Wohnen im Alter - oder: Wie wollen wir morgen leben?"

Herausgeber

Bundesarbeitsgemeinschaft der

Senioren-Organisationen e.V.

(BAGSO)

Bonngasse 10

53111 Bonn

PRÄAMBELDie meisten Menschen möchten auch im hohen Lebensalter in der privaten Häuslichkeit und in der vertrauten Nachbarschaft leben.

Ob sich dieser Wunsch noch realisieren lässt, wenn körperliche Beeinträchtigungen vorhanden sind bzw. Hilfe und Unterstützung notwendig werden, hängt nicht nur von einer guten Hilfsmittelversorgung, sondern wesentlich von der Gestaltung und Ausstattung der Wohnung und des Wohnumfeldes ab.

Die Wohnung bietet Schutz, Geborgenheit und Sicherheit. Das Gefühl des "Zu-Hause-Seins" ist in jedem Lebensalter wichtig.

Weil Ältere im Allgemeinen mehr Zeit zu Hause verbringen als jüngere Menschen, gewinnen die Wohnung und das Wohnumfeld mit dem Alter zunehmend an Bedeutung.

Wohnen ist eingebettet in den sozialen Raum der Nachbarschaft, des Quartiers, eines Stadtteils oder Dorfs. Der Lebensort bildet die Nahtstelle zum öffentlichen Raum.

Auch alte Menschen möchten am gesellschaftlichen Leben teilhaben, stoßen jedoch oft auf Barrieren, die sie daran hindern.

Diese Hindernisse abzubauen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Außerhäusliche Mobilität ist eine zentrale Dimension der Lebensqualität, ist geradezu Voraussetzung für körperliche, geistige und soziale Aktivitäten, die zu einem gesunden Altern beitragen. Sie zu erhalten, muss deshalb das Ziel einer Wohnungspolitik für alle Lebensalter sein. Barrierearme Wohnumwelten und alltägliche Aktivitätsräume sind wesentliche Bausteine einer lebenswerten und alternsgerechten Infrastruktur.

Das Thema ?Wohnen im Alter? sollte daher nicht auf die besondere Lebenslage betagter oder pflegebedürftiger Menschen verengt werden.

Aktuell besteht ein erheblicher Mangel an alternsgerechtem Wohnraum. Anpassungen des Bestandes sind daher dringend nötig. Spezialisierte Wohnberater, zertifizierte Handwerksbetriebe, Verbraucherzentralen und Bausparkassen können Kenntnisse und Informationen über praktikable Umbaulösungen, mögliche Kosten, Finanzierungswege sowie alternative Wohnformen vermitteln.

In den Kommunen sollten Informationen zu qualifizierten Anlaufstellen vorhanden und leicht zugänglich sein. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zukunftsorientierte Wohn- und Lebensformen für ältere und hochbetagte Menschen zu schaffen. Entsprechend gibt es auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene eine Reihe von Initiativen und Programmen. Der Trend zu neuen Wohn- und Lebensformen unterstreicht die Vielfalt des Wohnens und Lebens auch im Alter. Gemeinschaftliche Wohnformen können eine Option sein, selbstbestimmtes Leben mit Hilfe und Unterstützung in einer vertrauten Gemeinschaft, einer integrierten Nachbarschaft, zu verbinden.

Darüber hinaus kommt der Förderung des Zusammenlebens in Wohnquartieren eine wachsende Bedeutung zu. Hierzu bedarf es der Mitwirkung vonseiten der Bürgerinnen und Bürger, der örtlichen Vereine, Verbände und Initiativen, aber auch der Kommunen und des Staates. Nicht zuletzt angesichts des wachsenden Hilfebedarfs in einer älter werdenden Gesellschaft wird es in Zukunft verstärkt darauf ankommen, dass sich Menschen aller Generationen, Kulturen und Milieus aktiv an der Gestaltung des sozialen Miteinanders in ihrem Wohnquartier beteiligen.

Die künftige Wohn- und Lebensqualität wird entscheidend davon abhängen, dass sich die dort Lebenden für ihr Quartier einsetzen. Aufgabe der kommunalen Sozialplanung und Stadtentwicklung ist es, dem dazu notwendigen bürgerschaftlichen Engagement Raum und Unterstützung zu geben und damit eine mitverantwortliche Nachbarschaft im Sinne einer ?Caring Community? (sorgende Gemeinschaft)2 im Quartier zu fördern.

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Wohnen im Alter wird oft mit einem Leben im Heim oder in einer Altenwohnanlage gleichgesetzt, doch solche und andere Sonderwohnformen sind die Ausnahme. 95 Prozent der 16,7 Millionen Menschen in Deutschland, die mindestens 65 Jahre alt sind, leben in normalen Wohnungen. Das gilt auch für 89 Prozent der vier Millionen Menschen, die 80 Jahre und älter sind. Zwei Drittel der knapp 2,5 Millionen Pflegebedürftigen, von denen 83 Prozent älter als 65 Jahre und 36 Prozent sogar 85 Jahre oder älter sind, werden im Privathaushalt versorgt (Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2011 - Deutschlandergebnisse).

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Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt des Siebten Altenberichts der Bundesregierung ?Sorge und Mitverantwortung in der Kommune ? Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften

A. WIE WOLLEN WIR MORGEN LEBEN? ? Allein oder gemeinsam mit anderen in bezahlbaren und barrierearmen Wohnraum

1. Wir fordern bezahlbares Wohnen im Alter.

Die Kosten für das Wohnen setzen sich aus verschiedenen Posten zusammen: Miete oder Darlehens- und Zinstilgung, Nebenkosten, Energiekosten. Im Alter sinkt in der Regel das verfügbare Einkommen und entsprechend steigt der prozentuale Anteil, der für die Wohnkosten aufgebracht werden muss.

Das Wohnen bei guter Qualität bezahlbar zu halten, ist eine Aufgabe vieler: Die Kommune legt die Grundsteuer, die Abgaben und die Preise für kommunale Grundstücke fest. Das Land bestimmt die Grunderwerbsteuer, der Bund die Energiesteuer.

Wir fordern die Politik aller Ebenen auf, den Kostenanteil des Wohnens in Grenzen zu halten und auf eine familien- und altersfreundliche Gestaltung der Kostenstrukturen zu achten. Das gesetzliche Wohngeld für Mieter und der Lastenzuschuss für selbstnutzende Wohneigentümer müssen der Kostenentwicklung entsprechend angehoben werden.

Der 2010 gestrichene Zuschuss zu Heizkosten ist bedarfsgerecht wieder einzuführen.

Die Länder sind auch mit Blick auf Menschen mit geringem Einkommen in der Pflicht, den sozialen Wohnungsbau neu zu beleben, der von vornherein alternsgerecht sein sollte. Investitionen in nachhaltige, familienphasen und alternsgerechte Neubauten sowie in eine entsprechende Bestandssanierung sind zu fördern.

2. Wir fordern mehr barrierearme Häuser und Wohnungen.

Immer mehr Menschen in Deutschland werden immer älter und die meisten wohnen in Häusern, die vor 1978 gebaut wurden. Dieser Wohnraum ist in aller Regel nicht altersgerecht. Schon jetzt fehlen mindestens 2,5 Millionen barrierearme Wohnungen, Tendenz steigend.3

Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen werden durch bauliche Barrieren wie Treppen oder fehlende Aufzüge, Standard-Bäder und enge Grundrisse eingeschränkt.

Diese Hindernisse für ein selbstständiges Wohnen und Leben gilt es zu beseitigen.

Das Programm ?Altersgerecht Umbauen? der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet vergünstigte Kredite zur Anpassung des Bestands. Die Hauptzielgruppe der Seniorinnen und Senioren möchte jedoch keinen Kredit aufnehmen oder erhält aufgrund des Lebensalters nur unter Schwierigkeiten ein Darlehen. Über einen Zuschuss ließen sich vielfältige Einzelmaßnahmen einfach und flexibel umsetzen. Wir fordern, das KfW-Programm ? wie im Koalitionsvertrag angekündigt ? durch die erneute Einführung eines Zuschusses zu ergänzen und es dauerhaft finanziell ausreichend auszustatten.

Gesetzliche und vertragliche Rückbaupflichten von Mietern sind bei Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit nicht mehr zeitgemäß und auch nicht sinnvoll. Das Mietrecht ist entsprechend zu reformieren.

3 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ? BMVBS (Hrsg.): Wohnen im Alter, Heft 147, Berlin 2011, S. 11.

3. Wir fordern gesetzliche Grundlagen, die barrierefreies Wohnen bei Neubauten und Kernsanierungen fördern.

Neubauten sollten so angelegt sein, dass sie ein barrierefreies oder zumindest barrierearmes Wohnen ermöglichen. Beispielsweise müssen Schwellenfreiheit, Türbreiten für Rollatoren, Fenstergriffe, die vom Rollstuhl aus leicht bedienbar sind, bodengleiche Duschen, WCs in Sitzhöhe mit Aufstehhilfe und die Lage der wesentlichen Wohn- und Funktionsräume auf einer Ebene Standard werden. Die Baukosten für barrierearmes oder besser noch: barrierefreies Bauen und Sanieren sinken, wenn zur Regel wird, was heute noch als Sondermaß oder Sonderanfertigung gilt.

Aber auch unterhalb der Schwelle von Barrierefreiheit im engeren Sinn fordern wir Vorgaben in den Bauordnungen, mit denen die Normen für familienphasen- und alternsgerechtes Bauen effektiv angepasst werden.

4. Wir fordern die Vielfalt unterstützender Wohnformen.

Allein zu leben kann, muss nicht mit Einsamkeit einhergehen und zu einer bedrückenden Begleiterscheinung des Älterwerdens werden. Dennoch wünschen sich die allermeisten Menschen auch für die Lebensphase, in der viele nicht mehr mit ihrer Familie oder mit einem Partner zusammenwohnen, in den vertrauten ?vier Wänden? bleiben zu können.

Dieser Wunsch lässt sich auf Dauer nur realisieren, wenn nachbar-schaftliche und organisierte Hilfe am Wohnort, gegebenenfalls im Haus oder in derselben Wohnung, vorhanden ist.

Für Menschen, die nicht allein leben wollen oder können, darf das Leben im Heim nicht die einzige Alternative sein. Wir fordern, alternative Wohnformen wie gemeinschaftliches Wohnen, Wohnen für Hilfe und Pflege-Wohngemeinschaften sowohl durch die Einbeziehung von Sozialprogrammen als auch durch barrierefreie bauliche Anpassungsmaßnahmen zu fördern.

5. Wir fordern die Entwicklung und Verbreitung technikbasierter Assistenzsysteme.

Neben informellen und professionellen Hilfen kann eine Reihe technischer Assistenzsysteme die Selbstständigkeit im Alltag unterstützen. Technische Hilfsmittel und Maßnahmen wie eine durch Bewegungsmelder gesteuerte Beleuchtung, Notrufsysteme, Sturzmelder und Panikschalter, die Fernsteuerung von Herd und Heizung, eine durch

Bewegungsmelder gesteuerte Beleuchtung oder die Erkennung und Überwachung geöffneter Fenster und Türen mithilfe von Sensoren erleichtern ein sicheres Wohnen.

Wir fordern, technische Hilfsmittel für Menschen mit Beeinträchtigungen einfach, benutzerfreundlich und anwendungsorientiert weiterzu-entwickeln und bezahlbare Angebote zu fördern. Hausnotrufsysteme müssen stärker öffentlich finanziert werden, und zwar auch in der gemeinsamen Wohnsituation mit Angehörigen, weil diese Technik zur Entlastung der Pflegepersonen beiträgt.

6. Wir fordern ?barrierefreies und barrierearmes Bauen? als Pflichtfach in den Fort- und Ausbildungsordnungen von Architekten, Ingenieuren, Stadtplanern und Handwerkern.

Nur wenn Architekten und Handwerker für die Anforderungen an ein familienphasen- und alternsgerechtes Wohnen sensibilisiert sind, lassen sich Fehlplanungen und eine ungünstige oder gar unbrauchbare Bauausführung verhindern. Das Bewusstsein hierfür ist vielerorts aber noch unterentwickelt, sodass die Kunden bei Neubauten und bei Bestandssanierungen nicht auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht werden und deshalb später bei Bedarf die ungeeigneten Räume teuer umrüsten müssen.

Wir fordern Technische Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen ebenso wie Architekten- und Handwerkskammern auf, dafür Sorge zu tragen, dass in den Studien- und Ausbildungsordnungen wie auch in der Fort- und Weiterbildung die Lebensphasen der künftigen Wohnungsnutzerinnen und ?nutzer und besonders die möglichen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen oder Einschränkungen bedacht werden. Das Themenfeld Gerontologie/Geriatrie sollte als Pflichtunterricht verankert werden.

7. Wir fordern Information, Beratung und Begleitung zu ?Wohnen im Alter? für die Betroffenen.

Viele Menschen vermeiden es, sich mit dem Thema ?Wohnen im Alter? frühzeitig auseinanderzusetzen.

Die meisten wollen so lange wie möglich zu Hause wohnen, die wenigsten erwägen einen Umzug in eine altersgerechte Wohnung.4 Gleichzeitig schrecken viele vor den Kosten und Mühen eines Umbaus zurück.5 Es ist aber weder für die Betroffenen noch für die Gesellschaft hinnehmbar, dass älteren Menschen nur die Wahl zwischen einem eingeschränkten Leben in einem ungeeigneten Zuhause und einer (zudem kostenintensiven) Heimunterbringung bleibt. Es ist dringend erforderlich, die Menschen bei der Entwicklung persönlicher Perspektiven des altersgerechten Wohnens und bei der konkreten Umsetzung zu unterstützen. Daher muss ein flächendeckendes

Angebot einer niedrigschwelligen oder auch aktiv auf Betroffene zugehenden qualitativ guten Wohnberatung6 geschaffen werden, das gezielt bekannt zu machen ist.



B. WIE WOLLEN WIR MORGEN LEBEN? ? In einem aktivierenden und sicheren Wohnumfeld

8. Wir fordern eine präventive Gestaltung des Wohnumfelds, die barrierefrei oder wenigstens barrierearm sein muss und zu Aktivitäten anregt.

Pflegebedürftigkeit entsteht häufig infolge von Stürzen.7 Diese könnten zum großen Teil durch eine barrierearme Gestaltung des Wohnumfelds vermieden werden. Dazu gehören vielfältige Maßnahmen, die der Sicherheit und der Orientierung dienen, beispielsweise breite und gut beleuchtete Fußwege, abgesenkte Bordsteine an Ampeln, Kreuzungen und Fußgängerüberwegen, die einfach und gefahrlos auch mit einem Rollator, Einkaufstrolley oder Rollstuhl bewältigt werden können. Darüber hinaus auch optische, taktile und akustische Vorrichtungen wie Markierungen, Leitlinien und Blindenampeln, die vor allem für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen wichtig sind. Unabdingbar ist, dass die konkreten Maßnahmen unter Beteiligung von Expertinnen und Experten ? auch solchen aus der jeweiligen Betroffenengruppe ? geplant und aufeinander abgestimmt werden.

Zudem sollten bundesweit einheitliche Standards angestrebt werden. Zum Schutz vor Kriminalität und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls sind Konzepte einer sichtbaren und bürgernahen Polizei zu realisieren. Auch die Verbesserung der Straßenbeleuchtungen, die mit intelligenten, effizienten und wirkungsvollen Leuchtmitteln auszustatten sind, sowie eine klare, übersichtliche Weggestaltung können die Sicherheit erhöhen. Es darf nicht sein, dass sich ältere Menschen aus Angst, Opfer von Kriminalität zu werden, zurückziehen, auf Mobilität verzichten und dadurch früher hilfebedürftig werden.

9. Wir fordern, neue soziale und kulturelle Begegnungsorte zu schaffen und bestehende Angebote zu erhalten.

Zu einem ?präventiven?, aktivierenden Wohnumfeld gehören Grünanlagen, die mit seniorengerechten Sitzgelegenheiten und öffentlich gut zugänglichen Toiletten ausgestattet sind und zum Spazierengehen und anderen körperlichen Betätigungen einladen (?Bewegungsparcours?). Sie tragen zu körperlicher Fitness und Selbstständigkeit bei und eröffnen darüber hinaus Gelegenheiten, soziale Kontakte zu knüpfen. In Wohnanlagen ist es wichtig, Räume für Begegnung und Gemeinschaft zu schaffen, um das Entstehen sozialer Netzwerke zu erleichtern und das nachbarschaftliche Miteinander zu fördern. Initiativen, die in Siedlungen und Stadtvierteln Begegnungsstätten einrichten und betreuen, sollten unterstützt werden. Aber auch bestehende Einrichtungen wie Schulzentren und Alters- und Pflegeheime können und sollten sich zu Orten für alle Generationen weiterentwickeln, indem sie beispielsweise ihre Cafeteria oder ihren Mittagstisch auch für Gäste von außen öffnen.

10. Wir fordern einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Um die Mobilität im höheren Alter aufrechtzuerhalten und damit eine selbstständige Versorgung sowie gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, ist ein gut ausgebautes Netz von Bussen und Bahnen unabdingbar.

Damit auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Angebote des ÖPNV nutzen können, müssen Haltestellen sowie der Einstieg in die Verkehrsmittel barrierefrei gestaltet werden. Darüber hinaus sind lesbare Fahrpläne und leicht zu bedienende, möglichst standardisierte Fahrkartenautomaten notwendig.

Damit die Interessen von Fahrgästen mit Kinderwagen, Fahrrädern und Rollatoren nicht kollidieren, müssen in Bussen und Bahnen ausreichend Stellplätze vorgesehen werden. Insbesondere in ländlichen Gebieten ist die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln stark eingeschränkt. Gefragt sind hier flexible Bedienformen wie Ruftaxis oder Bürgerbusse, deren Einrichtung und Ausbau von der öffentlichen Hand unterstützt werden müssen.

11. Wir fordern eine wohnortnahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs und Dienstleistungen.

Eine gute Infrastruktur mit Einrichtungen für die tägliche Grundversorgung wie Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Drogerien in fußläufiger Entfernung ist Voraussetzung dafür, sich auch im Alter eigenständig versorgen zu können. Für eine selbstständige Lebensführung im Alter sind darüber hinaus wohnortnahe Dienstleistungsangebote wie (Haus-)Arzt-Praxen, Bank- und Postfilialen erforderlich.

Wo eine umfassende Infrastruktur nicht mehr vorgehalten wird, können Hol- und Bringdienste, beispielsweise von Supermärkten, unterstützend wirken. Dies betrifft insbesondere die ländlichen Räume und Stadtrand-gebiete. Es existieren bereits Modelle wie der ?rollende Supermarkt? und die ?mobile Bank?, die weiter flächendeckend ausgebaut werden müssen. Bei der Ausweitung dieser Versorgungsangebote ist die Unterstützung durch Städte, Gemeinden und Landkreise sowie Unternehmen gefragt.



C. WIE WOLLEN WIR MORGEN LEBEN? ? Umgeben von sozialen Netzen
12. Wir fordern die stärkere Förderung informeller sozialer Netze.

Die wichtigsten Netzwerkstrukturen, die im Alltag unkompliziert und kostenlos Unterstützung und Sicherheit bieten, sind Familie und Nachbarschaft. Vor dem Hintergrund sich verändernder Familienstrukturen und einer vermehrten Berufstätigkeit von Frauen brauchen Familien eine verlässlich gesicherte Unterstützung. Bei dem Bemühen, Kindererziehung, Pflege und Beruf zu vereinbaren, dürfen Frauen und Männer nicht länger auf freiwillige betriebliche eAngebote angewiesen sein.

Darüber hinaus müssen nachbarschaftliche Strukturen unterstützt und ausgebaut werden. Hier sind sowohl Länder und Kommunen als auch Wohnungsbauunternehmen gefordert. Der Ausbau des Programms ?Soziale Stadt? ist zu begrüßen, ebenso wie Maßnahmen im Rahmen der ?sorgenden Gemeinschaften?, die allerdings weiter konkretisiert werden müssen.

Schon heute leisten gemeinschaftliche Wohnformen einen wertvollen Beitrag als soziale Netze, weil sie nicht nur ihren Mitgliedern soziale Stabilität bieten, sondern zugleich auf das Miteinander im Quartier ausstrahlen.

Diese Wohnformen sollten deshalb durch entsprechende Flächen-nutzungspläne und spezifische Strukturen, etwa gesicherte Finanzierungsmodelle, deutlicher gefördert werden.

4 Nur 31 Prozent der Mieter und 22 Prozent der selbstnutzenden Wohneigentümer denken über einen solchen Umzug nach, siehe BMVBS, Heft 147, S. 56.

5 Zu einem Umbau bereit wären 10 Prozent der Mieter und 20 Prozent der selbstnutzenden Wohneigentümer, siehe BMVBS, Heft 147, S. 57.

6 Die bundesweit derzeit existierenden ca. 250 Wohnberatungsstellen können den steigenden Informationsbedarf nicht bewältigen. Sie klären kompetent und neutral den Bedarf, informieren über eine kostengünstige Umsetzung

und Finanzierung erforderlicher Maßnahmen sowie über Fördermittel, steuerliche und mietrechtliche Aspekte.

7 Das ist bei etwa 30 Prozent der alten Menschen, die pflegebedürftig werden, der Fall.

13. Wir fordern bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen.Für 30 bis 40 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen sind eine mangelnde Verpflegungsversorgung und unzureichende soziale Kontakte die ausschlaggebenden Gründe für den Auszug aus der eigenen Wohnung.8

Erforderlich ist deshalb ein bezahlbares Angebot an haushaltsnahen Hilfen, die bereits gewünscht und gebraucht werden, lange bevor Pflegebedarf im engeren Sinne entsteht.9 Damit die darauf angewiesenen Nutzerinnen und Nutzer dieses Angebot auch wahr-nehmen können, muss es allerdings bezahlbar sein. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um mehr Menschen auch im Alter das Wohnen zu Hause zu ermöglichen.

8 Umfrage des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, vgl. Michell-Auli, Peter; Kremer-Preiß, Ursula (2013): Quartiersentwicklung:KDA-Ansatz und kommunale Praxis. Köln: Eigenverlag.

9 HessenAgentur (Hrsg.) (2008): Haushaltsnahe Dienstleistungen in Hessen. Modul 2: Bedarfsanalyse bezogen auf Haushalte älterer hilfe- bzw. pflegebedürftiger Personen.

14. Wir fordern wohnortnahe Beratungsstellen mit Begegnungs-strukturen und den Ausbau ambulanter sozialer Dienste.
Im Dschungel der vielfältigen Leistungsangebote und Kostenträger werden Stellen gebraucht, die umfassend informieren, gangbare Wege aufzeigen und möglichst Beratung ?aus einer Hand? bieten.

Solche Stellen müssen gerade für Ältere wohnortnah und niedrig-schwellig ausgerichtet sein. Um Ressourcen effizient zu nutzen, sollten sie bevorzugt bei bereits eingeführten Begegnungsstrukturen angesiedelt werden.

Als solche Anlaufstellen für die Bevölkerung bieten sich beispielsweise Mehrgenerationenhäuser und Familienzentren an. Dort können Informationen zur Alltagsversorgung gesammelt und weitergegeben werden. Dieses Angebot sollte gezielt mit Begegnungsgelegenheiten, etwa einem Mittagstisch, verbunden werden. Auch die Kombination von Beratung, Begegnung und Bewegung erleichtert das Knüpfen von Kontakten.

Darüber hinaus müssen Dienst- und Pflegeleistungen ambulant-zugehend angeboten werden, um auch mobilitätseingeschränkten Personen Unterstützung zu bieten.

15. Wir fordern mobile, zugehende Dienste im ländlichen Raum.
In vielen ländlichen Gegenden wird die Lebenssituation älterer Menschen zunehmend schwierig. Vor allem in dünn besiedelten Räumen ist der Erhalt einer tragfähigen Infrastruktur gefährdet. Während Nach-barschaftsstrukturen auf dem Land oft (noch) verlässlicher sind als in den größeren Städten, mangelt es häufig an der notwendigen Infrastruktur und einem zuverlässigen, flexiblen Mobilitätsangebot. Wohnortnahe Beratungsstellen und Versorgungsangebote sind in der Fläche schwer zu verwirklichen. Wir fordern deshalb, Dienste mobil zu organisieren. Das gilt nicht nur für die medizinische Versorgung, sondern auch für die Versorgung mit Lebensmitteln, Bankdienstleistungen und Diensten der Verwaltung.

Das Positionspapier wurde von den Mitgliedern der verbands-übergreifenden Fachkommission ?Aktuelle Fragen der Seniorenpolitik? erarbeitet und der Vorstand der BAGSO e.V. hat das Papier im Juni 2014 verabschiedet.

Für die fachliche Unterstützung danken wir Barbara Kahler, Prof. Dr. Angelika Sennlaub und Petra Uertz.

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