BSR müssen Entgelte an Anlieger von Privatstraßen zurückerstatten

Fazit und Ausblick zu einem unnötigen Prozess

Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe – BSR – stehen regelmäßig in der öffentlichen Kritik, nicht nur wegen mancher Mängel in ihren Leistungen, sondern auch wegen ihrer Tarifpolitik. Wenn ihre Kosten steigen, müssen auch die Tarife erhöht werden. Man sucht also nach Möglichkeiten, dies zu vermeiden.

In einer im Urteil des Kammergerichts vom 23. 10. 2003 – 8 U 76/03 – zu nachträglich hergestellten Privatstraßen enthaltenen Aussage, die wegen der dort bestandenen Eigentümeridentität falsch gewertet wurde und die aus einer Hilfsbegründung heraus in keiner Weise entscheidungserheblich war, glaubte man die Chance zu sehen, mit der Verteilung der Kosten auf zusätzliche Grundstücksflächen von 10.483.005 m² die Tarife (in Wahrheit ist es nur ein Tarif) ab 2005 senken zu können. Diese Grundstücksflächen, die erschließungsrechtlich ausschließlich von Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs erschlossen werden und deren Anlieger diese Straßen selbst reinigen ( und unterhalten ) müssen, unterlagen zu keiner Zeit der Pflicht zur zusätzlichen Zahlung von Straßenreinigungsgebühren oder –entgelten. (So auch in den anderen Bundesländern) Vom 01. 01. 2005 an erhielten diese Grundstückseigentümer nun Rechnungen von der BSR.

Der Verband Haus- und Wohneigentum, Siedlerbund Berlin Brandenburg e.V. führte zwei Musterprozesse gegen die BSR über das Landgericht Berlin zum Kammergericht. Außergerichtliche Initiativen beim Senat und dem Parlament brachten außer Lippenbekenntnissen keinen Erfolg. Der Petitionsausschuss fand die Entgeltpflicht zwar unbefriedigend, schloss sich aber der Rechtsauffassung der BSR an.

„§ 5 Abs. 1 StrReinG kann nur dahin ausgelegt werden, dass Anlieger von Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs weder Anlieger noch Hinterlieger einer öffentlichen Straße sind. … Bei dieser tatsächlich öffentlichen Straße handelt es sich nicht um eine Zufahrt i. S. v. § 5 Abs. 1 StrReinG.“ Diese klare Feststellung hatte das Kammergericht in zwei Urteilen vom 07. 06. 2007 – 8 U 179/06 und 8 U 180/06 – (GE 07/910) also eindeutig nur zum Berliner Landesrecht getroffen. Das stimmte auch mit der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung seit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung vom 30. Juni 1988, dem 1. Januar 1991, also 15 Jahre lang vertretenen Rechtsauffassung überein. Dort bzw. in der aktuell zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz wird man zu rechtfertigen haben, warum man sie wegen einer fragwürdigen anderen Meinung aus dem Hause der BSR aufgegeben hatte. (Zu dem Meinungsstreit vgl. Thärichen in GE 05/112 und Anlauf in GE 05/277) Das Kammergericht hält an den Ausführungen in dem Einzelrichterurteil vom 23. 10. 2003 nicht fest. Es hat hierzu leider keine klärenden Erläuterungen gegeben.

Die BSR müssen nun die zu Unrecht erhaltenen Zahlungen zuzüglich Zinsen erstatten, was sie allerdings schon vorab zugesagt hatten.

War es der Griff nach dem Strohhalm, war es Trotz, oder sollte es die Rechtfertigung gegenüber anderen Stellen sein, doch alles versucht zu haben? Der BSR mangelte es jedenfalls an Einsicht, diesen eindeutigen Urteilsspruch zum Landesrecht hinzunehmen. Sie legten auch noch Revision ein. Damit war wieder mehr als ein Jahr unnötig verstrichen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in zwei Hinweisbeschlüssen vom 21. 08. und 15. 09. 2008 der BSR klar gemacht: “Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).“ Selbst diese – nahezu peinlichen – Hinweise reichen der BSR nicht für die Rücknahme der Revision. Dem Bundesgerichtshof (BGH) lagen hierzu die Revisionsbegründung, der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Berlin vom 26. 02. 2008 – VerfGH 97/05 – und unsere jeweiligen Erwiderungen vor. Dennoch soll der Bundesgerichtshof (BGH) abschließend entscheiden. Weitere – unnötige – Anwalts- und Gerichtskosten!

Eine solche Abkehr von einer langjährigen und rechtmäßigen Praxis ist kein Verwaltungsalltag. Die Entscheidung, sei sie auch – mit Verlaub sehr zweifelhaft – vorübergehend von Urteilen des Landgerichts Berlin gedeckt gewesen, war von Anfang an in hohem Maße risikobehaftet. Sie konnte auch nicht zu Mehreinnahmen der BSR führen. Warum hat man sich dann auf ein Experimentierfeld gewagt, nur wegen Imagepflege?

Die BSR stehen nun vor mehreren größeren Problemen.
Allein die Rückzahlung der seit dem 1. 1. 2005 zu Unrecht erhobenen Entgelte zuzüglich Zinsen wird sie mit ca. 4.000.000 € belasten. Dem sind die – unnötigen – Verwaltungskosten der Erhebung mit den sicher zahlreichen Protesten sowie der Rückzahlung hinzu zu rechnen.

Entsprach es der Sorgfalt ordentlicher Kaufleute, wenn der Vorstand der BSR ein so hohes Risiko eingegangen war? Hat er den Aufsichtsrat, und wenn ja wie, über die Risikolage bei der Entscheidung über einen anderen Begriff des Hinterliegers informiert?

Durch die rückwirkende Herausnahme der Flächen aus der Verteilungsrechnung seit 2005 (10.483.005 m² von 395.210.270 m²) waren die Tarife um etwa 2,65 % zu niedrig. Die BSR werden voraussichtlich schnellstens die Tarife rückwirkend erhöhen und die Rechnungen aller Entgeltzahler, die nicht von der Rechtsprechung des Kammergerichts betroffen sind, für vier Jahre rückwirkend berichtigen wollen.

Unterstellt man, dass Nachforderungen rechtmäßig wären, stellt sich zunächst die Frage, ob es überhaupt wirtschaftlich vertretbar sein würde, wenn z. B. bei einer Jahresrechnung von 100 € die Nachforderung von 2,65 € durch die Verwaltungskosten, das Porto und die Beantwortung von Protestschreiben übertroffen wird? Diese – hier nicht zu schätzenden - Einbußen wären unwiederbringlich. Das wird wohl im allgemeinen Geschäftsbetrieb abgewickelt und fällt so nicht weiter auf.

Hierzu stellt sich die weitere Frage, ob bei dieser Ausgangslage nach dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 6, Sätze 1 und 2 des Berliner Betriebegesetzes eine Nachkalkulation bzw. Nachforderung überhaupt zulässig ist. Satz 2 stellt nämlich ausdrücklich und ausschließlich auf „etwaige Abweichungen von den im Zeitpunkt der Tarifgenehmigung angenommenen Kosten“ ab. Die Kosten stehen aber nicht im Zweifel. Die Nachforderungen der BSR würden eine Fehlentscheidung des Vorstandes ungeschehen machen.

Nach der Auflistung dieser Probleme und anschließender Rechtsfragen wird zu entscheiden sein, wer für den Schaden der BSR aufzukommen hat. Werden die BSR und die zuständigen Stellen des Landes Berlin auf die Verursacher zurückgreifen? Sind diese Personen gegen der-artige Vermögensschäden insgesamt ausreichend versichert? Die Kunden der BSR oder gar die Steuerzahler trifft jedenfalls keine Schuld!

Erhard Anlauf

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