06.02.04 Bürger aus 4 Städten laufen Sturm

Bürger aus 4 Städten laufen Sturm gegen 5 neue Windräder

06.02.2004 / LOKALAUSGABE / LUENEN

Niederaden. Die Bürger in Niederaden, in Bergkamen-Oberaden, Kamen-Methler und Dortmund-Lanstrop sind sauer. Stinksauer. Und zwar auf die Stadt Lünen und ihre Politiker. Und das brachten sie bei der Bürgerversammlung am Donnerstagabend unmissverständlich zum Ausdruck. Fünf Windkrafträder in Niederaden? Und das direkt vor ihrer Haustür? Das wird es mit ihnen nicht geben. Und damit basta.

Der Saal von "Haus Weber" quoll über am Donnerstagabend. Wie viele Menschen sich in die Stuhlreihen, auf die Heizung, vor und hinter den Tresen oder an die Wände quetschen, war nicht mehr zu zählen. Es war zu voll. Und so hatte der Gastgeber, der Niederadener SPD-Vorsitzende Wieland Althoff, teilweise Schwierigkeiten, sich stimmlich durchzusetzen. Ähnlich ging es den beiden geladenen Experten im Podium: Hans-Bernd Host, zuständiger Chef des Fachbereichs Planen-Bauen-Umwelt-Verkehr im Rathaus, und Hans-Georg Freimund (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr.


Um es vorwegzunehmen: Zufriedenstellen konnten die Experten die Bürger nicht. Ganz im Gegenteil. Augenscheinlich widersprüchliche Aussagen von Freimund, dass - einerseits - eine Bürgerbeteiligung in diesem Jahr noch ein weiteres Mal angeboten werde und es damit "früh genug" sei, dass aber - andererseits - weder Bürger noch Stadt Lünen etwas gegen den Bau von Windkrafträdern machen könnten, ließen des Volkes Seele hochkochen. Ungläubig vernahmen die Besucher, dass der Gesetzgeber Windkraftanlagen im Außenbereich immer zulasse und der Bürger generell nichts dagegen tun könne. "Das kann nicht sein", murrten die Anwesenden und riefen zu "zivilem Ungehorsam" auf.

Rund drei Stunden schimpften die Bürger wie die Rohrspatzen, drohten Klagen an, beklagten das Schicksal Niederadens ("Schon die Sportplätze wollte man uns schließen"), bezeichneten die Planungen als "Verbrechen", scheuten selbst Vergleiche mit Nazi-Deutschland nicht ("Auch damals hatte der Bürger nichts zu sagen") und kritisierten immer wieder die angeblich schlechte Informationspolitik der Lüner Stadtverwaltung.

Die Sorgen der Betroffenen und ihre Argumente gegen die Windräder in Kürze: Gesundheitsschäden, Verschandelung der Landschaft und der Aussicht von ihren Häusern, Wertminderung der Häuser, Schattenwurf, Beeinträchtigung der Tierwelt und Gefahren durch Eisklumpen, die von den Rotoren der Windräder in die Gärten fallen...

Die Fakten:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung beschloss am 2. Dezember 2003, in den Bereichen "Seseke-Knie" und "Erlensundern" (südlich der A2) Vorrangflächen für Windenergieanlagen (34. Änderung des Flächennutzungsplanes) zu schaffen. Dieser Beschluss (Änderungsverfahren) fiel damals einstimmig, auch wenn SPD-Mann und Ausschuss-Vorsitzender Freimund am Donnerstag beklagte, dass seine SPD leider nichts zu sagen habe, weil sie keine Mehrheiten habe und er betonte: "Ich will die Dinger ja auch nicht."

Die Pläne wurden vom 5. bis 23. Januar 2004 zur Einsichtnahme im technischen Rathaus öffentlich ausgelegt. Die Stadt Lünen dazu: "Die Resonanz war sehr groß. Unter anderem wurden von zwei Bürgergruppen aus Niederaden und Oberaden Unterschriftenlisten gegen die Darstellung eingereicht."

Noch ist nichts beschlossen. Das Verfahren läuft. Aber für die geplanten Vorrangflächen liegen bereits konkrete Bauanträge und angeblich sogar bereits Vorverträge mit den Eigentümern vor: Die Kamener Firma Ökovent will im Bereich "Seseke-Knie" zwei Windräder errichten, im Bereich "Erlensundern" zwei weitere. Zudem gibt es für die letztgenannten Fläche einen Antrag auf ein weiteres Windkraftrad von der Privat-Person Jürgen Bals, zufälligerweise Geschäftsführer von Ökovent. (Bei einem Antrag von mehr als vier Windrädern gelten andere gesetzliche Bestimmungen). Alle Windräder sollen rund 138 Meter hoch sein; die Grundstücke sollen sich zum Teil in Privatbesitz und zum Teil im Besitz der Firma Harpen befinden.

In einer weiteren Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung wurde am Dienstag dieser Woche das Thema erneut erörtert. Mit dem Ergebnis, das Verfahren für die Vorranggebiete weiter zu verfolgen (wir berichteten) Die Herren Host und Freimund versuchten, den aufgebrachten Bürgern noch einmal die Hintergründe zu erläutern. So sollen Konzentrationflächen für Windkrafträder geschaffen werden, um andere Gebiete Lünens vor einer "Verspargelung" der Landschaft zu schützen. Aber: Bis Ende Januar 2004 trudelten (im Zuge der Neuaufstellung des Flächennutzunsplanes) zahlreiche massive Einwände gegen die beiden vorgeschlagenen Standorte ein. Diese Einwände reichen von der "Beeinträchtigung des Landschaftsbildes" über Lärmbelästigung bis Schattenwurf. Aus allen Nachbarstädten und auch vom Kreis Unna seien Bedenken gekommen, räumte Host gegenüber den aufgebrachten Bürgern ein.

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 23. März 2004 sollen die Aufstellungsbeschlüsse für die beiden Vorrangflächen in Niederaden gefällt werden (= Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens). Es sei allerdings möglich, Baugesuche auf ein Jahr zurückzustellen und sogar Veränderungssperren über ein Gebiet für insgesamt zwei Jahre zu verhängen, erläuterte Hans-Bernd Host.

Trost spendeten diese Worte kaum: "Wir werden kämpfen", kündigten viele die anwesenden Bürger an.

Von Claudia Behlau