Chronik der Siedlergemeinschaft Colonie Gertrudenau e. V.

Chronik der Siedlergemeinschaft Colonie Gertrudenau

© Stadtarchiv Herten
© Stadtarchiv Herten


Wir schreiben das Jahr 2001:
Es war wie so oft im Leben. Wir, die Betroffenen, erfuhren es aus den Zeitungen. Am 15. August 2001 schlug es wie eine Bombe ein. Unsere Kolonie (da war das historische Schild, was Jahrzehntelang die Ecke der ehemaligen Zechenmauer zierte, noch nicht zurückgekehrt, da schrieb man Kolonie noch mit „K“) soll verkauft (privatisiert) werden. Ein Tag danach, am 16. August 2001, titelten die Hertener Zeitungen : „Stadt erwägt Gestaltungssatzung“ (auch wieder ohne uns Betroffene …).

Trotz den Ankündigungen von 10 Jahren Kündigungsschutz (unter 65 Jahren) und lebenslangem Wohnrecht für über 65 jährige rannte man dem Knappschaftsältesten (der muss ja alles Wissen) das KgB (Kleines gemütliches Büro) ein. Man war voller Sorge. Älteren Mitbürgern stand die Angst ins Gesicht geschrieben: „Was ist, wenn ich es nicht kaufen kann?“

„Bekomme ich überhaupt noch Geld von der Sparkasse/Bank in meinem hohen Alter?“ – “Können es die Kinder kaufen?“- waren nur einige Fragen, die mir immer wieder gestellt wurden. Und ich wusste es doch auch nicht.


Ein weiterer wunder Punkt war die von Viterra sowie Teilen vom Rat und der Verwaltung angestrebte und für einige schon sicher geglaubte Nachverdichtung.


Alles schon mal geplant. Natürlich wieder einmal ohne uns Betroffene. „Demokratie vor Ort ?“ oder die „Macht des Kapitals?“

Nachdem Viterra eine Info-Veranstaltung auf der Straße ! veranstaltet hatte (25. August 2001), fand der erste Erfahrungsaustausch in geordneten Verhältnissen am 18. September 2001 in der „Gaststätte Gertrudenau“ statt.

Auf Einladung von der IGBCE Ortsgruppe Scherlebeck und dem SPD Ortsverein Scherlebeck berichtet Karl-Heinz Egger aus Bertlich von den Erfahrungen bei der dortigen Privatisierung. Anschließend stand er, so gut er konnte, Rede und Antwort.



„Gott ist für die Menschen da, nicht für`s Kapital!“

Es wurde im Laufe der Tage und Wochen immer deutlicher, das „WIR“ uns organisieren müssen. Und so geschah es auch.

Nach Vorgesprächen und dem Angebot der logistischen Unterstützung von Hertener Politikern, die ich noch aus Tagen der „Bürgerinitiative gegen die PCB-Verbrennung im RZR“ kannte, erfahrenen „Kämpferinnen“ von Mieterinitiativen aus GE-Hassel und GE-Ückendorf sowie des örtlichen evangelischen Pfarrers Uwe Heubach („Gott ist für die Menschen da, nicht für`s Kapital“) lud ich für den 02. November 2001 zu einer „Mieter- und Bewohnerversammlung Kolonie Gertrudenau“ in den Stadtteiltreff Zeche Scherlebeck (alte Zechenturnhalle) ein. Das Hauptanliegen war die Gründung einer Bürgerinitiative (BI).



Nach einem Vortrag durch Hans-Heinrich Holland über die Geschichte der Kolonie folgten die Erfahrungsberichte von Susanne Beumanns und Traudl Tomshöfer. Sie berichteten über 28 Jahre Arbeit in Mieterinitiativen gegen VEBA Wohnen/Viterra aus den Bereichen GE-Hassel und GE-Ückendorf.



Durch Traudl kam auch kurz die Möglichkeit einer genossenschaftlichen Lösung ins Gespräch. Dies fand jedoch nicht das allgemeine Interesse der Anwesenden.

Nachdem dann mit überwältigender Mehrheit die Gründung der „Bürgerinitiative Kolonie Gertrudenau“ beschlossen war, bildete sich sofort aus der Versammlung heraus der Sprecherrat mit folgenden Personen:

Markus Maruhn, Wolfgang Emig, Jogi Lenort, Gerd Naskrent, Irene und Herbert Beste, Kalli Kurte und Stefan Jülicher.

Eines unserer ersten Taten (manche sagen auch bis heute Schandtaten) war die Bitte an den damaligen Bürgermeister Klaus Bechtel, die Vorlage der Viterra von der Tagesordnung des Planungsausschusses (APBU) zu nehmen. Dieser Bitte wurde entsprochen.

Nach dem Ende der Versammlung, wir standen draußen auf der Treppe des Stadtteiltreffs, wurde ich aus einiger Entfernung von einer Hertener Ratsfrau angesprochen. Sie fragte mich ob das denn alles so nötig gewesen wäre? Da wusste ich; Jogi, alles richtig gemacht und rief ihr ein JA herüber. Sie entschwand in Richtung „Oberdisteln“….



Mit der Legitimation der Kolonie-Bewohner konnten wir nun durchstarten.
Die erste Aktion war eine eigene Befragung durch die BI bei den Bewohnern. Sie ergab eine 80-prozentige Ablehnung der Nachverdichtung. Dieser Schritt wurde uns von der Stadtverwaltung und Viterra aufgezwungen, da sie auch jetzt immer noch nicht bereit waren, mit uns zusammen zu arbeiten.

Ihre eigene Befragung deckte sich erwartungsgemäß mit unseren Ergebnissen.

Danach setzte langsam von Seiten des damaligen Bürgermeisters Klaus Bechtel ein Umdenken ein: „Die Interessen der Bürger gehen vor“ titelten am 27. November 2001 die Hertener Zeitungen. Auf Vorschlag des Bürgermeisters beschloss der Rat am 28. November 2001, dass der Antrag der Viterra auf Nachverdichtung abgelehnt wird. Ein großer Erfolg für „die aus der Kolonie“ war errungen.



Verwaltung spielte weiter Schach.
Nachdem die Kolonie-Zerstörung nun abgewendet war, ging unsere Arbeit weiter. Gespräche mit der Verwaltung über die Gestaltungssatzung, Leserbriefe, Infohefte, wie tief ist eine Baulücke?, Hausnummernsalat, Zwischenbebauung in den Baulücken usw. waren an der Tagesordnung. Dann folgte der nächste Schachzug durch die Verwaltung. Bei einer Ausschusssitzung fiel uns auf, dass alles das, was wir mit der Verwaltung verhandelt und besprochen hatten, in keinem Wort in den Verwaltungsvorlagen für die Politiker (unsere gewählten Volksvertreter ) erwähnt wurde.

Also noch mal alles von vorn. Aber diesmal mit den Politikern. Und so langsam nahm die Sache dann Gestalt an.

Es wurde aber auch darüber hinaus gedacht: Was kommt nach der BI? Die Frage war schnell beantwortet: WIR gründen eine Siedlergemeinschaft.




Es war eine gute Entscheidung, diese Siedlergemeinschaft zu gründen.
Wolfgang Emig stellte den Kontakt mit dem Deutschen Siedler Bund (DSB – heute Verband Wohneigentum Nordrhein- Westfalen e.V.) her, und nachdem WIR am 19. Juli 2002 einen Infostand am Scherlebecker Winkel durchgeführt hatten, war klar, das „Ding“ funktioniert.



Nach den Sommerferien luden WIR am 26. September 2002 um 19:00 Uhr zur Gründungsversammlung in die „Gaststätte Neuhaus“ ein. Mit der freundlichen Unterstützung des DSB-Kreisvorsitzenden Siegfried Papenfuß wurden die Wahlen mit dem folgenden Ergebnis durchgeführt:

1.Vorsitzende: Britta Kunkel (oder wie die Jungfrau zum Kind kam)
2.Vorsitzende: Martina Johann (nur mal so aus Freundschaft)
Kassierer: Wolfgang Emig (der Einzige mit einem Taschenrechner, aber ohne Batterien)

Schriftführer: Stefan Jülicher (wer schreiben kann ist klar im Vorteil)

Kassenprüfer wurden Hardy Krüger und Bernd Homann (hatten die passenden Batterien für den Taschenrechner)



Die ersten Beisitzer waren: Claudia Ferdinand, Frank Lasczok, Irene und Herbert Beste, Jogi Lenort, Monika Homann und Markus Maruhn; gleichzeitig Pressesprecher.



Nun arbeiteten WIR, die sich jetzt „Siedler-Gemeinschaft Colonie Gertrudenau“ (SGCG) nannten gemeinsam mit der “Bürger-Initiative Colonie Gertrudenau“ (BICG), zusammen.



Auf diesem Wege möchte ich mich noch einmal für die faire und umfangreiche Berichterstattung bei den (damaligen) Hertener Zeitungen, Hertener Allgemeine und der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, recht herzlich bedanken.



Fortsetzung folgt. Irgendwann.



GLÜCKAUF Jogi Lenort



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