Geschichte
1937 bis 1939
Viel Grün, große Grundstücke und vor allen Dingen Ruhe:
Die "Industriesiedlung" am südlichen Zipfel Bremerhavens ist eine beliebte Wohngegend. Und das seit 88 Jahren.
Die Siedlung ist ein Beispiel für die nationalsozialistische Bau- und Siedlungspolitik nach der Machtergreifung 1933.
Damals wurde die Kleinsiedlung als ideale Wohnform propagiert und gefördert. Dabei stand die Selbstversorgung der Siedler mit im Vordergrund.
Rund 210 Häuser entstanden zwischen 1937 und 1939 in mehreren Bauabschnitten. Damals kostete ein Haus mit Grundstück rund 7.000 Reichsmark.
Bauträger war die Niedersächsische Heimstätte. Finanziert wurden die Häuser über ein zinsgünstiges Arbeitgeberdarlehen sowie zwei Hypotheken.
Wer ein Baugrundstück ergattern wollte, der musste sich nicht nur bewerben und seine arische Abstammung belegen, sondern die Ehepaare mussten - wenn sie noch keine Kinder hatten - auch zum Arzt, um die Frage klären zu lassen, ob sie zeugungsfähig sind.
Unter den am Ende auserwählten Bewerbern wurden die Grundstücke schließlich ausgelost.
Anfang 1937 begannen die Arbeiten im ersten Bauabschnitt. Ein Haus nach dem anderen wurden die baugleichen Gebäude aus dem Boden gestampft.
"Gemauert wurde mit Wulsdorfer Zement - mehr Sand als Kalk", heißt es in der Festschrift zum 50.
"Der war so weich, dass man ihn mit dem Fingernagel aus den Fugen kratzen konnte."
Übergeben wurden die Häuser damals allerdings nicht schlüsselfertig. Die Siedler mussten kräftig mit anpacken. Sie halfen sich gegenseitig.
Nach und nach wuchs so die Siedlung und auch der Gemeinschaftsgeist.
Bereits 1938 wurde die Siedlung an das Stromnetz angeschlossen, ein Schmutzwasserkanal wurde aber erst 1955 gelegt.
Bis dahin mussten die Siedler ihr Abwasser in eine Sickerkuhle auf dem Grundstück leiten. Wer seine sogenannte "Goldgrube" nicht leeren ließ, der musste zum Schöpfeimer greifen und sie als Naturdünger im Frühjahr auf dem Acker aufbringen und untergraben.
Insbesondere während der Kriegs- und Nachkriegsjahre beackerten die Siedler ihr komplettes Grundstück.
Neben Gemüse und Obst wurden auch Kaninchen und Hühner gehalten. Ackerbau und Kleinviehzucht betreiben die heutigen Siedler in der "Industriesiedlung" kaum noch.
Rasen, Blumen und Sträucher bestimmen das Bild auf den Grundstücken. Im Ur-Zustand ist kaum noch eines der Häuser.
Obgleich um- und angebaut wurde, hat sich der Charakter der Siedlung bis heute weitgehend erhalten.
Eine Frau und ein Mann transportieren Baumaterieal mit eines Schubkarre.
Beim Bau der Siedlungshäuser in der Stoteler Straße mussten die Siedler selbst mit anpacken.
Gruppe von Kindern auf dem Weg zum Festplatz.
Bis Ende der 1960er Jahre feierten die Siedler in jedem Jahr ein Zeltfest auf dem Spielplatz an der Tränkestraße. Ein Umzug durch die Siedlung gehörte immer dazu.
Kapelle auf dem Weg zum Festplatz.
Auf dem Weg zum Festplatz (Spielplatz an der Tränkestraße) marschierte der Umzug über die Straße auf den Appels.
Mehrere Häuse in unterschiedlichem Bauphasen..
Die Siedlungshäuser wurden innerhalb kürzester Zeit hochgezogen. Sie unterschieden sich nur in kleinen Details und wurden mit ihrer Fassade parallel zur Straße gebaut. Während die Häuser auf der rechten Straßenseite ihre Eingangstür auf der rechten Seite hatten, erhielten die Häuser auf der anderen Straßenseite ihre auf der linken Seite. Auch die Anordnung der Zimmer war spiegelverkehrt. Satteldach- und Walmdachhäuser unterschieden sich nicht nur optisch, sondern auch in der Raumaufteilung. Außerdem hatten die Häuser unterschiedlich viele Kellerräume.
Gruppe von Personen beim decken eines Daches.
Dach decken, verputzen, streichen und einziehen. Der Bau der Siedlungshäuser erfolgte in mehreren Abschnitten. Allerdings machte sich insbesondere im Jahr 1939 Materialmangel bemerkbar.
Menschengruppe beim Festakt.
Mit einem Festakt wurde im Mai 1938 der Bauabschnitt Farger Straße eingeweiht. Die Straße wurde allerdings erst später fertiggestellt. Die Siedlung wurde in dem Jahr bereits ans Stromnetz angeschlossen. Einen Kanal gab es allerdings nicht.
Quelle: Texte von Jürgen Rabbel
Bilder: Wenn nicht anders angegeben Sammlung-Rabbel.
07.07.1978
Die Industriesiedlung in Wulsdorf besteht 40 Jahre. Im Festzelt wird 74 Mitgliedern die Goldene Ehrennadel des Deutschen Siedlerbundes verliehen.
Siehe in der PDF Seite 25 unter "7. Juli"
Quelle: https://www.bremerhaven.de/sixcms/media.php/94/Stadtchronik+Bremerhaven+1978.pdf
Bilder der 50-Jahrfeier 1987
Titel der Festschrift zur 50-Jahr-Feier im Jahr 1987. Abgebildet sind die drei unterschiedlichen Häusertypen der Siedlung.
Abrechnung für ein Eigenheim.
Bericht aus der Nordwestdeutschen Zeitung (Vorläufer NZ) von 1936.
Umzug durch die Siedlung und Bilder vom Festplatz während des dreitägigen Siedlerfestes zum 50-jährigen Bestehen der "Industriesiedlung"
Quelle: Texte und Bilder von Jürgen Rabbel
01.03.2017
Der Magistrat der Stadt Bremerhaven, definiert das Gebiet der "Industriesiedlung" in einem Bebauungsplan.
07.08.2017
Bericht über die Feier zum 80. Geburtstag der Industriesiedlung auf nord24.