Erbschaftssteuerrecht

RECHTSINFORMATION AKTUELL (Stand: Februar 2012)

Übersicht (Grundzüge)

Mit Wirkung zum 01.01.2009 ist ein neues Erbschaftsteuergesetz in Kraft getreten. Für den Zeitraum zwischen dem 1.1.2007 und 31.12.2008 ist auf Antrag ein Wahlrecht zwischen den alten und neuen Regelungen des Erbschaftsteuer- und des Bewertungsrechts vorgesehen, allerdings nur im Erbfall und nicht im Schenkungsfall. Das Wahlrecht erstreckt sich aber nicht auf die höheren Freibeträge, sondern vorrangig auf die Bewertungsansätze.
Was wurde im Detail beschlossen und welche Konsequenzen haben die Regelungen

1. Persönliche und sachliche Freibeträge

Steuerklasse

Personenkreis

Freibetrag alt

Freibetrag

... I

Ehegatte, Lebenspartner (bei eingetragener Partnerschaft)

307.000

500.000

... I

Kinder und Stiefkinder, Kinder verstorbener Kinder oder Stiefkinder

205.000

400.000

... I

Kinder lebender Kinder und Stiefkinder (Enkel)

51.200

200.000

... I

Weitere Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder, Eltern und Großeltern bei Erbschaften

51.200

100.000

... II

Eltern und Großeltern bei Schenkungen, Geschwister, Neffen und Nichten, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedener Ehegatte, ehemaliger Lebenspartner (bei aufgelöster Partnerschaft)

10.300

20.000

... III

Alle übrigen Beschenkten und Erwerber(z.B. Tanten, Onkel, Verlobte); Zweckzuwendungen

5.200

20.000


In den Steuerklassen II und III müssen unverheiratete Lebenspartner, Eltern, Geschwister, Cousin, Neffen oder Nichten deutlich mehr Abgaben auf unentgeltlich erworbenes Vermögen einplanen. Das gilt sogar für Bankguthaben, das mit der gleichen Bemessungsgrundlage wie bisher angesetzt wird. Der höhere Tarif wirkt sich extrem belastend aus, da nur 20.000 EUR steuerfrei bleiben und sich der höhere Steuersatz ab 2009 auf einen im Schnitt verdoppelten Hauswert auswirkt.

In Regionen mit hohen Grundstückswerten wird nun sogar im Gegensatz zur früheren Gesetzeslage der Übergang des Eigenheims innerhalb der Familie und außerhalb der Steuerklasse I erfasst und damit auch "Oma ihr klein Häuschen".

Hinweis: Die (früheren) Nachteile für eingetragene Lebenspartnerschaften, die wie Ehegatten nach BGB gesetzlich erben, wurden durch das Jahressteuergesetz 2010 beseitigt.. Sie gehören nun auch - ebenso wie Eheleute – der Steuerklasse I mit dem persönlichen Freibetrag von 500.000 EUR und dem Steuertarif nach Klasse I an.


2. Steuersätze in Prozenten

(*Änderungen in Steuerklasse II sind zum 01.01.2010 in Kraft getreten)



Vermögen bis EUR

 

Klasse I

Klasse II

 

Klasse III

 

alt

neu

alt/neu

alt

2010*

alt

neu

52.000

75.000

7

12

15

17

30

256.000

300.000

11

17

20

23

30

512.000

600.000

15

22

25

29

30

5.113.000

6.000.000

19

27

30

35

30

12.783.000

13.000.000

23

32

35

41

50

25.565.000

26.000.000

27

37

40

47

50

darüber hinaus

 

30

40

43

50

50


Durch das mit Wirkung zum 01.01.2010* in Kraft getretene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" sind die Steuersätze (nicht aber die persönlichen Freibeträge!) insbesondere für Geschwister und Geschwisterkinder (Zuwendungen von Bruder, Schwester, Onkel oder Tante) in der Steuerklasse II auf einen neuen Steuertarif zwischen 15 bis 43 Prozent festgelegt worden. In der Steuerklasse III startet der Tarif sofort bei 30 Prozent und endet bei 50 Prozent. Das führt trotz des leicht auf 20.000 EUR erhöhten persönlichen Freibetrags zu einer deutlichen Verschärfung, da die Sätze durch die Annäherung an die Verkehrswerte für alle Vermögensarten auf eine höhere Bemessungsgrundlage zugreifen. In der Steuerklasse I bleiben die Steuersätze weitgehend unverändert; dafür steigen aber die persönlichen Freibeträge.

3. Selbst genutzte Wohnung

Wie nach dem bisherigen Recht bleibt das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Familienwohnheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG unabhängig vom Wert steuerfrei, sofern es zu Lebzeiten an den Ehepartner geht. Im Todesfall fällt das Eigenheim unter den steuerpflichtigen Nachlass. Als begünstigtes Familienwohnheim gelten dabei inländische Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen, die den Mittelpunkt des familiären Lebens darstellen. Dies wird ab 2009 bei Zuwendungen unter Lebenden um den eingetragenen Lebenspartner sowie um Grundvermögen im EU- und EWR-Raum erweitert. Haltefristen (= Frist für die Selbstnutzung) an den neuen Besitzer sind bei lebzeitigen Zuwendungen von selbstgenutztem Immobilienvermögen nicht vorgegeben.

- Ehe- und eingetragene Lebenspartner

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG kommt es nun zu einer Steuerfreistellung im Erbfall . Nun kann Ehegatten sowie dem eingetragenen Lebenspartner das selbst genutzte Wohneigentum steuerfrei von Todes wegen zugewendet werden. Allerdings muss der Erblasser darin bis zum Tod gewohnt haben. Auf den Wert und die Größe der Immobilie kommt es dabei nicht an, sodass das Finanzamt selbst Villen in Top-Lagen unangetastet lässt.

Die Regelung zur Steuerfreistellung von Wohneigentum entspricht der für die lebzeitige Zuwendung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Allerdings muss der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner das Familienheim auch tatsächlich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Gibt er diese Nutzung innerhalb von zehn Jahren auf (Verkauf, Vermietung, Verwendung als Zweitwohnsitz oder Leerstand), entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. Dies tritt jedoch dann nicht ein, wenn zwingende Gründe für die Aufgabe der Selbstnutzung vorliegen. Falls Witwe oder Witwer in der Zehnjahresfrist versterben (die Erben müssen die Steuer also nicht nachzahlen) oder wegen Pflegebedürftigkeit in ein Pflegeheim wechseln, gilt dies als unschädlich.

Hinweis: Bei der Testamentsgestaltung ist daher darauf zu achten, dass der überlebende Ehegatte die Immobilie allein und nicht in Erbengemeinschaft mit den Kindern erhält, sofern die nicht im Haus wohnen.

- Kinder

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kommt es nun zu einer Steuerfreistellung im Erbfall für Kinder und Enkel, wenn deren Eltern bereits verstorben sind. Diesen kann ebenfalls unter den gleichen Voraussetzungen (10-jährige Selbstnutzung) wie bei Ehegatten das selbst genutzte Wohneigentum steuerfrei zuwendet werden. Allerdings ist die Wohnfläche auf maximal 200 qm begrenzt. Darüber liegende Flächen müssen versteuert werden (z.B. bei 230 qm wären das dann 30 qm).

Sofern weitere Kinder statt des Eigenheims Kapitalvermögen erben oder nicht selbst im erhaltenen Haus wohnen, müssen sie ihren Erwerb oberhalb ihres persönlichen Freibetrags (also bei mehr als 400.000 EUR je Kind je Elternteil in einem Zeitraum von 10 Jahren) versteuern. Diese Differenzierung könnte Anlass für neue Verfassungsbeschwerden sein. Denn das BVerfG hatte dem Gesetzgeber auferlegt, Grund- und Kapitalvermögen gleich zu behandeln. Allerdings bezog sich diese Vorgabe darauf, alle Vermögensarten auf Marktniveau zu bewerten und erst in einem zweiten Schritt gezielt Privilegien zu gewähren. Insoweit könnte die Vergünstigung für selbst genutzte Immobilien gerechtfertigt sein.

Hinweis: Bei der Testamentsgestaltung ist darauf zu achten, dass bei mehreren Kindern die Steuerbefreiung nur dem Kind zugute kommt, welches das Haus zukünftig auch selbst nutzt.

- Weiterleitung

Muss ein Erbe begünstigtes Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses oder einer Auflage des Erblassers auf einen Dritten übertragen, erwirbt der Dritte von Anfang an begünstigtes Vermögen, auch sofern er für den Erwerb anderes aus demselben Nachlass stammendes Vermögen hingibt.

4. Billigkeitsmaßnahmen bei Immobilien

Aufgrund der am gemeinen Wert orientierten Wertansätze für Grundstücke soll eine zwangs-weise Veräußerung allein zum Zwecke der Begleichung der darauf entfallenden Erbschaftsteuer vermieden werden. Aus diesen Gründen gewährt § 28 Abs. 3 ErbStG einen gesetzlichen Anspruch auf eine zinslose Stundung der auf begünstigte Erwerbe entfallenden Erbschaftsteuer.

Der Stundungsanspruch besteht auch, wenn Eltern oder Verwandte der Steuerklassen II oder III wie z.B. Geschwister bereits im erworbenen Ein-, Zweifamilienhaus oder Wohneigentum wohnen oder ein entsprechendes Grundstück nach dem Erwerb selbst nutzen. Bei Aufgabe der Selbstnutzung wegen Veräußerung entfällt die Stundung. Bei Vermietung nach Beendigung der Selbstnutzung kann durch die weitere Stundung erreicht werden, dass die gestundete Erbschaft-steuer aus den Erträgen entrichtet werden kann.
Der Rechtsanspruch auf Stundung besteht nicht, wenn

  • der Erwerber die auf das begünstigte Vermögen entfallende Erbschaftsteuer aus weiterem

erworbenem Vermögen aufbringen kann.

  • der Erwerber die Steuer aus seinem vorhandenen eigenen Vermögen zahlen kann.

  • der Schenker zur Zahlung der Schenkungsteuer herangezogen werden kann.


5. Bewertung von Grundvermögen

Die Einzelheiten zur Feststellung von Grundbesitzwerten sind in den §§ 183 bis 198 des Bewertungsgesetzes (BewG) nebst Anlagen hierzu geregelt. Im Privatvermögen gehaltener Grundbesitz soll grundsätzlich mit dem Verkehrswert bemessen werden. Die Auswirkungen fallen je nach Grundstücksart unterschiedlich aus und müssen nicht zwingend zu einer höheren steuerlichen Belastung führen.

Hierbei sind drei verschiedene Verfahren vorgesehen:

Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen wird der Preis vorrangig aus Verkäufen vergleichbarer Immobilien herangezogen (§ 183 BewG), sofern diese in genügender Anzahl vorliegen. Das wird vorrangig beim Wohneigentum möglich sein. Anstelle von Verkaufspreisen können auch von den Gutachterausschüssen ermittelte Vergleichsfaktoren für geeignete Bezugseinheiten herangezogen werden. Besonderheiten, insbesondere Wert beeinflussende Belastungen, werden nicht berücksichtigt.

Ansonsten kommen Ertragswerte (§ 184 BewG) zum Ansatz, die wie bisher die erzielbaren Mieten berücksichtigen. Dabei kommt es durch Vervielfältiger über den derzeitigen Faktor 12,5 und der Hinzurechnung für den Grund und Boden zu einer höheren Bemessungsgrundlage.
Sofern auch diese Methode nicht anwendbar ist, greift ein Sachwertverfahren (§ 189 BewG) mit der Summe aus den Herstellungskosten aller auf dem Grundstück vorhandenen Anlagen sowie der Bodenwert.
Bei Mietobjekten greift das Ertragswertverfahren, wonach der Wert auf der Grundlage des nachhaltig erzielbaren Ertrags ermittelt wird. Davon gibt es einen pauschalen Abschlag von 10 Prozent für zu Wohnzwecken vermietete Gebäude, selbst wenn diese Nutzung unmittelbar nach dem Übergang aufgegeben wird. Das gilt für im EU- oder EWR-Raum liegende Immobilien, die nicht zum Betriebsvermögen gehören.


6. Betriebsvermögen

Die Einzelheiten zur Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen werden in den §§ 199 bis 203 BewG nebst Anlagen geregelt. Die bisherige Regelung zur Steuerbefreiung wurde zugunsten von zwei Optionsmöglichkeiten aufgegeben. Die Wahl ist für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften bindend und kann nicht nachträglich revidiert werden.

Auf eine nähere Darstellung des ErbSt-Rechts für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliche Betriebe und Anteile an Kapitalgesellschaften soll an dieser Stelle verzichtet werden.

7. Einige weitere Änderungen im Überblick

  • Verbesserte steuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen , die gegenüber dem Erblasser unentgeltlich oder gegen zu geringes Entgelt erbracht wurden. Dazu ist der Freibetrag in § 4 Nr. 9 ErbStG für eine Zuwendung, die als angemessenes Entgelt für eine Pflege- oder Unterhaltsgewährung an den Erblasser oder Schenker anzusehen ist, auf 20.000 EUR (bisher 5.200 EUR) erhöht worden.

  • Bodenrichtwerte werden jeweils zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres ermittelt. Den Ländern wird die Befugnis eingeräumt, die Bodenrichtwerte häufiger (z.B. jährlich) zu ermitteln.

(Quelle: Haufe-Verlag/Haufe Online Redaktion)


Hans-Michael Schiller
Rechtsanwalt und Notar, Dortmund

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