Ohlerfeld
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Von der Stadt Mönchengladbach wurde das zum Teil ausgekofferte Gelände der Ziegelei in Ohlerfeld den Siedlern zur Bebauung zur Verfügung gestellt.
Ohne Geld, aber mit viel Mut und Gottvertrauen begannen die ersten Siedler mit der Errichtung ihrer Familienheime.
Das erste Haus in Ohlerfeld war ein Fachwerkhaus. Schon im Frühjahr 1948 wurde mit dem Bau begonnen - also noch vor der Währungsreform. Die Betonsteine für die Fundamente und Kellerwände fertigten die Siedler in harter Knochenarbeit in einer Steinklopfmaschine selbst an. Die Träger für die Kellerdecken waren - von den Stadtwerken billig erworbene - Straßenbahnschienen. Den Kies für den Beton holte man aus den Gruben im Baugelände. Das größte Problem war das Heranschaffen des Wassers. Da es weder Wasser, noch Strom und Gas im Ohlerfeld gab, musste es mit einer Kalkskuppe ein paar hundert Meter weit weg von einem Hydranten auf der Straße vor dem Hof des Bauern Cohnen geholt werden.
Das gesamte Material wurde von der Siedlergemeinschaft bezahlt, auch das Holzgerippe für das Fachwerkhaus, das zugeschnitten für 6.000 Reichsmark aus Schweden beschafft worden war.
Nach der Währungsreform unterstützte die Stadt die Gruppe finanziell aus dem Topf des sogenannten ,,Gas- und Wasserpfennig" der Stadtwerke. Andere öffentliche Mittel gab es noch nicht, die Unterstützung mit Landesmitteln aus Düsseldorf war noch nicht erfunden. Im Sommer 1948, kurz nach der Währungsreform, wurde das im Bau befindliche Fachwerkhaus von Herren des Rates und der Verwaltung besichtigt. Dabei ging es insbesondere darum, festzustellen, ob sich eine stärkere Unterstützung, vor allem finanziell, durch die Stadt lohne. Die Kommissionsmitglieder zeigten sich vom Arbeitswillen und der sauberen Arbeit sehr beeindruckt. Hilfe in jeder Form wurde von allen Seiten zugesagt.
Eine kleine Begebenheit am Rande: An der Besichtigung nahmen auch der neue Oberbürgermeister Peter Nonnenmühlen und der Beigeordnete Alois Wenten teil. Beide waren - wie alle anderen - von der Leistung der Siedler überrascht, zumal die überwiegende Mehrzahl der Siedler nicht aus Bauberufen kamen. Als ein Mitglied der Kommission meinte: ,,Das Haus ist ja ganz nett, aber wohl doch ein bisschen klein für eine Familie mit Kindern," sagte der Beigeordnete Wenten leicht verärgert: ,,Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder wir warten auf mehr Geld, und das kann 10 Jahre dauern, oder wir machen so wie hier weiter. Was glauben Sie, womit den Menschen mehr geholfen ist?“
Am 20. Juni 1949 konnte dieses erste Siedlerdoppelhaus bezogen werden. Allen Unkenrufen zum Trotz hatten die Siedler in 13 Monaten dieses Haus gebaut.
Zwei Flüchtlingsfamilien zogen ein. Damit wollten die Siedler ein Zeichen setzen. Und auf noch etwas wurde Wert gelegt, die Familie in der linken Haushälfte war katholisch, die in der rechten war evangelisch. Zwei Wochen später wurde unter großer Anteilnahme der Siedler und vieler Gäste aus Rat und Verwaltung vom Aachener Bischof Johannes Josef van der Velden im Nachbarhaus der Grundstein gelegt.
Dieser Grundstein war etwas besonderes. Es war ein Eifeler Vulkanstein aus dem Chor des zerbombten Münsters auf dem Abteiberg. Die Idee dazu kam von Fritz Höttges. Der Geschäftsführer des Münsterbauvereins Hans Bange bestätigte in einem Begleitschreiben, dass dieser Vulkanstein 1270 im Chor des Münsters verlegt worden war. Nach der Grundsteinlegung wurde das schon bezogene Fachwerkhaus eingesegnet, die katholische Seite vom Bischof, die evangelische vom Superintendenten Weiß.
Bei dieser Gelegenheit fragte Oberbürgermeister Nonnenmühlen einen der beiden Besitzer: ,,Herr Klaftke, ein recht nettes Häuschen, nicht wahr?“ ,,Ja“, kam die zögerliche Antwort, ,,nur alles ein bisschen eng, vor allem die Kinderschlafzimmer oben.“ ,,Papperlapapp,“ entgegnete der OB, ,,mein Studierzimmer war noch kleiner, und bin ich nicht trotzdem ein recht brauchbarer Mensch geworden?“.
Die Weichen waren gestellt, nun konnte Ohlerfeld wachsen. Die Unterstützung durch die Stadt war sichergestellt, dazu gab es finanzielle Hilfe in Form von Landesmitteln aus Düsseldorf, und auch die Stadtsparkasse hatte die anfänglichen Bedenken zurückgestellt. Aber dies hatte ebenfalls seine Vorgeschichte.
Vorher hatte ich erwähnt, dass die Siedler mit Mut und Gottvertrauen ans Werk gingen. Aber schon nach wenigen Wochen stellte sich heraus, dass dies allein nicht genügte, denn es fehlte eine erfahrene, ordnende Hand.
Der erste Oberbürgermeister der Stadt, Wilhelm Elfes, gab dem neu in der Verwaltung tätigen Bauingenieur Wilhelm Dabakow den Auftrag, sich um die im Ohlerfeld werkelnden Siedler zu kümmern. Dabakow gelang es, die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft als Träger für die Siedlergruppe zu gewinnen. Der Genossenschaft ist diese Entscheidung sicherlich nicht leicht gefallen. Sie hatte zwar in den frühen 30er Jahren Erfahrungen mit dem Bau von Wohnsiedlungen in Windberg sammeln können, aber dort waren die Häuser von Unternehmen gebaut worden. Die große Unbekannte bei dem Bauvorhaben in Ohlerfeld war die Selbsthilfe, die ,,Muskelhypothek“. Die Männer, die hier bauen wollten, kamen überwiegend aus Fremdberufen, waren also keine Bauarbeiter. Ob das gutgehen konnte?
Dass es gutgegangen war, bewies die Grundsteinlegung im Juli 1949. Alle, die daran teilnahmen, waren von der Leistung der Siedler begeistert.
Ohlerfeld wächst zur größten
Familienheim-Siedlung der Stadt
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde davon, dass im Ohlerfeld etwas Besonderes geschah, um die Wohnungsnot schnell zu beheben. Neue Siedlergruppen entstanden. Alle neuen Siedler bedrängten die Stadt, Bauland zur Verfügung zu stellen. Bis auf wenige kleinere Parzellen im Stadtgebiet blieb nur Ohlerfeld als größeres zusammenhängendes Baugebiet übrig. Es kam unter den Bewerbergruppen zu Rangeleien.
Die größte der neuen Gruppen war die von Landwirtschaftsrat Hermann gegründete ,,Neue Heimat“. Waren die Bewerber in der Selbsthilfegemeinschaft Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene, so bestand die Neue Heimat ausschließlich aus Flüchtlingen und Vertriebenen.
Im Sommer 1949 begannen sie mit dem Bau von 52 Familienheimen in Ohlerfeld.
Und noch eine weitere Gruppe begann mit dem Bauen. Der Franziskanerpater Kajetan-Esser hatte junge Familien ohne Wohnung und heiratswillige junge Menschen um sich gesammelt. Sie nannten sich CAJ-Siedlergruppe. Auch sie bauten in einem ersten Abschnitt 4 Familienheime.
Im Mai 1954, alle anderen Häuser waren fertig und bezogen, trat eine neue Gruppe in Ohlerfeld an. Diese Gruppe, die sich später den Namen ,,Siedlergruppe Weiss“ gab, setzte sich zusammen aus übriggebliebenen Bewerbern der Selbsthilfe, Neue Heimat und CAJ. Betreut wurden auch sie von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft von 1897 e.G., wie alle vorherigen Bewerber auch schon. Die Häuser waren gegenüber denen der älteren Gruppen größer und moderner. Es waren die ersten mit Badezimmer und einer Toilette mit Wasserspülung. In 2jähriger Bauzeit entstanden 20 Familienheime.
In der Stadt Mönchengladbach hatte sich in der Zwischenzeit eine weitere große Bewerbergemeinschaft gebildet, das ,,Anton-Heinen-Werk“. Mit Erfolg bewarb sie sich ebenfalls um Grundstücke in Ohlerfeld. 1955 begann sie mit dem 1. Bauabschnitt. Gegenüber dem anderen Gruppen änderte sich einiges. Die bebaubaren Flächen wurden kleiner, so mussten auch die einzelnen Grundstücke kleiner werden. Zum ersten Mal wurden nicht nur Kleinsiedlungen gebaut, sondern auch Eigenheime. Der Unterschied bestand in der Grundstücksgröße und in einigen Änderungen der Förderung. Die Kleinsiedlung musste mindestens 800 m2, das Eigenheim konnte auf Grundstücken bis 400 m2 gebaut werden.
Von den 17 Familienheimen des ersten Bauabschnittes waren 9 Eigenheime und 8 Kleinsiedlungen. Eine weitere Änderung war, dass die meisten Häuser von Unternehmen errichtet wurden. Und noch etwas änderte sich: anstelle des bewährten Trägers Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft wurde die Gladbacher Aktienbau Gesellschaft Betreuer der Gruppe.
Fast gleichzeitig mit dem Anton-Heinen-Werk begann eine Gemeinschaft, die dem Ring Deutscher Siedler (RDS) angeschlossen war, mit dem Bau von 20 Familienheimen am Ziegelgrund. Hier wurde wieder nur in Selbsthilfe gebaut. Betreuer war der Bauring, eine Trägergesellschaft, die aus dem RDS hervorgegangen war.
In rund 10 Jahren war aus der Wildnis auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei im Ohlerfeld eine schöne geschlossene Wohnsiedlung entstanden. Die Stadt hatte nach langen Verhandlungen und Protesten der Siedler die Straßen ausgebaut, und in Andeutungen war sogar eine Geschäftsstraße entstanden. Neben dem Gasthof hatten sich ein Lebensmittelgeschäft und ein Friseur niedergelassen. Die Straßenverbindung zwischen der Siedlung und ,,Alt-Ohler“ war geschaffen worden, und die Buslinle 19 verband die Siedlung mit dem Zentrum der Stadt.
Noch zwei Gruppen des Anton-Heinen-Werkes bauten 1961 und 1962 ihre Familienheime in Selbsthilfe. Es waren die letzten Selbsthilfegruppen-Maßnahmen in Ohlerfeld. 1961 entstanden unter der Trägergesellschaft des Sozialwerks Köln 14 Häuser in der Dahlfuhr und 1962 19 Häuser am Hütterbaum. Hier war die altbewährte Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft von 1897 e.G. wieder der Träger.
Aber damit ist die Bautätigkeit nicht zu Ende. Die Siedlung wächst und dehnt sich aus. Nach Süden ist das Gelände bis zum Friedhof, nach Westen bis zum Mittleren Ring und nach Norden bis zur Kabelstraße bebaut. Man mag darüber streiten, ob die neuen Familienheime zu Ohler auf der einen Seite und nach Speick auf der anderen und nicht zu Ohlerfeld gehören, aber wenn man als Spaziergänger durch die ,,Ortschaft“ geht, sieht man keine Grenzen. Es stellt sich wie eine geschlossene Wohnsiedlung dar.
Langsam, aber unaufhaltsam ändert sich das Gesicht der Siedlung, und das liegt nicht nur an den Neubürgern. Auch im Kern, bei den Altsiedlern ist vieles verändert und verbessert worden. Die ersten Häuser waren reine Zweckbauten, ausgerichtet darauf, möglichst schnell ein Heim für meist große Familien zu werden. Es waren einfache, fast schmucklose Bauten, außen verputzt und weiß gestrichen, ohne WC und Badezimmer, im Obergeschoß mehrere recht kleine Schlafzimmer (um die Kinder unterbringen zu können).
Heizung war für die ersten Häuser ein Fremdwort. Nur zwei Zimmer im Untergeschoß konnten beheizt werden. Und dennoch, die Siedler, die so zu einem eigenem Haus gekommen waren, waren stolz und glücklich.
Nur einige Häuser sehen heute noch so aus wie am Anfang. Die meisten sind verklinkert, viele haben neue Dächer, Fenster
und Türen sind neu eingebaut. Einige haben Anbauten oder Umbauten und die Wohngärten haben die Nutzgärten verdrängt. Alles wirkt aufgelockerter und bunter. Der individuelle Geschmack kommt deutlich zum Vorschein. Trotzdem ist die gemeinsame Wurzel der einzelnen Gruppen deutlich zu erkennen.
Die Änderungen im Innern sind noch größer. In allen Häusern sind Badezimmer eingebaut worden. Viele haben aus zwei Zimmern durch Abriss einer Wand für größere Wohn- oder Schlafzimmer gesorgt.
Aber auch die Menschen, die die Häuser bewohnen oder bewohnten, ändern sich langsam, fast unbemerkt und doch unaufhaltsam.
Viele Siedler der Gründergeneration haben uns verlassen. Sie haben ihr Haus mit Garten gegen ein kleines Stückchen Land auf dem Friedhof Ohler, dem Gottesacker, wie unsere Großeltern den Friedhof nannten, eingetauscht. In vielen Häusern lebt heute die zweite, ja in manchen sogar die dritte Generation. Einige Familienheime haben neue Besitzer bekommen, weil keines der Kinder das Haus der Eltern übernehmen wollte oder konnte.