Berlins Schiedsämter: Potential für den Rechtsfrieden - Teil 1

Der Ast wächst über, die Wurzel unter dem Gartenzaun. Das Gewächs wurde sowieso zu dicht an die Grundstücksgrenze gepflanzt, verschattet inzwischen das Nachbargrundstück und droht beim nächsten Sturm sowieso umzufallen. Vermutlich auf den sowieso schief über die Grundstücksgrenze hängenden Gartenzaun. Ein halbes dutzende Gründe, um sich zu verklagen.

Oder eben auch nicht. Es muss nicht sein. Denn viele Lappalien können lange vorher dem Gang zum Gericht von einer jahrhundertealten Institution befriedet werden: Dem Schiedsamt.

Wo Menschen zusammenkommen, gibt es oft Konfliktlagen. Nicht immer können die Beteiligten diese selbst beilegen. Und oft ist der Streit nicht die gerichtliche Auseinandersetzung wert oder vertieft Gräben, die später einem gedeihlichen Miteinander abträglich sind. Man bleibt ja auch nach einem Urteil noch Nachbar. Unparteiische Hilfe bei der Beilegung solchen Streits ist in aller Regel besser, als den Konflikt vor den Richter zu tragen.

Schild Schiedsamt
© M. Priesmeyer

Für das Ehrenamt vereidigt, tragen Schiedspersonen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Privatpersonen bei und können auch in bestimmten Deliktfällen des Strafrechts tätig werden. Schiedsämter bereiten dafür selbständig Schlichtungs- und Sühneverhandlungen vor, führen diese mit den Beteiligten nicht öffentlich durch und dokumentieren Vorbereitung, Durchführung und Ergebnis. Die Vorteile in wenigen Stichpunkten:

  • Das Schiedsverfahren ist unabhängig vom Streitwert mit einer Schiedsgebühr von höchstens 38 Euro (kann ermäßigt werden) zzgl. Auslagen sehr kostengünstig.

  • Das Schiedsverfahren wird nach Eingang des Kostenvorschusses unverzüglich eingeleitet und kann deshalb sehr schnell durchgeführt werden.

  • In einem Schiedsverfahren gibt es keine Sieger und Besiegten, sondern im besten Fall einen Vergleich und damit nur Sieger. Für ein künftig gutes Miteinander ist das eine wichtige Voraussetzung.

  • Der von den Parteien geschlossene Vergleich ist als Titel 30 Jahre lang vollstreckbar.


Schiedspersonen sind völlig unparteiisch und haben einen Eid auf die Amtsverschwiegenheit abgelegt. Als einzige außergerichtliche Schlichtungsstelle kann durch eine Schiedsperson eine (in mehreren Bundesländern ggf. notwendige) amtliche Bescheinigung der eventuellen Erfolglosigkeit eines Schlichtungsversuches ausgestellt werden. Für das Schiedsverfahren ist die Schiedsperson örtlich zuständig, in deren Amtsbezirk die "Gegenpartei" des Antragstellers wohnt. Die beteiligten Parteien können eine abweichende örtliche Zuständigkeit vereinbaren. Wer geladen wird, hat die Pflicht zur Teilnahme - anderenfalls droht ein Ordnungsgeld von bis zu 75 Euro.

Soweit die Theorie, wie Schiedsämter in der Praxis agieren, berichten wir in Teil 2 in der November-Ausgabe.

Malte Priesmeyer
Schiedsmann für den Schiedsbezirk Neukölln-3 und stv. Vorsitzender des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e.V., Landesvereinigung Berlin

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