Aus der Geschichte

Durch Flucht und Vertreibung war ein großer Wunsch dieser Menschen in ganz Deutschland, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Viele Menschen wurden über das ganze Land verteilt, einige hat es hierher verschlagen. Arbeit gab es nur wer eine Bleibe nachweisen konnte. Eine Bleibe war oft nur ein Bett mit einem Regal im Raum. Wer eine Wohnung oder gar ein bewohnbares Haus hatte, bewohnte eigentlich nur eine ihm zugewiesene Fläche. Freie Räume oder Baracken wurden zwangsweise belegt. Wie nun der Bau dieser Siedlung hier langsam Wirklichkeit wurde, bewarben sich viele Menschen. Viele, so wie Einzelpersonen, fielen durch das Raster der Behörden. Verheiratet sein war das Minimum, zu erwartende Kinder noch ein Plus. Bewerbungslisten mussten ausgefüllt und ärztliche Atteste die den Gesundheitszustand belegten, mussten beigefügt werden. Verdienste mussten offenbart und handwerkliches Geschick nachgewiesen werden und die Frage nach Maschinen oder Baumaterialien die in das Bauvorhaben einfließen konnten. So kamen viele Handwerker aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Berlin und vielen anderen Orten wo der Krieg sie vertrieben hatte hier zueinander.

Die Vertriebenen legten die ersten Entwürfe für den Grundriss unserer Häuser vor. Über den Regierungspräsidenten, den damaligen Bürgermeister und die ev. Kirche, die das Bauland, worauf bisher Getreide angebaut war, zur Verfügung stellte, konnte am 1. Juli 1950 der erste Spatenstich erfolgen. Im August / September des Jahres schlossen sich die Teilnehmer des 1. Bauabschnittes dem Deutschen Siedlerbund an. Es wurde der erste Vorstand der Siedlergemeinschaft gewählt.
So berichtet der damalige Vorsitzende und Bauleiter in einem Brief;
die Ausschachtungsarbeiten konnten auf den jeweiligen zugeteilten Grundstücken beginnen, das nannte sich Grundsteinlegung, bedeutete aber nur eins: "Arbeit". Kipploren füllen, Handausschachtung über alle Bereiche.

Man erzählt vom ersten Loch; 20 Mann haben am ersten Tag bei großer Hitze ein Loch in der Größe von 2x2m geschafft. Der Boden war durch den Getreideanbau völlig ausgedörrt. Jetzt wusste man was den Häuslebauern blühte. Es gab jedoch keiner auf, sondern jeder besorge etwas; eine größere Baumaschine, Eisenbahnschwellen und Loren für darauf, ein Förderband, noch mehr Spaten. So wurde von dem einstigen Acker der Aushub der ersten 6 Grundstücken auf die hinteren bewegt da diese tiefer lagen.
Dann aber, so steht es geschrieben, legte ein Vertriebener eins vor. Er stellte die Betonschalung her und die ersten Betonarbeiten konnten beginnen. So wuchs auf dem Acker die Siedlung.

Heute ist der Trampelpfad durch Weizen- und Rübenfelder bis an die Gleise der damaligen Bayer Werke und der Zuckerrübenfabrik nicht mehr vorstellbar.

Der Bauleiter und Vorsitzende berichtet; ich denke immer noch mit Freude daran wie ein Doppelhaus nach dem anderen aus der Erde wuchs. Es gab fast 14-tägig ein Richtfest für je ein Doppelhaus, dann war unsere aller Freude je eine Flasche und ein Schnäpschen die augenblickliche Belohnung. Wir waren stolz wenn die Alt- Dormagener Bürger bei Ihren Spaziergängen vorbei kamen und erstaunt waren dass schon wieder ein Haus zu sehen war.

Gearbeitet wurde mit Erlaubnis der Polizei wochentäglich bis 22 Uhr. Sonnabend von 14-22 Uhr, sonntags von 7-12 Uhr und von 14-19 Uhr. Und das neben der regulären Arbeitszeit, die zum Teil auch schon im Schichtrhytmus geschah.
Auch kam an einigen Sonntagen der Pfarrer vorbei um in irgendeinem Rohbau eine kurze Andacht zu halten. Die Männer standen im Halbkreis, wischen noch schnell die Hände an den Hosen ab und waren dankbar für eine kurze Pause.

Im Oktober 1950 konnten die ersten Häuser des 1. Bauabschnittes bezogen werden, im Jahre 1952 wurde mit dem 2. Bauabschnitt, der Gneisenaustraße, begonnen. Auch diese schlossen sich dem Deutschen Siedlerbund sowie der Siedlergemeinschaft an.
Wer nun denkt der Bauabschnitt 1 ist abgeschlossen und alles ist gut, der irrt. Nach dem Motto eine Hand wäscht die andere halfen nun die Siedler der bereits bezogenen Häuser denen, die noch alles vor sich hatten. Das Gelände Wartburg- und Gneisenaustraße war eine riesige Baustelle. Und immer noch musste Zement in Papiersäcken per Hand abgeladen werden. Übrigens wurden die leeren Papiersäcke fein säuberlich gesammelt und an den Papierhändler verkauft. Das gab dann schon mal einen Kasten Bier oder eine Flasche Schnaps.
Viele Arbeiten wurden nun auch an Firmen vergeben und so konnten auch bald die Siedler des 2. Bauabschnittes in ihr eigenes Heim einziehen.
Abgeschlossen wurde die Besiedlung mit dem 3. Bauabschnitt der 3 Doppelhaushälften Gneisenau- und Schillerstraße im Jahre 1957.
Das Wirtschaftswunder nach dem Krieg hat die Menschen mit Wohlstand erfüllt, längst gibt es keine Hühnerställe mehr, der Kartoffelacker ist der Wiese gewichen, die Himbeeren sind im Kaufhaus zu bekommen und der Nachwuchs fährt im eigenen Auto. Die Gärten sind lang und groß, die Bewohner älter geworden, die Arbeit fällt nicht mehr so leicht von der Hand. Daher machen wir einen kurzen Sprung in das Jahr 1990. Durch die langen und teilweise großen Gärten wollte man diese Grundstücke nun teilen und somit günstiges Bauland für die Kinder schaffen. Daher haben sich 2 Nachwüchsler aufgemacht und Anträge an das Bauamt gestellt um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Vier Jahre später konnten die Grundstücke geteilt werden. Einige haben ihre Hälfte verkauft und andere wurden durch die Kinder bebaut. Die ersten Häuser entstanden auf der Breslauer Straße, nach und nach kamen die anderen Straßen dazu. In den Jahren zurückgekehrt sind auch viele deren Wurzeln in dieser Siedlergemeinschaft liegen und die nach dem Tod der Eltern in ihre Geburtshäuser eingezogen sind. Es sind nun die zweiten, die dritten Generationen die hier aus den Fenstern schauen. Immer noch wird gewerkelt, verbessert und umgebaut. Das ehrt uns.
Nur die Hände in den Schoß legen bringt nichts. Denn, so heißt es; Was Du ererbst von Deinen Vätern, erwirb es um es zu besitzen.
Aus den Anfängen sind nun über 65 Jahre geworden. Die Zeiten haben sich geändert. Trotz alldem ist die Nachbarschaft gut geblieben, Höhen und Tiefen gehören dazu.
Ich für meinen Teil bin glücklich hier aufgewachsen zu sein, das Erbe meiner Eltern habe ich erworben, hier bleibe ich.

Erlauben Sie mir noch ein Zitat aus der Festschrift "30 Jahre Siedlerfest". Darin steht auf der letzten Seite; Aus dem Gartenfest ist ein Straßenfest geworden und es dauert immer noch 2 Tage. Die Tanzbeine sind älter und müder geworden, aber die Träume und die Vorstellung von guter Nachbarschaft sind jung geblieben.

Im Juli 2016

Fred-Reiner Albrecht

Wartburgstraße im Bau
Wartburgstraße im Bau   © Albrecht

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