Geschichte
Helmut Becker, Ehrenvorsitzender der Siedlergemeinschaft Im Lag, Lahnstein.
Auf vielfachen Wunsch unserer Mitglieder und anderer Interessenten besteht großes Interesse an der Druckschrift meines Vortrages, anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Siedlergemeinschaft über:
Die Geschichte des Stadtteiles „Im Lag“

Diesem Wunsch komme ich gerne nach.
Festrede zum 50 jährigen Bestehen der Siedlergemeinschaft Im Lag, am 16.08.2008.
S. g. Herr OB Peter Labonte, s. g. Herr Landtagsabgeordneter David Langner, s. g. Herr Landesvorsitzender des Verbandes für Wohneigentum e.V., Roland Walther, sehr geehrte Gäste, liebe Siedlerfreunde!
Es ist mir ein Bedürfnis, als einer der ersten Siedler die Geschichte Im Lag vorzutragen.
Als im Jahr 1788 der Revierjäger und Geometer Franz Pasbach mit der Vermessung des Niederlahnsteiner Vorderwaldes beschäftigt war, bezeichnete er einen 178 Morgen umfassenden Distrikt mit dem Namen „Das Laach“. Sicherlich berief er sich auf alte Über-lieferungen oder auf den Volksmund und auf die meist mündlich überlieferten Flurbezeichnungen. Somit wurde das erstemal der Begriff „Das Laach“ erwähnt.
Zwischen den beiden Weltkriegen stiegen infolge Arbeitslosigkeit die Fürsorgekosten der Stadt enorm an. Durch öffentliche Arbeiten versuchte man diese Arbeitslosigkeit zu steuern und ließ 100 Hektar wenig ertragreichen Niederwaldes im Distrikt Lag roden. Unser Siedlerfreund Wilhelm Geis war damals dabei und erzählte uns von den schweren Zeiten aus eigenem Miterleben. Diese Arbeiten wurden in den Jahren 1933 - 35 ausgeführt. Die Kosten trug die Stadt Niederlahnstein, der Zuschüsse aus der Erwerbslosenfürsorge und vom Staat zuflossen. Nach Abschluss der Rodungsarbeiten wurden 1000 Obstbäume angepflanzt und die einzelnen Parzellen an Niederlahnsteiner Bürger langfristig verpachtet, die dadurch einem lukrativen Nebenerwerb nachgehen konnten. Durch die Hanglage bei vielen Grundstücken, eignete sich das Gelände sehr gut für den Erdbeeranbau. Diese Kulturen wurden noch bis zum Baubeginn der Siedlung Im Lag bestellt.
Unsere Siedlung mit 10 Doppelhäusern wurde vom Verband der Heimkehrer in die Wege geleitet. Im Verband der Heimkehrer waren die aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Soldaten aus Nieder- und Oberlahnstein vereinigt und auch die Heimkehrer, die aus der sowjetrussischen Besatzungszone eine neue Heimat im Westen gesucht haben.
Die erste protokollierte Versammlung zum Thema Bauen fand schon am 26. Mai 1953 im Gasthaus zur Lahnbrücke statt. Jeder Siedlungswillige hatte einmalig 50,00 DM und später 6,00 DM als Monatsbeitrag in die Kasse zu zahlen, damit die Kosten für das Einleiten der Baumaßnahme bestritten werden konnten. Die Siedlungswilligen waren sich einig, dass das Bauen nur in Eigenleistung ermöglicht werden konnte. Die Löhne und die Nebeneinkünfte waren zu dieser Zeit noch sehr gering. Viele der Siedler konnten sich zu Baubeginn glücklich schätzen, ein Moped zu haben, um den Weg von der Arbeitsstelle zur Baustelle auf der Höhe und zurück nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen.
Zunächst war die Rede von einer Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden. Dabei war die Arbeitszeit in der Wirtschaft und bei den Behörden ebenfalls 48 Stunden und mehr. Diese Tortur hätte kein Siedler lange durchgestanden. Später wurde die wöchentliche Stundenleistung auf 30 Stunden festgesetzt, die auch beibehalten wurde. Auch das war für die lange Bauzeit eine enorme Leistung, die nicht zu unterschätzen war. Dennoch haben sich zu diesem Zeitpunkt 45 Siedler zum Bauen in Eigenleistung angemeldet.
Am 25. Mai 1954 hat der Stadtrat beschlossen, dass es bei dem früheren Beschluss bleibt und als Baugelände der Distrikt Im Lag zur Verfügung steht. Dieses Gelände war ausschließlich Eigentum der Stadt Niederlahnstein.
In einer späteren Besprechung, am 13. Juli 1954, im Rathaus nahmen teil: Vertreter der Bezirksregierung Montabaur, der Landrat des Loreleikreises, der Stellvertreter des Bürgermeisters und der Siedlerausschuss. In dieser Besprechung wurde seitens der Bezirksregierung Bedenken wegen der weiten Entfernung zur Stadt geäußert. Von der Siedlergemeinschaft wurde allerdings an dem Baugelände Im Lag festgehalten. Ebenso sprachen sich die anwesenden Stadträte für diese Lösung aus, weil kein anderes Gelände zur Verfügung stünde.
Über zwei Jahre war kein Fortschritt zu erkennen, bis zum 13.Oktober 1956 in einer Versammlung bekanntgegeben wurde, dass das Bauvorhaben genehmigt und ein Bebauungsplan für das Lag erstellt worden sei. Ein für unser Bauvorhaben erfreulicher Zufall hat die Bebauung noch beschleunigt. Die Bundeswehr zog in die Deines-Bruchmüller-Kaserne ein, und es wurden dringend Wohnungen für Soldaten und Zivilpersonal erforderlich. Und plötzlich hatten die Bauvorhaben Im Lag höchste Priorität.
Allerdings war die Angelegenheit noch nicht ganz ausgestanden, denn in einer Besprechung am 20. November 1956 kam noch ein hochkarätisches Gremium von Vertretern der Landesregierung über die Bezirksregierung, Landrat und bis hinab zum Bürgermeister zusammen. Auf der Tagesordnung standen die Themen des „Landschaftsschutzes“ und der „Rheinlandschutzverordnung“. Es wurde eingehend geprüft und debattiert, ob die Bauvorhaben auch mit diesen Bestimmungen in Einklang zu bringen sind. Sogar aus der Perspektive der Königsbach und des Rittersturzes wurde geprüft und beurteilt, ob der Bebauungsplan so durchgeführt werden könne. Alle Bedenken konnten jedoch ausgeräumt werden. Dem Baubeginn stand nun nichts mehr im Wege.
Von den ursprünglich 45 Siedlern sind nur noch 20 übriggeblieben, die auch ihr Eigenheim fertiggestellt haben.

So konnten wir am 25. Februar 1957 endlich mit dem Bauen beginnen. Die Siedler der Siedlergemeinschaft Im Lag haben damit den ersten Spatenstisch zum Bauen Im Lag vollzogen. Der Boden war gerade mal aufgetaut, und hin und wieder gab es auch noch Nachtfröste, die die Erdarbeiten erschwerten. Die technische Betreuung wurde von dem Träger der Baumaßnahme „Glaube und Tat“ in Würzburg übernommen. Die finanzielle Betreuung und die Rechnungslegung durch die Heimstätte Rheinland – Pfalz. Die Materialkosten für eine Doppelhaushälfte beliefen sich auf rund 20.000 DM. Die Kosten bei einer Vergabe an einen Unternehmer waren mit 42.000 DM pro Doppelhaushälfte veranschlagt. So schlug die „Muskelhypothek“, wie wir sie scherzhaft nannten, mit 22.000 DM zu Buche. Eine doch beachtliche Leistung. Die monatliche Belastung, Abtragung des Darlehens und die Zinslast, betrug für die Siedler ca. 65 DM. Damals hatte, bedingt durch die Wohnungsnot, die öffentliche Hand Bauplätze zu annehmbaren Konditionen zur Verfügung zu stellen. Weil die Stadt Niederlahnstein Eigentümerin dieser Baugrundstücke war, wurde der Quadratmeter für 1,-- DM + 0,50 DM für den Aufwuchs, (das heißt, für den reichlichen Baumbestand) angesetzt. Natürlich konnten die Siedler das Grundstück von ca. 800 Qm. und die Anliegerkosten nicht sofort bezahlen. Die Stadt hatte deshalb den Siedlern ein zinsgünstiges Darlehen von 3.000 DM zur Verfügung gestellt und ein eventuell 3.000 DM übersteigender Betrag wurde gestundet.

Zum Bauen selbst kann ich sagen, dass dies eine sehr harte Zeit für die Siedler und auch für die Familien war. Bei einigen waren Phasen bis zur körperlichen Erschöpfung erkennbar. Dennoch wurde durchgehalten. Die Betreuungsfirma Glaube und Tat stellte über die Bauzeit hinweg einen Lehrbauführer -einen gelernten Zimmermann-. Somit hatten wir mit ihm eine gute technische Betreuung. Unser Siedlerfreund, Valentin Petricig, hatte einen Fuhr- und Baggerbetrieb und hat die 10 Baugruben, sehr zur Erleichterung der Siedler, ausgebaggert. Danach begann die Knochenarbeit.

Zur Erleichterung der Arbeit hatten wir nur eine Betonmischmaschine mit Benzinmotor und Seilzug; alles andere war pure Handarbeit, die im Hang besondere Anstrengungen abverlangte. Ich erinnere mich daran, dass beim 40-jährigen Bestehen der Allerheiligenbergsiedlung der Herr OB in seiner Laudatio erwähnte, dass im Hause des Herrn Rau die Sicherungen überlastet waren und die Elektrogeräte nicht immer voll eingesetzt werden konnten. Diese Nachteile hatten wir nicht. Ganz einfach, weil wir keinen Strom auf der Baustelle hatten.

Die meisten Siedler hatten noch nicht einmal ein Handwerk gelernt, dennoch haben sie die Theorie und Praxis des Bauens schnell begriffen und konnten fast überall voll eingesetzt werden. So wuchs im heißen Hochsommer Haus um Haus in die Höhe, bis wir endlich am 25. Oktober 1957 Richtfest für 10 Doppelhäuser feiern konnten. Eigentlich sollten die Häuser einzugsbereit sein. Aber das Bauen im Hang forderte seinen physischen und auch zeitlichen Tribut, so dass wir erst im Winter mit dem Innenausbau beginnen konnten. Der Innenausbau der Häuser forderte neue handwerkliche Fähigkeiten und war eine Herausforderung, die zum Teil durch Helfer der Siedler, aus der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis, bewältigt werden konnte.

Die offizielle Bauzeit lief vertraglich am 25.Februar 1958 ab. Damit war auch die Betreuung durch Glaube und Tat beendet, und der Lehrbauführer wurde abgezogen. Durch Verhandlungen ist es dennoch gelungen, über den Sommer hinaus, einen neuen Lehrbauführer zu engagieren.
Die ersten Siedler zogen bereits Anfang Oktober 1958 in ihr Eigenheim ein, obwohl die Außenanlagen noch nicht ganz fertiggestellt waren. Dies hatte den Vorteil, dass der Weg zur und von der Baustelle eingespart wurde. Von der Arbeit fuhr man einfach nach Hause und konnte die Restarbeiten nach und nach fertigstellen.
Die Pioniere vom Pionier-Bataillon 5 aus der Deines-Bruchmüller-Kaserne haben uns dankenswerterweise mit einer Planierraupe das Gelände um die Häuser eingeebnet. Das war für die erschöpften Bauherren eine sehr willkommene Hilfe.
Der älteste Siedler, Herr Josef Jöntgen, war bei Baubeginn 65 Jahre alt, und der jüngste, Herr Günter Höhr, war 29 Jahre alt. Heute lebt von den 20 Siedlern noch ein Ehepaar, ein Siedler ist verwitwet und eine Siedlerfrau lebt in Oberlahnstein und ist ebenfalls verwitwet. In zwei Häusern wohnen noch die ursprünglichen Siedler. In sechs Häusern ist die zweite Generation Eigentümer geworden. Die restlichen zwölf Häuser wurden verkauft.
Nun kommt noch ein Kapitel, das den gesamten Stadtteil Im Lag betrifft und durchaus zur Geschichte des Stadtteiles Im Lag gehört: Die Mobilität als Fürsorge und Sicherung der Daseinsvorsorge für die Einwohner. Im Jahre 1960 hat der Busunternehmer Schlösser aus eigener Initiative mit einem Kleinbus das Lag regelmäßig mit Fahrten von und zur Stadt bedient. Die Einzelfahrt von oder zum Kirchplatz in Niederlahnstein kostete 50 oder 60 Pfennige. Dieser moderate Fahrpreis konnte unter kaufmännischen Gesichtspunkten nicht weiter aufrecht erhalten bleiben. Die Stadt Niederlahnstein hatte einen Zuschuss für diesen Linienverkehr abgelehnt und der Betrieb wurde eingestellt. So blieb bis heute für die nicht mobilen Einwohner zum Einkaufen oder anderen Verrichtungen in den Kerngebieten der Stadt nur der Fußweg. Leider sind das in 2 Jahren auch schon 50 Jahre, ein Jubiläum das wir nicht feiern werden. Auf Initiative unserer Siedlergemeinschaft sind zwischen dem Vorstand und den Politikern sehr erfreuliche Gespräche zustande gekommen, die unserem Anliegen einen Anschub und Neubeginn bringen werden. Über den weiteren Verlauf werde ich zu gegebener Zeit berichten.
Im Jahre 1960 sind alle Siedler in den Deutschen Siedlerbund eingetreten, der heute den Namen „Verband für Wohneigentum e. V.“ trägt. Unsere Siedlergemeinschaft ist von damals 20 Mitgliedern auf die stattliche Zahl von 170 gestiegen. In dem Verband für Wohneigentum hatten wir bisher eine sehr gute Interessensvertretung und immer eine Hilfe und einen fachlichen Rat bekommen, wenn es erforderlich war. Ebenfalls konnten wir Beratungen durch einen Fachanwalt in Anspruch nehmen, wenn dies notwendig wurde.
Ich habe mir die Mühe gemacht und beeindruckende Bilder aus dieser schweren Zeit zusammengetragen und aufbereitet. Sie veranschaulichen, mit welchen Entbehrungen und körperlichen Belastungen die Eigenheime geschaffen wurden. Auch das Stadtarchiv der Stadt Lahnstein hat einen Beitrag dazu geleistet. Ich möchte dem Leiter, Herrn Geil, meinen herzlichen Dank dafür aussprechen. Bitte schauen Sie sich diese Bilder einmal an.
Heute würde sich wohl keine Gemeinschaft mehr in dieser Größe zusammenfinden, die das Bauen in Eigenleistung so praktizieren, wie wir das getan haben.
Zu guter Letzt möchte ich noch 50 Jahre nach dem Erstbezug der Siedlung Im Lag in Anlehnung an einen früheren Werbeslogan sagen: „Es gibt noch viel zu tun Im Lag, packen wir es an“.
Das, meine Damen und Herren, war die Chronik der Siedlergemeinschaft Im Lag, im Zeitraffertempo von den Anfängen bis zur Gegenwart.


Helmut Becker,
Am Eckwald 1, 56112 Lahnstein
6359266/7 – Email: beckerlah@online.de
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