An der Siep

Geschichte einer Straße mit großer Vergangenheit


Die Siep, ein kleiner Wasserlauf in einer Wiesenumgebung, gewann an Bedeutung, als sich im Frühjahr 1933 eine Gruppe von damals vorwiegend Arbeitslosen zusammenschloss, um hier ihren Traum, ein Eigenheim, zu verwirklichen.

Sie wollten mit einer so genannten „Muskelhypothek“ einen Teil der Baukosten einsparen, weil sie sonst nicht in der Lage waren, ein Haus zu finanzieren.
Damit dieses Unternehmen nicht zum Scheitern bestimmt war, schlossen Sie sich zur „Arbeitsgemeinschaft der Siedleranwärter Mönchengladbach und Rheydt e. V.“ zusammen.

Dieser Verein wurde am 1. März 1935 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Mönchengladbach, mit der damals lautenden Zielsetzung, eingetragen:

Zitat:

In Ergänzung und Unterstützung staatlicher und kommunaler Maßnahmen

das Wohnungselend zu mildern
erwerbs- und mittellosen Volksgenossen eine menschenwürdige Heimstatt zu verschaffen
die Fürsorgelasten zu verringern
den Volksgenossen die Möglichkeiten zu bieten, durch eigene Arbeit ihren Anteil am Wiederaufbau der deutschen Volksgemeinschaft beizutragen.

Die Zielsetzungen und Leistungen des Siedlerbunds wurden natürlich entsprechend überarbeitet, der heutigen Zeit angepasst, und gehen weit über die damaligen Zielsetzungen hinaus.

Die Aufgaben und Ziele des Verband Wohneigentum e.V. sind.

Vom frischen Siedlergeist beflügelt brachen die ersten Siedler mit einfachstem Werkzeug, von Hand, ein altes Fabrikgelände ab und gewannen so einen Großteil des benötigten Rohmaterials für die neu zu errichtenden Häuser.
Im Mai 1935 war endlich Grundsteinlegung und es entstanden binnen eines Jahres 26 Eigenheime, welche ausschließlich in Eigenleistung gebaut wurden.

Am 2 September 1936 zogen die letzten Familien ein.
Die Siedlung stand unter der Aufsicht des Reichsheimstättenamtes der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront.

Damals gängige Ansicht war:
„Wer Besitz hat kämpft auch für das Vaterland.“

Daher mussten neue Siedler bei Einzug Siedlerfragebögen ausfüllen. Neben Auskünften über frühere berufliche Tätigkeiten und Angaben zur finanziellen Lage waren auch die damals offenbar üblichen Fragen nach politischem Interesse, arischer Herkunft und militärischer Ausbildung zu beantworten.

Die Häuser waren so gebaut, dass man sie mit einer Familie mit 5 Kindern bewohnen konnte, aber dennoch lebten hier auch bis zu 12 köpfige Familien.

Der groß angelegte Garten sollte den Familien zum Obst- und Gemüseanbau dienen. Es darf noch bis heute Klein- und Mittelvieh gehalten werden, wofür man normalerweise eine Genehmigung der Stadt braucht.
Haus und Grundstück waren so ausgelegt, dass man fast autark leben konnte. Die Gärten mussten nach strengen Regeln angelegt sein und sahen somit fast überall gleich aus. Genaue Vorgaben für die Gartenanlagen wurden vom Gauheimstättenamt in Düsseldorf erstellt.

Die gute Laune über das eigene Heim hielt nicht ewig an. Am 24 März 1937 wurde der Konkurs wegen Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschaft eröffnet. Laut Unterlagen war der Vereinsführer inhaftiert worden. Er war wohl in diverse ehrenamtliche und hauptberufliche Tätigkeiten verstrickt und dürfte u. U. einen Teil des Vermögens (Geldes) veruntreut haben. Lt. Angaben älterer Siedler ist mündlich übermittelt, dass ein Kassenführer Geld veruntreut hat. (Möglicherweise handelt es sich hier um den gleichen Sachverhalt.)

Von nun an ging es zunächst abwärts mit dem Projekt. Die Siedlergemeinschaft musste im Rahmen des Konkursverfahrens das gesamte Siedlungsgelände an die SSK abtreten. Nach mündlicher Überlieferung sollte daraufhin das Gelände an die Firma Pferdmenges, die hier in Giesenkirchen eine der größten Spinnereien war, verkauft werden und die Häuser sollten zukünftig als Werkswohnungen dienen. Dies hätte geheißen, dass die eigentlichen Erbauer die Häuser ohne Ablöse hätten verlassen müssen.


Entrüstet von dieser Entscheidung wandten sich einige Siedler an die Reichsregierung. Daraufhin soll veranlasst worden sein, dass die Stadt Rheydt die Trägerschaft über die Grundstücke übernahm. So konnten die Erbauer, also die Siedler, die Häuser in ihrem Besitz behalten (schriftlich belegt ist die Grundbucheintragung am 25. April 1942, dass die Grundstücke Reichsheimstätten seien. Ausgeber ist die Stadtgemeinde –eingetragen mit dem Rang vor den Hypothekeneintragungen der SSK in Rheydt)

Die Heimstätten standen von da an unter dem Schutz des Reichsheimstättengesetzes. Das Reichsheimstättengesetz wurde erschaffen, um dem „Heimstätter“ und seiner Familie das Heim zu erhalten. Der Stadt stand ein Vorkaufsrecht an den Siedlerstätten zu, die Stadt hatte auch ein Mitspracherecht bei baulichen Veränderungen und finanzieller Belastung des Objekts. Das Heimstättenrecht schützte andererseits vor Verfall der Heimstätte durch Zwangsversteigerung bei Überschuldung des Siedlers
Bis 01.10.1993 war dieses Gesetz in Kraft.

Die Siedlungshäuser stehen, bis auf einige bauliche Veränderungen, heute noch, da sie trotz des massiven Beschusses der ortsansässigen Industrie im 2. Weltkrieg verschont blieben. Die Bevölkerung fand meist im nahe gelegenen Bunker Schutz. Nur ein Siedler fand im 2. Weltkrieg den Tod.



Die Siedlerstätten befinden sich heute noch zum großen Teil im Besitz der ursprünglichen Erbauerfamilie.
Der letzte Siedler von 1936 verstarb im Dezember 1995 im Alter von 91 Jahren.

Giesenkirchen - Alt

Ein Siedlerhaus wandelt sich im Laufe der Zeit und passt sich so den Bedürfnissen an

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    Das Haus im Originalzustand um 1940 Foto: © Archiv

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    Im Sommer 1966 Foto: © Archiv

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    So sieht es im Sommer 2008 aus Foto: © E.N.

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