Die Geschichte der Siedlergemeinschaft Tirschenreuth Auszug aus der Siedlerchronik von Adolf Schachinger

Die Gründung der Siedlergemeinschaft Tirschenreuth ist eng verbunden mit der Entstehung der Siedlung am Ziegelanger. Auf Anregung des damaligen 1. Bürgermeisters Heinrich Mayer beschloss der Stadtrat in seiner Sitzung am 17.3.1932, die günstigen Finanzierungsbedingungen für die Errichtung von Kleinsiedlungen für Arbeitslose zu nutzen und die erforderlichen Schritte einzuleiten. Die Zahl der Arbeitslosen betrug Anfang 1932 über 6 Millionen. Im Landkreis Tirschenreuth lag die Arbeitslosen-Quote über 20%.

Als Siedlungsgebiet wurde aus mehreren Vorschlägen der Ziegelanger ausgewählt. Bereits am 20.9.1932 erfolgte die Grundsteinlegung. Die Stadt fungierte als Bauträger, Planfertiger war der städtische Baureferent Ludwig Lang. Der Grundstückspreis lag bei 0,50 Reichsmark je Quadratmeter, die Gesamtkosten durften 3000 RM je Haus nicht übersteigen.

Als Bewerber für die Siedlerstellen wurden arbeitslose Maurer, Zimmerer, Schreiner und Bauhelfer ausgewählt. Die Häuser wurden ausschließlich in Gemeinschaftsarbeit und Eigenleistung erstellt. Jeder Siedler musste mindestens 125 Arbeitstagewerke im Rahmen der Gemeinschaftsarbeit erbringen. Dafür wurden ihm 500 RM bei der Finanzierung gutgeschrieben. Die Siedler bekamen damals vom Arbeitsamt wöchentlich zwischen 12 und 15 RM Arbeitslosen- oder Krisenunterstützung. Die monatliche Pacht betrug 10 RM. Nach Übernahme der Siedlerstellen betrug die jährliche Belastung 180 RM. Der Zinssatz lag bei 4%.


Die Siedlung wurde in mehreren Bauabschnitten gebaut. Von 1932 bis 1934 entstanden 13 Doppelhäuser. Die Organisation der Gemeinschaftsarbeiten führte bereits 1932 zu einem losen Zusammenschluss der Siedler. Damit sollte auch die Verhandlungsposition gegenüber dem Bauträger gestärkt werden.


Am 1. April 1934 wurde im Haus des Siedlers Johann Kraus die offizielle Gründung der Siedlergemeinschaft vollzogen. 10 Gründungsmitglieder wählten Johann Modes zum 1. Vorsitzenden. Der erste Mitgliederbeitrag betrug wöchentlich 10 Reichspfennige.

Von 1934 bis 1939 wurden an Ziegelanger 44 weitere Häuser gebaut, davon 26 unter der Trägerschaft der Stadt. Mit Kriegsbeginn kam die Bautätigkeit völlig zum Erliegen. Die Männer wurden eingezogen oder dienstverpflichtet, das Baumaterial wurde bewirtschaftet.

In der Kanonikus-Mehler-Straße konnten 7 begonnene Häuser nur bis zur Kellerdecke gebaut und erst nach Kriegsende fertiggestellt werden. Nach 1945 kam der Eigenheimbau nur langsam wieder in Schwung. Die Heimstätten GmbH, die 1938 die Siedlungsplanung für die Stadt übernommen hatte, zog sich 1948 zurück und verkaufte die Grundstücke an die Baubewerber, die ihre Häuser nun in eigener Regie erstellten.

Nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 nahm der Eigenheimbau einen enormen Aufschwung. In Tirschenreuth fehlten durch den Zuzug vieler Vertriebener ca. 400 Wohnungen. Damals waren es die Siedler, die erheblich zur Entlastung des Wohnungsmarktes beigetragen haben. Neue Siedlungen entstanden in der Kanonikus-Mehler-Straße, Egerstraße, am Lerchenfeld, in der Point usw. Viele neue Hausbesitzer wurden Mitglied im Siedlerbund. Die Mitgliederzahl stieg bis 1965 binnen 10 Jahren von 77 auf 232 und bis 1972 auf 345. Das Vereinsleben wurde aktiviert und auch die Geselligkeit gepflegt. Die Siedlerbälle im großen Ankersaal in den Jahren 1955 bis 1965 waren für Tirschenreuth "ein gesellschaftliches Ereignis", wie damals die Tagespresse schrieb. Weitere Höhepunkte waren die Siedlerfeste. Am 21. und 22.8.1954 wurde das 20-jährige Bestehen mit Zeltbetrieb am Ziegelanger gefeiert. Bürgermeister Karl Ruffing wies in seiner Festrede darauf hin, dass die Ziegelangersiedlung von der Regierung als Mustersiedlung bezeichnet wurde, die ausschließlich in Selbsthilfearbeit erstellt wurde.

Ein weiteres Großereignis war die Fahnenweihe am 18./19.8.1956. Bürgermeister Karl Ruffing wurde zum ersten Ehrenmitglied des Vereins ernannt.

Das 25-jährige Vereinsjubiläum wurde am 22./23.8.1959 mit Gottesdienst, Festzug und Zeltbetrieb begangen. Das Siedlerfest vom 4. bis 6.8.1961 war mit einem Bezirkssiedlertreffen verbunden. Schirmherr Bürgermeister Ruffing sagte, "nur wenige Feste erfreuen sich solcher Beliebtheit wie die Siedlerfeste".

In den 60er Jahren mussten viele Siedler, insbesondere die Rentner, den Gürtel enger schnallen. So wurden bei den üblichen Weihnachtsfeiern die Rentner mit einem Geldgeschenk von 3,- DM, später 5,- DM bedacht. Der Unterkassier Heinrich Wameser bekam jedes Jahr 1 Paar Schuhsohlen bezahlt.

Das 30. Gründungsfest wurde am 4.9.1965 gefeiert. Festredner war der 1. Bezirksvorsitzende Hans Gollwitzer.

Von 1950 bis 1965 hatte die Gemeinschaft fünf erste Vorstände: Johann Summerer, Hans Kurz, Josef Schmid, Johann Glettner und Hans Kurz. Mit den Neuwahlen am 13.12.1965 begann eine neue Ära. Der bisherige Kassier Ludwig Koller wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt. Er sollte dieses Amt 30 Jahre bekleiden!

Im Juni 1967 regte der damalige 2. Bezirksvorsitzende Andreas Lutz bei der Stadt Tirschenreuth den Bau einer Gruppensiedlung an und bat um die Bereitstellung von Baugrund. Als Bauträger wollte der Bayerische Siedlerbund fungieren. Das ursprünglich in der Äußeren Regensburger Straße angebotene Gelände wurde abgelehnt. Nachdem inzwischen das für einen Kasernenbau vorgesehene Gelände Rote Erde frei wurde, bemühten sich alle kompetenten Politiker, insbesondere die MdB Franz Weigl und Franz Zebisch, sowie der Bayerische Siedlerbund um die Freigabe dieses Geländes für die geplante Mustersiedlung. Wie man weiß, mit Erfolg.

Mit der Planung wurde von der Regierung in Regensburg Professor Helmut Gebhardt beauftragt. Die Bauträgerschaft übernahm die Bayerische Landessiedlung GmbH München. Am 9.1.1969 stellte Prof. Gebhardt in einer Bewerberversammlung seine Planung vor. Bei den Grundstücks- und Finanzierungsverhandlungen zeichnete sich ein Erfolg ab, so dass die Genehmigung zum vorzeitigen Baubeginn erteilt werden konnte.

Am 10.9.1969 erfolgte die Grundsteinlegung durch den Bayerischen Staatsminister des Inneren Dr. Bruno Merk. Vier Baufirmen begannen im September 1969 mit dem Bau von 36 Häusern des 1. Bauabschnitts. Auch die Erschließungsarbeiten waren angelaufen. Von 1969 bis 1975 wurden in 4 Bauabschnitten 67 Häuser erstellt.


Die Einweihungsfeier für die Siedlung Rote Erde fand am 6.9.1975 statt. Ein Feldgottesdienst wurde gefeiert, ein Gedenkstein enthüllt. Anschließend gab es in der Siedlung Rote Erde ein Standkonzert mit dem Musikzug im ATSV Tirschenreuth. Der Festkommers fand am Abend im Kettelerhaus statt. Landrat Weigl, Bürgermeister Oberndorfer und MdB Franz Zebisch wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Der Bau der Siedlung Rote Erde war der letzte große Meilenstein in der Vereinsgeschichte. In unzähligen Bauausschusssitzungen und Bewerberversammlungen konnte hier auch die Siedlergemeinschaft entscheidend mitwirken. Der Initiator der Siedlung Rote Erde, Andreas Lutz, wurde für seine enormen Verdienste zum Ehrenmitglied unserer Gemeinschaft ernannt. Die Siedlung Rote Erde trägt seine Handschrift.

Am 8.5.1982 feierte die Tirschenreuther Gemeinschaft ihr 50-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass wurde am Ziegelanger ein Standkonzert mit der Auerbacher Knabenkapelle abgehalten.


Der anschließende Festzug bewegte sich vom Ziegelanger zum Kettelerhaus. Dort fand der Festkommers statt.

Bezirksvorsitzender Andreas Lutz (links), Vorsitzender Ludwig Koller (rechts)  

Der langjährige Unterkassier Hilarius Stock wurde am 12.1.1989 zum Ehrenmitglied ernannt.

Aus gesundheitlichen Gründen gab Ludwig Koller am 10.03.1995 als 1. Vorsitzender nach 30 Jahren Amtszeit die Geschäftsführung auf. Der bislang 2. Vorsitzende Herbert Söhnlein wurde zum 1. Vorsitzenden und zugleich Gerhard Strobl zum 2. Vorsitzenden gewählt.

Ludwig Koller, der Pionier der Siedlergemeinschaft, wurde am 23.06.1995 zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Auf seinen großartigen Führungsstil und seine meisterlichen Leistungen wurde in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen. Der Landes- und Bezirksvorsitzende Otto Benner würdigte Ludwig Koller als großes Vorbild und stets hilfsbereiten Siedlermann.

Im Sommer 1995 wurde in der Grünanlage das erste Ortsteilfest mit guten Erfolg begangen. Dazu hatte die Stadt Tirschenreuth unter Leitung des 1. Bürgermeisters Franz Fink aufgerufen.


1996 fand das 60-jährige Gründungsfest der Siedlergemeinschaft Tirschenreuth - wiederum in der Grünanlage der Siedlung Rote Erde - statt. Gleichzeitig konnte die Siedlung Rote Erde auf 25 Jahre Bestehen zurückblicken. Es wurde bis in die späten Abendstunden hinein fröhlich gefeiert.

Am 21.08.1997 war eine Bewertungskommission des Deutschen Siedlerbundes angereist. Grund war die Begutachtung zur "schönsten Kleinsiedlung". Hierzu war der Ortsteil Ziegelanger ausgewählt worden.

1. Bürgermeister Franz Fink wurde vom Landesverband des Siedlerbundes im September 1997 mit der Verdienstmedaille des Deutschen Siedlerbundes ausgezeichnet. Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch Adolf Schachinger, Schriftführer der Siedlergemeinschaft, der sich als immer hilfsbereiter Siedlermann große Verdienste insbesondere durch Neuwerbungen erworben hat, mit dem Großen goldenen Ehrenzeichen bedacht.

Am 18.10.1997 wurde der Ortsteil Ziegelanger beim Wettbewerb "Schönste Kleinsiedlung" mit der Silbermedaille prämiert. Dies bedeutete den Platz 2 der Bewertung in ganz Deutschland - ein toller Erfolg!
Bundeswettbewerb
Vorsitzender Herbert Söhnlein (Mitte), Stellvertreter Gerhard Strobl (links)  

Im Sommer 1998 besuchten wir die Siedlergemeinschaft in Donauwörth. Sie hatte bei dem Wettbewerb "Schönste Kleinsiedlung" den 1. Platz belegt.

Am 14.07.1998 erklärte Herbert Söhnlein aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt als 1. Vorsitzender.

Gründungs-Gedenktafel

Im gleichen Jahr wurde zur Erinnerung an des Gründungsjahr der Siedlergemeinschaft Tirschenreuth im Ortsteil Ziegelanger am Haus Kleinklenauer Straße 10, wo die Gründung stattgefunden hatte, eine Tafel angebracht mit den Daten "01.04.1934".

Zur Jahreshauptversammlung am 09.04.1999 waren Neuwahlen angesetzt. Zum 1. Vorsitzenden wurde Gerhard Strobl vorgeschlagen und einstimmig gewählt. Auch seine Stellvertreter, Beate Heinrich und Karl Konrad, erzielten einstimmige Wahlergebnisse.

Am 26.07.1999 erhielt Herbert Söhnlein aus der Hand des Landesvorsitzenden Otto Benner das Große goldene Ehrenzeichen des Bayerischen Siedlerbundes. Zugleich wurde Herbert Söhnlein Ehrenvorsitzender der Siedlergemeinschaft. Er hat sich durch seine langjährige Tätigkeit und sein Mitwirken immer tatkräftig für die Belange der Gemeinschaft eingesetzt.

In den letzten Jahren war das Hauptaugenmerk auf die Mitgliederwerbung gerichtet. Vielen Hausbesitzern konnten die Vorteile einer Mitgliedschaft im Siedlerbund vermittelt werden. So herrschte große Freude, als am 01.03.2001 das 500. Mitglied begrüßt und in die Gemeinschaft aufgenommen werden konnte. Insgesamt wurden in den folgenden drei Jahren bis 2004 neunzig neue Mitglieder aufgenommen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Trend weiter anhält und somit der Deutsche Siedlerbund insgesamt in seiner Rolle als alleiniger Vertreter der Interessen der Eigenheimbesitzer gestärkt werden kann.

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