Geschichte der Siedlergemeinschaft
Daten zur Geschichte der Siedlung
Zeitungbericht vom 27. März 2021 - Franken aktuell / Kulmbacher Anzeiger
Der Kulmbacher Stadtteil Siedlung
Die vorstädtische Kleinsiedlung zwischen Thurnauer Straße, Frankenleite, Hohe Flur und Hopfenweg
Kulmbach - Von der Arbeit nach Hause, schnell umziehen und dann ab auf die Baustelle, um dem Nachbarn beim Hausbau zu helfen, diese Zeit des Gemeinschaftsgeistes ist heute leider auch in der Siedlung nicht mehr in dem Maß vorhanden.
Vielleicht liegt es ja auch daran, dass aus kleinen Anfängen mit zwölf Siedlungsstellen in der "breiten hohen Flur am Galgenberg" im Laufe der Jahrzehnte ein Stadtteil mit über 2000 Einwohnern entstanden ist.
Anfänge des Siedlungsbaues waren bescheiden
Die Lage in Deutschland Anfang der 1930er Jahre war geprägt von einer hohen Arbeitslosigkeit und damit einhergehender Kriminalität. So wurde von der Regierung Brüning ein Notprogramm zur Errichtung vorstädtischer Kleinsiedlungen ins Leben gerufen. Die Gemeinden erhielten neidrig verzinste Darlehen um Anreize am Bau solcher Kleinsiedlungen zu schaffen.
Dabei durften die Kosten für eine Siedlerstelle den Betrag von 3.000 Reichsmark nicht übersteigen. Davon waren 2.500 Reichsmark durch das Darlehen abgedeckt. Die übersteigenden Kosten mussten durch Eigenleistung beim bau aufgebracht werden. Für ihre Eigenleistung wurden die Siedler nicht entlohnt, sie erhielten aber ihre Unterstützung vom Arbeits- und Wohlfahrtsamt weiter.
Weil ein Ziel war, die Arbeitslosenzahlen zu senken, wurden bei der Auswahl der Siedler vorwiegend Langzeitarbeitslose, Kinderreiche, arbeitsfähige Kriegsbeschädigte und Personen, die aufgrund ihres Berufes geeignet waren die Selbsthilfe zu leiten, berücksichtigt. Die Siedlerstellen wurden je nach Baufortschritt unter den Siedlungswilligen verlost.
Die Probezeit betrug drei Jahre, denn an die Vergabe einer Siedlungsstelle war die Bedingung geknüpft, durch Bewirtschaftung des Haus- und Nutzgartens einen gewissen Grad an Selbstversorgung zu erreichen. Ansonsten konnte ihnen die Siedlungsstelle wieder entzogen werden.
Der Siedlungsbau in Kulmbach beginnt
Am 20. Juli 1932 beschloss der Stadtrat diesem Programm beizutreten. Damit war der Grundstein für den bau der Siedlung gelegt.
Den Anfang machten zwölf Siedlerstellen für die "Ärmsten und Kinderreichen" im Bereich südlich der Thurnauer Straße, entlang der Hohen Flur, der Frankenleite und des Hopfenweges. Weil die Baukosten möglichst gering gehaltne werden sollten, verzichtete man oft auf jeglichen Luxus. So wurden einzelne Häuser weder an die Wasserleitung noch an den Kanal angeschlossen. AUf diesen Grundstücken gab es stattdessen Zapfstellen für Trinkwasser, Plumpsklos und Senkgruben, die von Zeit zu Zeit entleert werden mussten und der Inhalt gerne im Garten als Dünger Verwendung fand.
Weil auch die Erschließung in Eigenleistung erfolgte, waren die Wege mehr schlecht als recht. Wie der ehemalige Kulturreferent Hans Stößlein in seinen Stadtteilgeschichten anmerkte, musste sich "das erste Brautpaar der Siedlung, Lorenz Geyer und Gretel Braunersreuther, über das Bauland hinabarbeiten, weil das Auto fürs Rathaus und die Petrikirche nicht zur Siedlung hinauffahren konnte.
Beginn der Siedlerkerwa
Aber die gemeinsame Arbeit hat die Siedler zusammengeschweißt und so gründeten sie am 5. Dezember 1935 die Siedlergemeinschaft und mit Heinrich Nützel wurde ein sehr engagierter "Siedlerbürgermeister" gewählt.
Als zwei Jahre später die Gastwirtschaft "Siedlerheim" eröffnete, wurde erstmals die zünftige Kerwa veranstaltet. Über Jahrzehnte hat sie sich mit ihrem ganz besonderen Flair, mit Lampionumzug, Blasmusik und deftigen Spezialitäten zu einem Besuchermagnet entwickelt.
Wenn der "Siedlerbürgermeister" zum Bieranstich einlud, folgte diesem Ruf alles, was in der Stadtpolitik Rang und Namen hatte. Neben dem Oberbürgermeister waren meist seine beiden Stellvertreter und auch eine stattliche Anzahl von Stadträten unter den Gästen. Eine Cäsur erlebte die Siedlerkerwa, als am 19. Mai 2010 die Gaststätte "Siedlerheim" geschlossen wurde. Die Kerwa wurde danach von den Siedlern mit viel persönlichem Einsatz in Eigenregie durchgeführt.
Leider konnte der ehemalige Siedlerbürgermeister Henning Wagner am 10. August 2018 zum vorerst letzten Mal die Siedlerkerwa eröffnen. Nach einer Pause im Jahr 2019 verhinderte die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr die Durchführung der Siedlerkerwa und voraussichtlich wird es auch in diesem Jahr kein Fest geben.
Für den 2020 ins Amt gewählten Siedlerbürgermeister Götz Kraschewski wird es sicherlich nicht leicht, die Siedlerkerwa wieder aufleben zu lassen.
Die Siedlung heute
Wer heute durch die Siedlimg süauoert. der wird nichts mehr von dem früheren "arme Leute" Image spüren. Das tpyische "Kleinsiedlungshaus" gibt es heute praktisch nicht mehr. bereit in den 1950er Jahren wurden viele dieser kleinen, komfortlosen Häuschen an- und umgebaut und hinzu kamen schmucke Ein- und Mehrfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten, aber auch funktionelle Wohnblocks.
Hermann Müller
Unsere "Siedlerbürgermeister" seit Gründung des Vereins im Jahr 1935
05.12.1935 - Mai 1945: Heinrich Nützel - 10 Jahre
15.03.1946 - 29.03.1947: Georg Hirschmann - 1 Jahr
29.03.1947 - 23.02.1952: Martin Hoffmann - 5 Jahre
23.02.1952 - 11.10.1952: Wilhelm Stenglein - 8 Monate
11.10.1952 - 18.03.1961: Ludwig Röder - 9 Jahre
18.03.1966 - 07.05.1966: Otto Kerrmann - 2 Monate
07.05.1966 - 06.03.1976: Hans Lindner - 10 Jahre
06.03.1976 - 22.02.1986: Manfred Ramming - 10 Jahre
22.02.1986 - 30.06.1996: Robert Sittig - 10 Jahre
30.06.1996 - 09.04.2005: Winfried Brendel - 9 Jahre
09.04.2005 - 15.02.2009: Rainer Bergmann - 4 Jahre
15.02.2009 - 08.02.2020: Henning Wagner - 11 Jahre
09.02.2020 - lfd.: Götz Kraschewski