Anmerkungen zu von der BSR geforderten Straßenreinigungsentgelten für Privatstraßenanlieger

Straßenreinigungsentgelte für Anlieger an Privatstraßen als Hinterlieger zu den nächsten öffentlichen Straßen?

Die dem VHWE angehörenden Gruppenkleinsiedlungen mit Erbbauheimstätten werden – bis auf Ausnahmen – durch Privatstraßen erschlossen. Diese Rechtskonstruktion war – übrigens zu Lasten der Heimstätter – gewählt worden, weil Erbbauberechtigte nach dem preuß. Fluchtliniengesetz nicht zu Anliegerbeiträgen für öffentliche Straßen herangezogen werden konnten. Die Privatstraßen mussten und müssen sie selbst herstellen und instandhalten. Die Stadt Berlin hat über Jahrzehnte dafür Geld gespart und will diesen Zustand nicht ändern. Auch die ordnungsmäßige Reinigung einschließlich Winterdienst oblag und obliegt weiterhin den Siedlern.
Seit November 2004 geistert das Gespenst der Straßenreinigungsentgelte durch unsere Erbbausiedlungen. Die Berliner Straßenreinigungsbetriebe – BSR – haben auf der Grundlage einer eigenen Interpretation des Begriffs „Hinterlieger“ Rechnungen erstellt und wollen kassieren. Nicht etwa, weil man die Privatstraßen nun reinigen würde, sondern weil man die Siedler nun zu Hinterliegern der nächsten öffentlichen Straße machen könnte.
Die Rechnungen werden nur sehr schleppend verteilt. Man hätte erwarten können, nach endlich, weil sehnsüchtig erwartetem grünem Licht durch den Verfassungsgerichtshof (Beschluss vom 13. Juni 2003 – VerfGH 161/00- GE 2003 S. 1076) und das Kammergericht (Urteil vom 23. Oktober 2003 – 8 U 76/03 – GE 2004 S. 49) wären alle seit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung, nach der auch die sogen. Hinterlieger zu Straßenreinigungsentgelten heranzuziehen sind, vor langer Zeit stapelweise vorbereiteten Rechnungen auf einen Schlag zugestellt worden. Die gesetzliche Neuregelung datiert nämlich vom 13. Juli 1988 und ist seit dem 1. Januar 1991 in Kraft. Das ist also 15 Jahre her.
Wenn es gesetzgeberische Absicht gewesen wäre, auch die Anlieger an Privatstraßen der Gruppen- (Klein- ) Siedlungen als Hinterlieger zu Entgelten heranzuziehen, dann hätten die BSR vor 15 Jahren die Rechnungen versenden müssen. Sie hätten somit für 15.000 Grundstücke über 15 Jahre Geld verschenkt. Das wäre unserem Rechnungshof bestimmt nicht verborgen geblieben. Der Begriff „Hinterlieger“ war im Zeitpunkt der Gesetzesänderung mit dem des Erschließungsbeitragsrechts identisch. Der DSB LV war damals über die Absichten informiert und wäre aufgeschreckt, hätte sich eine Entgeltpflicht für unsere Privatstraßen- Anlieger als Gesetzeszweck nur angedeutet.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schreibt in der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Axel Hahn (FDP) – Drucks. 15/12284- Antwort zu 1.: „Die Handlungsweise der BSR ist aufgrund des Urteiles rechtmäßig.“ Die Privatstraßen- Anlieger werden also aufgrund der Rechtsprechung herangezogen, nicht etwa aufgrund des Gesetzes. Man kann sich darüber empören, dass es nun zwei Möglichkeiten gibt, Straßenreinigungsentgelte zu erheben, nämlich „aufgrund gesetzlicher Regelungen oder wie im vorliegenden Fall aufgrund der Rechtsprechung“ (Antwort zu 5.). Aus den Materialien zum Gesetz müsste man die gegenteilige (nämlich unsere) Rechtsauffassung erlesen können. Warum traut man sich nicht, das allzu forsche Vorgehen der BSR zurückzupfeifen? Kann man nicht erkennen, dass die Begründung des KG-Urteils zu einem nicht vergleichbaren Sachverhalt gegeben wurde. Es gehört eine reichliche Portion Querdenken dazu, aus den wenigen in Frage kommenden Sätzen der Begründung diese Rechtsauffassung zu konstruieren – nicht herzuleiten. Auf den Sachverhalt der Entscheidung bezogen ist die Begründung durchaus zutreffend. Die – entgeltpflichtigen – Flurstücke sind (waren) mittlerweile (also erst später) von Privatstraßen durchzogen, die inzwischen sogar öffentliche Straßen sind. Das KG-Urteil hat in diesem Fall auch keine Wirkung für die Zukunft. Nähere Ausführungen zum Begriff eines besonderen, anderen Hinterliegers im Sinne des (Berliner) Straßenreinigungsgesetzes im Gegensatz zu Regelungen in anderen Bundesländern und zum Erschließungs- oder Straßenbaubeitragsrecht lässt das Urteil vermissen. Es ist von einem Grundsatzurteil weit entfernt.
Die Rückendeckung, welche die BSR durch den Senat erhalten, verwundert nicht nur wegen der Verkennung des Hinterlieger- Begriffs, sondern auch wegen der rechtswidrigen Überdeckung; die (rechtswidrigen) Einnahmen übersteigen nämlich die durch die Tarife der BSR zu deckenden Kosten. Bei der Festsetzung der Tarife sind die 15.000 Anlieger- Grundstücke an Privatstraßen – der gesetzgeberischen Absicht entsprechend – richtigerweise unberücksichtigt geblieben. Wäre andererseits die Heranziehung als Hinterlieger rechtmäßig, dann wären die Tarife zu hoch und damit rechtswidrig. Die so – rechtswidrig - herangezogenen Hinterlieger können die Zahlung verweigern. Nach einer neuen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 5. Juli 2005 – X ZR 60/04 - ) ist die Klausel in den Leistungsbedingungen, nach der Einwendungen gegen die Rechnungen nur im Rückforderungsprozess geltend zu machen sind, unwirksam.
Wenn die BSR eine Gleichbehandlung mit Anliegern an öffentlichen Straßen erzielen wollen, dann machen sie Ungleiches gleich. Die Verhältnisse sind derart ungleich, dass es nach Willkür aussieht.
Die mit dem Rechtsschutz des DSB LV geführten Prozesse können bei dieser Argumentation eigentlich nicht verloren werden.

Erhard Anlauf

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