versicherungs- und steuerrechtlichen Probleme!
© Hans-Michael Schiller
Rechtsanwalt und Notar
Vorsitzender Verband Wohneigentum Westfalen-Lippe e.V.