Chronik der Siedlergemeinschaft "Neue-Heimat" Marktredwitz e.V.


Man schrieb das Jahr 1948. Nur wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg mit seinen europaweiten Zerstörungen, nach Flucht und Vertreibung und der Gewissheit, auch wenn die Hoffnung nicht aufgegeben wurde, nicht zurückkehren zu können. In den Städten Barackenlager, um denen, die ihre Heimat verloren hatten, ein Dach über dem Kopf zu geben. So auch in Marktredwitz.

Damit wollten sich aber einige nicht zufrieden geben. Im Herbst 1948 lud der Privatschuldirektor Hertwig, der aus Oppeln in Oberschlesien stammte, Flüchtlinge in das Lokal "Frischer Keller" ein, um zu beraten, wie man sich eine neue Heimat schaffen könnte. Woher aber das Geld nehmen, haben sich sicher viele gefragt, aber den Gedanken fanden sie gut, hatte man doch seine Hände, um anzupacken.

30 Flüchtlinge zeigten Interesse und gründeten den Verein "Siedlergemeinschaft der Ausgewiesenen", der später in "Siedlergemeinschaft der Heimatvertriebenen Marktredwitz" und noch später dann in "Siedlergemeinschaft Neue Heimat Marktredwitz" umbenannt wurde. 26 von ihnen entschlossen sich, das fast unmögliche in Angriff zu nehmen. Der damalige Oberbürgermeister Dr. Otto Hirschmann stand der Idee einer Siedlung der Heimatvertriebenen wohlwollend gegenüber und unterstützte sie tatkräftig.


Die Stadt Marktredwitz stellte Gelände in Erbpacht zur Verfügung. Es lag im sogenannten Frauenholz, einem bewaldeten Nordhang im Osten der Stadt, heute die rechte Seite der Straße am Frauenholz und der Stilzelweg östlich vom Märchenweg, damals war das die Obere Angerstraße.
Aber damit nicht genug. Die Stadträte Baeslack, Dr. Budde, Ruhnau und berger, der lange Jahre Vorsitzender des Vereins war, bemühten sich, die finanziellen Grundlagen zu schaffen. Sie verhandelten mit örtlichen Behörden, verhandelten mit Mitgliedern der Regierung und einflußreichen Persönlichkeiten.

Was schier unmöglich schien, brachten sie zuwege. Sie fanden in München eine Stelle, die Geld für soziale Bauvorhaben zur Verfügung stellte. Es waren für das Projekt DM 248 000,--. Der Rest des benötigten Kredites kam vom Landesarbeitsamt in Nürnberg und der Städtischen Sparkasse Marktredwitz.


Nun konnte begonnen werden. Im Herbst 1948 wurden die Bäume für den ersten Bauabschnitt mit Säge und Beil gerodet. Damit war für die damalige Zeit etwas sehr wichtiges verbunden: Die Bewachung des geschlagenen Holzes. Nacht für Nacht von abends 18:00 bis morgens 6:00 Uhr wurde Wache geschoben, ohne Ansehen der Person. Ob Arbeiter, Angestellter, Beamter oder Schulrat - alle bewachten das Holz. Erst einige Tage vor Weihnachten, als das Holz zugeschneit war, wurde die Bewachung eingestellt. Im Frühjahr 1949 wurde das Holz verteilt und die Parzellen verlost.


Nun mußten die Wurzelstöcke ausgegraben und die schmale Schicht Mutterboden abgetragen werden. Dann ging man daran mit Pickel, Stemmeisen, Vorschlaghammer und Schaufel in gemeinschaftlicher Arbeit die Baugruben auszuheben. Bagger und Raupen gab es nicht, mit Schubkarren wurde der Aushub aus der Grube gebracht. Dort, wo man auf Fels stieß mußte gezielt gesprengt werden. Die Grundplatte wurde gegossen, der Keller gemauert, die Wände wuchsen in die Höhe und der Dachstuhl konnte aufgebracht werden.

Bereits am 27. August 1949 wurde Richtfest gefeiert. Geschmückt mit bunten Bändern und Wappen und Fahne der Stadt. Der inzwischen verstorbene 2. Vorsitzende der Siedlergemeinschaft und Ehrenbürger der Stadt Dr. Hermann Braun hielt die Festrede.


Das was einmal Wunschtraum und Hoffnung war, wurde Wirklichkeit. Die Stadt Marktredwitz bestätigte den Siedlervertrag und am 10. Dezember 1949 bezogen die ersten Siedler ihr neues Heim - ihrer "Neue Heimat".

Vorbild ist Beispiel. Weitere Heimatvertriebene äußerten ihren Wunsch ein eigenes Haus haben zu wollen, und so wurde ein zweiter und dritter Bauabschnitt geplant, der auch im folgenden Jahr umgesetzt wurde. Dabei entstanden 9 weitere Häuser, darunter die ersten drei am Rübezahlweg. Diesmal war die "Landesfürsorge Bayern GmbH" Treuhänder und Bauherr.


Der Hang war teilweise steiler, aber wieder kreischten die Sägen, Bäume wurden gefällt und Wurzelstöcke entfernt. Wieder wurde per Hand ausgeschachtet und Ziegel für Ziegel gesetzt, der Dachstuhl aufgesetzt, Richtfest gefeiert und eingezogen. Gemeinsam wurde auch der Treppenaufgang zum Haus geschaffen.

Aber man brauchte noch einen Garten. in mühevoller Arbeit wurde der Berghang "kultiviert", Terrassen wurden angelegt, Bäume und Beerensträucher gepflanzt, Beete angelegt, denn das wichtigste war, sich soweit wie möglich aus dem eigenen Garten zu verpflegen. Der Schuppen für Kleingetier war Vorschrift. Schweine, Gänse, Enten, Hühner und Stallhasen wurden gehalten.


Aber der Garten gab auch Ruhe und Frieden. Erholung nach dem Geschaffenen. Harte Arbeit - aber Kameradschaft und Gemeinsinn waren damals keine leeren Worte.

Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Marktredwitz Dr. Leonhard Holzberger, sagte zum 10-jährigen Jubiläum, das am 10. Oktober 1959 begangen wurde:
"Die Siedlergemeinschaft der Frauenholzsiedlung ist ein Zeichen eines ungebrochenen Aufbauwillens, daß sich in schwerster Zeit der größten Wohnungsnot, die noch von Nachkriegswirren geprägt war, in unserer Stadt tatkräftige Männer gefunden haben, die unter schwierigsten Verhältnisen die Frauenholzsiedlung geplant und ausgeführt haben und so dank der aufgeschlossenen Haltung des Stadtrates einen wesentlichen Beitrag zur Befriedung und zur Linderung der Not der Heimatvertriebenen geleistet haben. Möge der Tag dazu beitragen, das gute Verhältnis zwischen Alt- und Neubürgern unserer Stadt weiter zu vertiefen und damit gleichzeitig aber auch dem Gedanken sichtbar Ausdruck zu geben, daß die Stadt Marktredwitz in Vergangenheit und Gegenwart alles getan hat und auch heute noch tut, um die letzten Auswirkungen der unseligen Kriegs- und Nachkriegszeit zum Wohle ihrer Gesamtbürgerschaft zu beheben."

Was man nicht selbst erzeugen konnte, mußte eingekauft werden. Aber es war nicht weit zu gehe. Neusiedler errichteten Geschäfte für Milch und Molkereiprodukte oder für Lebensmittel, Waschmittel, und alle was sonst noch gebraucht wurde. Aus Bretterbuden wurden Geschäfte, in denen man alles bekam, was zum Leben benötigt wurde. Sie wurden später von den Großmärkten verdränkt.

Aber so wie sich das Geschäft veränderte, veränderte sich das Gesicht der Siedlung. Es wurde umgebaut und angebaut, aus den Gemüsegärten wurden zum Großteil Anlagen mit Blumen, Sträuchern und Steingärten, ein Platz zum Erholen. Die Kredite sind abbezahlt, das Heim das Eigene.


Inzwischen hat die nächste Generation das Erbe angetreten und neue Hausbesitzer haben in der Siedlung eine neue Heimat gefunden. Auch sie bauen fleißig weiter an und um. Häuser wurden verlängert oder das Dach ausgebaut, um mehr Wohnraum zu schaffen. Terassen und Wintergärten entstanden. Das ehemalige Siedlerhaus ist oft nicht mehr zu erkennen.


Für die Gemeinschaftsgeräte wurde eine Garage aufgestellt. Endlich waren alle Geräte unter einem Dach. Ermöglicht hat das die Stadt Marktredwitz und Sfr. Gerhard Schwarz, die je zur Hälfte erleubten, daß sie auf ihrem Grund errichtet werden konnte.


Mit den Veränderungen hat auch die Siedlergemeinschaft neue Aufgaben bekommen, Versicherungsschutz für Haus und Garten, Vorträge und Veranstaltungen, ein- und mehrtägige Reisen. Mit vom Dachverband geschlossenen Verträgen werden weitere günstige Versicherungen angeboten.


Die Mitglieder sind nicht nur in der Frauenholzsiedlung, Mitglieder findet man im ganzen Stadtgebiet. Auch sie haben wieder gebaut oder alte Gebäude saniert.


Der Gemeinschaft sind keine Grenzen gesetzt. Sie ist für alle da. Der Vorstand bemühte und bemüht sich immer, zeitnah, aber auch zukunftsorientiert zu handeln. Treffend sagte der 1. Vorsitzende Erich Bauer im Jahre 1999 beim 50. Jubiläum:
"Die Frauenholzsiedlung war, ist und wird immer ein Werk von Menschen bleiben, die sich in größter Not nach dem Kriege mit ihrer eigenen Kraft und ohne einen dicken Geldbeutel - wer hatte diesen schon - eine neue Heimat geschaffen haben und auf die wir stolz sein können. Die Frauenholzsiedlung ist heute Quelle und Kraft für viele Familien, die jetzt, aber auch in Zukunft hier leben.
Mit der Frauenholzsiedlung und der Siedlergemeinschaft 'Neue Heimat' in Marktredwitz in überzeugender Weise dargestellt, zu was Menschen fähig sind, wenn sie in einer Gemeinschaft Freude und Geborgenheit, aber vor allem Frieden suchen."

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