Werbeprospekt zum Bau der Hoka III
Die Siemens-Siedlung 3 am Hohenzollernkanal, kurz Hoka 3 genannt, wurde 1935 erbaut. Eigens zur Vermarktung dieser Siedlung wurde von der Firma Siemens ein Werbeprospekt veröffentlicht:
Einleitung
Nachdem die Siemens-Siedlung Staaken (216 Stellen) völlig fertig gestellt und bezogen ist und die Siedlung Spekte (94 Stellen) sich im Bau befindet, haben die Siemens-Firmen den Plan einer III. Stadtrandsiedlung für ihre Kurzarbeiter in Angriff genommen, da das Interesse der Arbeitnehmer nach dem guten Erfolg der ersten Siedlung weiter gewachsen ist. Die Firmenleitung ist in ihrem Entschluss, den Siedlungsbau fortzuführen, durch die mit der bereits durchgeführten Siedlung gemachten Erfahrungen bestärkt worden. Es hat sich dabei erwiesen, dass mit der Bauarbeit der Siedler die Häuser und Anlagen in guter Ausführung errichtet werden können, und die Inangriffnahme der Bewirtschaftung in unserer Siedlung Staaken lässt erkennen, dass ein grosser Teil unserer Industriearbeiterschaft durchaus dazu befähigt ist, neben ihrer Kurzarbeit im Werk ertragreiche Landarbeit zu leisten.
Die neue Siedlung soll ca. 200 Siedlungsparzellen umfassen. Die Errichtung erfolgt wiederum im Rahmen der Stadtrandsiedlung der Stadt Berlin, III. Bauabschnitt, nach den vom Reich ausgegebenen Richtlinien.
Die Stellen werden wie bisher an Kurzarbeiter unserer Firmen vergeben.
Zweck der Siedlung
Es seien hier nochmals die Grundgedanken der Siedlung wiederholt. Dem Siedler soll durch Überlassung eines Stück Landes die Möglichkeit gegeben werden, einen Teil der wichtigsten Lebensmittel selbst zu erzeugen. Der Siedler wird aus dem Miethauselend der Grosstadt herausgenommen, er erhält eine gesunde Wohnung in freier Lage auf eigenem Grund und Boden. Doch bleibt er Grosstädter, behält die Möglichkeit, seinem ursprünglichen Beruf in der Industrie nachzugehen. Der Kurzarbeiter hat in seinem Arbeitslohn noch einen gewissen finanziellen Rückhalt und hat gleichzeitig neben seinem Beruf in der Siedlerstelle eine zusätzliche Erwerbsquelle. Mit solcher Kurzarbeiter-Siedlung wird eine Verbindung von Land- und Industriearbeit geschaffen, wie sie sich in vielen kleinen Städten besonders Süddeutschlands gerade in Krisenzeiten sehr bewährt hat.
Lage des Geländes
Das in Aussicht genommene Gelände liegt in Siemensstadt, in unmittelbarer Nähe unserer Werke, längs des Hohenzollernkanals zwischen Tegeler und Mäckeritz-Brücke. Sämtliche Siemensstädter Werke sind in kurzen Wegen zu Fuss zu erreichen, sodass für den Weg zur Arbeitsstätte keine Fahrgeldausgaben entstehen. Das Kabelwerk ist nur durch den Kanal von der Siedlung getrennt, das am entferntesten gelegene Blockwerk der VES ist in 25 Minuten Laufzeit zu erreichen.
Auf der Südseite ist die Siedlung vom Kanal begrenzt, im Norden schliesst das Tegeler Waldgelände an, im Nordwesten liegt in 20 Minuten Entfernung der TegeIer See. Das Gelände ist daher wegen seiner Nähe zur Arbeitstätte wie auch wegen seiner gesunden freien Lage und den Erholungsmöglichkeiten denkbar günstig.
Die Innenstadt von Berlin ist - wie unseren Arbeitnehmern sämtlich bekannt - durch die elektrische Stichbahn Siemensstadt über die Stadt- und Ringbahn, daneben durch die Strassenbahnlinien 12 und 64 leicht und schnell zu erreichen. Die Autobuslinie A 26, die Spandau und Tegel verbindet, führt an der Tegeler Brücke direkt an unserer Siedlung vorbei.
Einkaufsmöglichkeiten bieten Ort und Siedlung Siemensstadt, in denen auch Schule, Arzt und Apotheke vorhanden sind.
Das Siedlungshaus
Die Häuser werden wie in unseren Siedlungen Staaken und Spekte als Doppelhäuser errichtet. Der Bau wird in Ziegelmauerwerk mit Ziegeldach ausgeführt. Die Wände werden verputzt und gestrichen, das Haus wird bezugsfertig hergestellt. Ein Koch- und Heizherd sowie Anlage für elektrische Beleuchtung sind vorgesehen, die übrige Einrichtung ist Sache des Siedlers.
Die Ausführung und Einteilung der Siedlungshäuser erfolgt im übrigen nach den Reichsrichtlinien. Jeder Siedler erhält ein halbes Doppelhaus mit einer Wohnfläche im Erdgeschoss von etwa 40 qm und einem ausbaufähigen Dachgeschoss. Die Einteilung der Räume ist etwa wie folgt geplant:
Geräumige Wohnküche von etwa | 14 qm Fläche |
Eltern-Schlafraum | 12 |
Kinder-Schlafraum | 8 |
Flur | 6 |
Ferner: | 6 |
Keller | 8 |
Trockenklosett und Futterboden |
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Familien mit 4 minderjährigen Kindern erhalten einen weiteren Schlafraum im Dachgeschoss. Für Familien mit 5 und mehr minderjährigen Kindern können eine oder zwei Dachkammern ausgebaut werden.
Den Siedlern mit geringerer Kinderzahl können auf Wunsch die für Kinderreiche vorgesehenen Dachkammern auf eigene Kosten des Siedlers ausgebaut werden.
Die Siedlungsparzelle
Jede Siedlerstelle erhält eine Parzelle von etwa 900 qm Gartenland. Etwa die Hälfte des Landes genügt vollständig für den Anbau des im Haushalt gebrauchten Gemüses, der Rest bleibt dem Anbau von Kartoffeln vorbehalten. Der vor dem Haus an der Strassenseite liegende Teil des Gartens kann mit Blumen bepflanzt werden. Zur Anpflanzung werden 8 Obstbäume und eine Reihe Beerensträucher mitgeliefert. Auch die nötigen Düngemittel sowie Saatgut für das erste Jahr, ferner Gartengeräte - wie Spaten, Harke usw. - werden dem Siedler zur Verfügung gestellt. Die Wasserversorgung erfolgt wieder durch Handpumpen. Zusatzland für solche Siedler, die noch mehr als 900 qm bewirtschaften können, steht zunächst noch nicht zur Verfügung. Es wird aber angestrebt, weiteres Land für diesen Zweck zu pachten.
Wer kann sich bewerben?
Nach den Bestimmungen des Reichskommissars kommen für die Siedlung Hohenzollernkanal Kurzarbeiter der Siemenswerke in Frage, die sich freiwillig melden und bereit sind, während der Bauzeit an der Aufschliessung des Geländes, an der Gewinnung der Baustoffe, an der Errichtung der Baulichkeiten, der Strassen, Zäune, Brunnen, bei Transportarbeiten usw. mitzuarbeiten. Auch die Angehörigen der Siedler können bei dem Bau mithelfen. Jeder Siedler ist verpflichtet, die von der Firma bestimmte Zahl der Arbeitsstunden auf dem Siedlungsbau voll abzuleisten. Etwaige Fehlstunden müssen nachgearbeitet werden. Erst nach Erfüllung der vollen Arbeitspflicht wird die Stelle dem Siedler übergeben.
Während des Baues stehen Baubuden zur Unterbringung von Kleidung und Geräten zur Verfügung. Die auf dem Bau tätigen Siedler erhalten freies Mittagessen. Fahrgeld wird im Hinblick auf die Lage des Geländes nicht ersetzt.
Während der Bauzeit der Siedlung darf die Arbeitszeit der Siedler im Werk höchstfalls 3 Tage betragen. Arbeiter, die bisher mehr als 3 Tage im Werk beschäftigt sind, können an der Siedlung nur teilnehmen, wenn ihre Wochenarbeitszeit auf 3 Tage beschränkt wird.
Als Siedler kommen nur national gesinnte Leute in Betracht, die selbst und deren Familienangehörige für die Bewirtschaftung der Stellen geeignet sind. Sie müssen Erfahrung im Kleingartenbau oder in der Landwirtschaft besitzen oder sonstwie nachweisen können, dass sie zur Bewirtschaftung einer solchen Siedlungsstelle geeignet sind. Unter den Bewerbern, die zur Zeit des Kriegs im wehrfähigen Alter standen, werden ehemalige Kriegsteilnehmer bevorzugt. Ferner finden kinderreiche Familien bevorzugte Berücksichtigung.
Übernahme durch den Siedler
Nach Beendigung des Baues wird dem Siedler die Siedlerstelle zunächst auf 4 Jahre in Pacht gegeben. Während dieser 4 Jahre hat der Siedler nachzuweisen, dass er fähig ist, die Siedlungsstelle in Ordnung zu halten, sachgemäss zu bewirtschaften und auszunutzen. Ist dies nicht der Fall, kann die Siedlerstelle jederzeit gekündigt werden. Nach Ablauf dieser 4 Probejahre soll der Siedler die Stelle käuflich erwerben, unter ratenweiser Abzahlung des Kaufpreises für das Gelände. Damit wird der Siedler Eigentümer seines Landes und Hauses.
Jeder Siedler muss einer aus allen Siedlern zu bildenden Gemeinschaft beitreten.
Die Verteilung der einzelnen Siedlungsparzellen wird durch Los bestimmt.
Aufbringung des Kapitals
Die Finanzierung der Siedlung geschieht wie folgt: Das Reich stellt zur Errichtung der Siedlung einen Betrag von 2.500 RM je Stelle und für Kinderreiche zusätzlich 250 RM je Dachkammer darlehnsweise zur Verfügung; der Betrag ist in den der ersten Ernte folgenden 3 Jahren mit 3 vH., danach mit 4 vH. zu verzinsen und mit 1 vH. zu tilgen. Da diese Mittel zur Durchführung des Projekts nicht voll ausreichen - eine Kurzarbeitersiedlung stellt sich im Aufbau teurer als eine Erwerbslosensiedlung - geben die Siemens-Firmen noch einen freiwilligen Zuschuss von 500 RM je Stelle. Das Gelände wird vom preussischen Staat zur Verpachtung und späteren Übereignung an die Siedler zur Verfügung gestellt, gegen eine Anzahlung von 10 vH. des Kaufpreises und Tilgung des Restbetrages in 15 Jahren.
Der Beitrag des Siedlers besteht in der Verpflichtung, während des Baues durch seine Arbeitsleistung an der Herstellung der Siedlung mitzuarbeiten. Ferner muss der Siedler bei Abschluss des Vertrages - entsprechend den vom preussischen Staat für den Verkauf des Geländes gestellten Bedingungen - einmalig den Betrag von 110 RM einzahlen, der später bei der ratenweiser Abzahlung des Kaufpreises für die Siedlerstelle als Anzahlung auf den Gesamtpreis angerechnet wird.
Die laufenden Kosten
Laufende Unkosten entstehen dem Siedler demnach lediglich aus Verzinsung und Tilgung des vom Reich gewährten Darlehns, dem PachtgeId bzw. der Tilgung und Verzinsung des Gelände-Kaufpreises, sowie den laufenden Verwaltungskosten bzw. Lasten für Gemeinschaftsanlagen, Steuern, Versicherungen etc. Der Zuschuss der Firmen braucht weder rückerstattet noch verzinst zu werden.
Die Höhe der laufenden Unkosten zeigt untenstehende Tabelle.
Wenn der Siedler neben dem Wert seiner Arbeit mindestens 30 Prozent der Gesamtkosten der einzelnen Stelle selbst aufbringt, kann der Zinssatz für die ganze Laufzeit des Reichsdarlehens bis auf 2 Prozent ermässigt werden. Denjenigen Siedlern, welche Ersparnisse in dieser Höhe (ca. 800 RM) besitzen, kann also nur empfohlen werden, sie hier zu verwenden, weil dann die laufenden Kosten wesentlich geringer werden.
Bewerbung
Die Arbeitnehmer, die sich an dieser Stadtrandsiedlung beteiligen wollen, werden gebeten, anliegende Fragebogen auszufüllen und umgehend im Lohnbüro wieder abzugeben.
Nach Abschluss des Siedlervertrages mit den einzelnen Bewerbern wird jedem mitgeteilt, wann und wo er sich zur Arbeitsleistung zu melden hat.
Die Vorteile, die die Siedlung dem Kurzarbeiter bietet, sind - nochmals knapp zusammengefasst – etwa folgende:
Der Siedler hat mit den laufenden Unkosten der Siedlerstelle, die im Höchstfalle voraussichtlich monatlich ca. 20 RM betragen, bedeutend weniger zu bezahlen, als ihn eine Mietwohnung in der Stadt kosten würde. Dazu fallen die jetzt in der Regel notwendigen Fahrkosten infolge der besonders günstigen Lage der Siedlung zur Arbeitsstätte gänzlich fort. Dafür hat der Siedler neben der gesund im Freien gelegenen Wohnung noch ein Grundstück, aus dessen Ertrag er nicht nur diese Unkosten decken, sondern noch einen Gewinn ziehen kann. Bei alledem bleibt der Siedler in seinem Beruf.