Schimmelgefahr?
Januar 2023
Die Gründe fürs Dämmen liegen auf der Hand: Wer sein Haus dämmt, verbraucht weniger Heizenergie und produziert dadurch weniger CO2. Das Dämmen einer Immobilie ist daher bei Neubauten inzwischen Standard. Dennoch zögert manch Eigentümer, wenn es ums Dämmen von älteren Gebäuden geht. Das Einpacken der Gebäudehülle verschlechtert das Klima im Innenraum und fördert Schimmel, sagen Dämmkritiker. Vorurteil oder Tatsache?
Dann wurde ihr Traum Wirklichkeit. Zusammen mit ihrem frisch gebackenen Ehemann kaufte Christina Hoffmann aus Königswinter (* Name wurde geändert) ihr freistehendes Siedlerhaus, Baujahr 1958. Das Haus musste von Grund auf modernisiert werden: es wurde entkernt, neue Böden und Wände ließ das Paar einziehen. Nur eine Frage ließ den Hoffmanns lange keine Ruhe.
Dämmen - ja oder nein?
Sie wägten das Für und Wider des Dämmens ab und besprachen sich mit ihren Nachbarn. Die meisten in der Siedlung rieten Christina und ihrem Mann vom Dämmen ab. Seit Dämmplatten an ihrer Hauswand hängen würden, wäre es aus mit dem angenehmen Raumklima. Auch monierten mehrere Nachbarn, dass sie seit dem Dämmen mehr Probleme mit Schimmel hätten als vorher.
Es gibt die weit verbreitete Wahrnehmung, dass sich in gut gedämmten Häusern oder Wohnungen häufiger Schimmel breit macht. "Grundsätzlich stimmt das nicht", sagt Philipp Mahler, Experte für Bautechnik bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Im Gegenteil. Er erklärt, dass Schimmel sogar häufiger in älteren ungedämmten Gebäuden auftauche, welche fehlerhaft teilsaniert worden sind.
Fehler fördern Schimmel
Eine fehlerhafte Teilsanierung kann schon im Einbau neuer, sehr dichter und wärmegedämmter Fenster liegen. Vor einer Sanierung gab es über die alten, undichten Fenster einen permanenten Luftaustausch, der die Feuchtigkeit aus dem Gebäude schaffte. Nach dem Einbau energetisch hochwertigen Fenster findet der Schimmel nun plötzlich beste Wachstumsbedingungen vor, wenn man diese Feuchtigkeit nicht ausreichend "weglüftet".
Der geringe Luftaustausch hat vor allem damit zu tun, dass neue Fenster selbst wesentlicher besser abdichten und auch dichter eingebaut werden. Ist die Außenwand trotz neuer Fenster nicht gedämmt, bleibt sie bei kalter Witterung auch auf der Innenseite kühl. An kalten Innenwänden kühlt feuchte Luft aber schnell ab und die relative Luftfeuchtigkeit im Raum steigt an. Liegt sie über 80 Prozent, kann das bereits Schimmel begünstigen.
Dämmen schützt
Bei diesem Punkt gibt es für Verbraucherschützer Philipp Mahler keine Diskussion: Eine wärmegedämmte Außenwand bleibt auf der Innenoberfläche wärmer als eine nicht gedämmte Wand. Je wärmer die Wandoberfläche bleibt, desto geringer sind die relative Luftfeuchtigkeit an ihr und damit das Schimmelrisiko. Ganz anders als die Hoffmanns und ihre Nachbarn dachten, verursacht das Dämmen der Haushülle nicht den Schimmel, sondern sie schützt davor. "Wie viel Feuchtigkeit aber in das Haus gelangt - darauf hat die Dämmung der Wand eben keinen Einfluss", resümiert Mahler.
Gute Planung wichtig
"Die genaue Planung der Lüftung ist wichtig, damit dauerhaft ausreichende Mengen Luft in das Haus herein und wieder hinaus gelangen", erklärt der Experte der Verbraucherzentrale NRW. Die Menschen selbst tragen mit ihren Aktivitäten viel Feuchtigkeit in das Gebäude hinein und reichern die Luft durch Kochen, Duschen und durchs Atmen mit Feuchte an. "Diese Feuchtigkeit", so Mahler, "kann das Gebäude nur mit der Luft wieder verlassen. Bleibt die Feuchte Luft im Haus, steigt das Risiko von Schimmel."
Lüftung ist A & O
Bei einer Teilsanierung wie dem Fensteraustausch, einer Vollsanierung oder einem Neubau müssen Bauherren daher die Lüftung ausreichend planen. Regelmäßige Stoßlüftung reicht meist. Architekten, Ingenieure oder Handwerksbetriebe erstellen aber auch regelrechte Lüftungskonzepte. "Damit überlegen Sie als Eigentümer zusammen mit einem Experten, wie die Luft in das Haus hinein und wieder hinaus kommt". Die Bauberatung des Verbands Wohneigentum informiert zu Fragen des Dämmens und Lüftens, ebenso unser Kooperationspartner, der Bauherrenschutzbund.
Anna Florenske