Chronik der Gemeinschaft

Quelle: Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum:

Auf Grund der akuten Wohnungsnot der Nachkriegszeit wurden Ende der 40-er, Anfang der 50-er Jahre überall im Land Siedlungen gebaut, so auch in Niefern.
Die erste Siedlung im Haufental, welche im Jahr 1949 initiiert wurde, reichte bei weitem nicht aus, um den Wohnungsbedarf zu decken und viele Bauwillige kamen dort nicht zum Zuge. Deshalb wurde von der Gemeindeverwaltung eine zweite Siedlung im Zwerchsäckle geplant.

Im Januar 1950 konnte man auf einem so genannten "Siedlerfragebogen" einen Antrag auf Zuteilung einer Siedlerstelle stellen. Man musste Angaben machen zum Familienstand, Einkommensverhältnissen, Landwirtschaftlichen Kenntnissen und vielen anderen Lebensumständen, denn als mögliche Siedler kamen hauptsächlich Minderbemittelte, Ausgebombte und Heimatvertriebene in Frage. Außerdem wurde festgelegt, dass jede Siedlerstelle von mindestens zwei Familien belegt werden musste.

Am 01.03.1950 erhielt die Oberrheinische Heimstätte )spätere Badische Heimstätte) von der Gemeinde Niefern "grünes Licht" zum Bau einer Wohnsiedlung mit 28 Wohnhäusern im Gewann "Zwerchsäckle" . Dieses befand sich gerade in der Flurbereinigung, so dass die erforderlichen Straßen erst 1954 gebaut werden konnten. Der Quadratmeterpreis für den Grund und Boden betrug damals zwischen 25 und 30 Pfennig .
Im Frühjahr 1950 fand dann für die ausgewählten Bewerber im Schulhaus in Niefern die Vergabe der 28 Siedlerstellen statt und zwar durch Verlosung. Da für die gesamte Siedlung Doppelhäuser geplant waren, mussten sich jeweils zwei Bewerber ein Doppelgrundstück bzw. Doppelhaus teilen. Für jedes dieser Doppelgrundstücke wurde jedoch nur ein Los gezogen. Daher musste man sich vor der Verlosung noch einigen, wer mit wem zusammengeht und wer für die beiden Parteien das Los ziehen sollte. Nach der Verlosung mussten sich die jeweiligen Parteien noch einigen, wer welchen Grundstücksteil nimmt, bis dann schließlich die "Bauherren" für die einzelnen Häuser feststanden.

Bereits im Sommer 1950 war Baubeginn.
Bauträger war die Badische Heimstätte GmbH in Karlsruhe . Pro Siedlerstelle mussten 2.000 DM angezahlt werden. Damit erwarb man sich quasi eine Anwartschaft auf die spätere Übereignung des Grundstücks, denn Eigentümer war und blieb zunächst die Badische Heimstätte.

Eine Anzahlung von 2.000 DM zu leisten war so kurz nach der Währungsreform für alle sehr schwierig, für die meisten sogar unmöglich. Der Stundenlohn betrug damals im Durchschnitt 1,43 DM, ein Monatslohn lag bei knapp 300 DM. Glücklicherweise konnte diese Anzahlung oder sogar eine höhere Summe durch Eigenleistung erbracht werden. Man sah daher bald die "Häuslebauer" beim Ausschachten der Baugruben, was eine echte Knochenarbeit war, denn teilweise war der Untergrund felsig und es gab ja keine Bagger und Presslufthammer, sondern alles musste "von Hand" erledigt werden, mit Pickel, Schaufeln und Schubkarren.
Auch an den Gebäuden selbst oder an den Geräteschuppen für die Kleinviehhaltung wurde vieles in Eigenarbeit erstellt. Diese "Kleinviehhaltung" war ja damals noch sehr groß geschrieben und als wichtiger und auch günstiger Beitrag zur Ernährung wurden in fast jeder Siedlerstelle Hühner, Kaninchen oder auch Schweine gehalten. In den Gärten wurde hauptsächlich Gemüse oder Obst angebaut, denn die Not der Nachkriegszeit war noch nicht vergessen und an Rasenflächen und Gartenmöbel dachte damals noch keiner!
Im Juni 1951 fand in der Siedlung das Richtfest statt und anschließend war Richtschmaus für die Arbeiter im Gasthof "Kirnbach". Es entstanden für 38 Personen Kosten in Höhe von 182,20 DM , welche durch Spenden der Siedller aufgebracht werden mussten. Heute könnte man damit höchstens noch 3 Personen bewirten.
Ab dem Spätjahr 1951 konnten nach und nach die Häuser bezogen werden, teilweise unter großen Schwierigkeiten, denn es war ein nasser Herbst und die Straßen fehlten noch. Die Zufahrt zu den einzelnen Grundstücken war daher schlecht möglich und die Möbel mussten oft über längere Strecken getragen werden. Schlamm und Lehm gab es reichlich und ohne Gummistiefel ging überhaupt nichts.
Heute hat man dazugelernt: Man baut jetzt erst die Straßen und dann die Häuser!
Damals war eben einiges noch anders. Die Häuser selbst z.B. waren nach heutigen Maßstäben primitiv und beengt. Auf ca. 90 m² Wohnfläche mussten zwei Familien unterkommen. Wer z.B nur 1 oder 2 Kinder hatte, musste noch jemanden in Miete nehmen. Wasserspülung war Luxus, von Bad und Dusche war noch keine Rede. Gebadet wurde bei den meisten in einer Zinkbadewanne, welche in der Waschküche aufgestellt wurde. Das Badewasser wurde im Waschkessel per Holzfeuer erhitzt. Man kann sich daher gut vorstellen, waum Baden in der Regel nur einmal in der Woche angesagt war - meistens am Samstag Nachmittag, nach getaner Arbeit.
Geheizt wurde ausschließlich mit Holz in Einzelöfen, denn Zentralheizungen waren noch nicht üblich. Der Stromanschluss war noch auf 110 Volt ausgelegt und auch die Baumaterialien selbst waren nicht gerade die Besten. Dennoch waren alle froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, wenn auch noch kein eigenes, denn Eigentümer war ja immer noch die Badische Heimstätte GmbH.

1953 wurde dann der sogenannte "Träger-Siedlungsvertrag" abgeschlossen. Damit waren wir sozusagen Pächter der Siedlungsstellen und mussten an die Badische Heimstätte Pacht bezahlen, welche allerdings bei der späteren Übereignung auf den Kaufpreis angerechnet wurde. Jeder wollte natürlich so bald als möglich einen Kaufvertrag abschließen, aber es verging noch eine lange Zeit, bis es soweit war.

1954 wurde der Name "Siedlung Zwergsäckle" festgelegt, abgeleitet vom Nieferner Gewann "Zwerchsäckle".
Der Siedler Anton Meierl schnitzte einen sehr schönen Wegweiser, welcher im Beisein des damaligen Bürgermeisters Fahlbusch in einer kleinen Feier am Anfang der Feldstraße aufgestellt wurde. Dort steht er heute noch, er wurde jedoch von Bertold Schwarz mehrmals restauriert, um verschiedene Motive wie z.B. Bäume erweitert, gestrichen und mit einem Schutzdach versehen. Er stellt sozusagen das Wahrzeichen der Siedlung dar und wurde daher als Motiv für das Deckblatt der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum ausgewählt.

Im Jahr 1958 wurde endlich der lang ersehnte Kauf- und Übereignungsvertrag geschlossen. Erst durch diesen Vertrag wurden die Siedler Eigentümer ihrer Siedlerstellen. Ein Grundstück kostete damals im Durchschnitt 17.000 DM, abzüglich der Anzahlung bzw. der erbrachten Eigenleistung und abzüglich der aufgelaufenen Pachtzahlungen. An die Badische Heimstätte musste aber weiter eine Betreuungsgebühr bezahlt werden und außerdem wurde ein Vorkaufsrecht und eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Badischen Heimstätte im Grundbuch eingetragen.

1955 wurde gemeinsam eine Baumspritze angeschafft, da sich nicht jeder eine eigene Spritze leisten konnte. Das Spritzen der Bäume und Sträucher besorgte am Anfang Karl Kettenbach, welcher im Jahr 1957 verstarb. Von 1957 bis 1965 übernahm der inzwischen ebenfalls verstorbene Peter Meder diese Arbeit für die Gemeinschaft. Seit 1966 wird das Spritzen nicht mehr gemeinsam für alle durchgeführt,da sich inzwischen die meisten Siedler selbst Leitern und Spritzen angeschafft hatten.

Erst im Herbst 1971 konnte schließlich erreicht werden, dass die Betreuungsgebühr nicht mehr bezahlt werden musste und ein Jahr später war die Landesentwicklungsgesellschaft (die Nachfolgerin der Badischen Heimstätte) nach langen Verhandlungen und umfangreichem Schriftwechsel, den der Gemeinschaftsleiter Steinbach geführt hatte, bereit, ihre eingetragenen Rechte gegen eine Gebühr von 50 DM im Grundbuch löschen zu lassen. Die Hilfe der Landesgeschäftsstelle des Siedlerbundes wurde bei den Verhandlungen mehrfach in Anspruch genommen, denn bis es zur Einigung kam, galt es manche Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Die Löschung wurde schließlich von Josef Steinbach für alle Siedlerstellen gemeinsam beantragt.

Inzwischen hat sich das Bild der Siedlung stark verändert. Damals eine Wohnsiedlung am Ortsrand liegen wir heute beinahe mitten im Ort. Die Ansprüche sind gestiegen, sowohl was den Wohnraum als auch den Wohnkomfort betrifft und so konnte es nicht ausbleiben, dass nahezu alle Häuser an- um- und ausgebaut wurden. Es wurden Heizungen und Bäder eingebaut, Wände versetzt, Garagen erstellt, usw....
Manche Häuser sind inzwischen doppelt so groß wie am Anfang, werden aber nur noch von einem Drittel an Personen bewohnt.Auch heute noch (oder wieder) wird an verschiedenen Gebäuden der Siedlung gebaut bzw. renoviert.
Mancher der damaligen Bauherren behauptet ja auch von sich, er baue nun schon seit 50 Jahren und sei immer noch nicht fertig.

Bertold Schwarz, Willi Bickel
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Inzwischen hat sich einiges verändert. Es wurde weiter an-, um- oder angebaut, Parkflächen geschaffen...
Die komplette Feldstraße wurde mit neuen Leitungen und Abwasserrohren versehen. Dies gestaltete sich für die Anwohner nicht ganz einfach, da es eine sehr schmale Einbahnstraße ist. Er wurden auch Rinnen an der Straße geschaffen.
So ergibt sich wieder ein einheitliches Straßenbild.

Früher hatte man in jeder Familie nur ein Auto, heute hat so gut wie jedes Familienmitglied ein eigenes. Dies führt dazu, dass der Park- und Fahrraum in der Straße immer knapper wird.
Durch diese Situation wäre es schön, wenn die Feldstraße zu einer Anliegerstraße gemacht werden würde, damit zumindest der Durchgangsverkehr etwas weniger würde.

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