Rechtzeitige Vermögensübertragung

Rechtzeitige Vermögensübertragung kann Sozialhilferegress vermeiden

Um den Sozialhilferegress in Pflegefällen zu vermeiden, insbesondere Ansprüche des Sozialamtes auf Rückforderung von Schenkungen aus den letzten 10 Jahren abzuwehren, sollten Schenkungen - also Zuwendungen ohne Gegenleistungen ? bei Grundstücksübertragungen möglichst vermieden werden. Hat das beschenkte Kind in der Vergangenheit Aufwendungen wie Mitarbeit, Bauleistungen oder Pflege erbracht, sollten diese im Vertrag unbedingt berücksichtigt werden. Wenn das Kind, dem das Hausgrundstück übertragen wird, auf etwaige Erstattungsansprüche für seine früheren Leistungen verzichtet, wird damit in Höhe des Wertes dieser erbrachten Leistungen der "Schenkungswert" der Immobilienübertragung reduziert. Wollen sich die Übergeber (Eltern) ein eigenes Nutzungsrecht (Wohnungsrecht, Wohnrecht, Nießbrauch) vorbehalten, sollte dies aus sozialhilferechtlichen Erwägungen möglichst nicht als Nießbrauch sondern als lebenslängliches Wohnungs- oder Wohnrecht vertraglich vereinbart werden, ausnahmsweise aber mit dem vorzeitigen dauerhaften Auszug des Schenkers enden. Durch den Kapitalwert eines von den Schenkern vorbehaltenen Nutzungsrechts wird der Schenkungswert ebenfalls reduziert. Selbiges gilt für weitere vorbehaltene Leistungen wie häusliche Pflege oder Übernahme der Bestattungs- und Grabpflegekosten.


Beispiel:

Anna (68 Jahre) und ihr Ehemann Karl (72 Jahre) haben im Jahr 2012 das von ihnen allein bewohnte und mit einem Eigenheim bebaute Grundstück im Gesamtwert von 200.000,00 Euro ihrem Sohn übertragen. Beide Eltern waren je zur Hälfte Eigentümer des Eigenheims. Im Übertragungsvertrag haben sie sich gegenüber ihrem Sohn ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht am gesamten Objekt, ferner auf Abruf zu erbringende häusliche Pflegeleistungen des Sohnes (begrenzt auf die Erbringung innerhalb der von ihnen im Übertragungsobjekt bewohnten Wohnräume und in Anlehnung an die Pflegestufe I zeitlich begrenzt auf 90 Minuten am Tag) sowie die spätere Kostenübernahme ihrer sämtlichen Bestattungs- und Grabpflegekosten vertraglich vorbehalten. Der ?fiktive? Nutzungswert des Wohnungsrechts ohne Nebenkosten (?Kaltmiete?) beträgt monatlich 800,00 Euro, somit jährlich 9.600,00 Euro. Der Wert der vom Sohn zu erbringenden Pflegeleistungen wird in Anlehnung an die vergleichbaren Leistungen der Pflegestufe I mit monatlich 235,00 Euro je Elternteil, für beide Elternteile also mit monatlich insgesamt 470,00 Euro und somit dem Jahreswert von 5.640,00 Euro zugrunde gelegt. Der Wert der Bestattungs- und Grabpflegekostenübernahme dürfte derzeit einem Wert von ca. 20.000,00 Euro (Bestattungskosten je Elternteil ca. 7.000,00 Euro, Grabpflegekostenübernahme für Laufzeit der Gruft mindestens ca. 6.000,00 Euro) entsprechen.


Berechnung:
Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung 200.000,00 Euro
./. Kapitalwert des vorbehaltenen lebenslangen Wohnungsrechtes - 111.110,40 Euro
./. Kapitalwert der lebenslangen häuslichen Pflegeleistungen
(begrenzt auf Leitungen der Pflegestufe I) - 65.277,36 Euro
./. Wert der Bestattungs- und Grabpflegekostenübernahme - 20.000,00 Euro
Verbleibender Schenkungswert insgesamt 3.612,24 Euro

Da Anna und Karl je zur Hälfte Eigentümer der übertragenen Immobilie waren, verbleibt somit bei jedem von ihnen ein restlicher Schenkungswert von 1.806,12 Euro. Dieser Betrag stellt für den Sohn das ?Restrisiko? je Elternteil bei Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen durch den Sozialhilfeträger innerhalb der 10-Jahres-Frist nach Übertragung dar. Eine Korrektur der Kapitalwertberechnungen ist nur bei ungewöhnlichem Verlauf (z.B. bei nur kurzer Ausübung des Wohnungsrechtes durch einen oder beide Elternteile) vorzunehmen. Den Berechnungen liegen die Sterbetabellen 2008/2010 des Statistischen Bundesamtes sowie die Kapitalwerttabelle einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung als Anlage zu § 14 Absatz 1 des Bewertungsgesetzes zugrunde. Diese Tabellenwerte werden auch für die Berechnung der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer zugrunde gelegt, wenn ein Steuerpflichtiger im Rahmen einer Erbschaft oder Schenkung ein lebenslanges Nutzungsrecht erhält und der Wert dieses Nutzungsrechtes zu ermitteln ist.

Hätten sich Anna und Karl keine Rechte vorbehalten, entspräche der Schenkungswert ? den das Sozialamt bei einem späteren Sozialhilferegress im Pflegefall zugrunde legen würde ? dem vollen (ungekürzten) Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung im Jahr 2012, somit also dem Betrag von 100.000,00 Euro je Elternteil. In dieser Höhe bestünde dann ein entsprechender Ausgleichsanspruch des Sozialamtes gegenüber dem in den letzten 10 Jahren beschenkten Kind und bezogen auf die Pflegebedürftigkeit des jeweiligen Elternteils. Wenn also im Beispielsfall Ehemann Karl im Jahr 2018 stationär pflegebedürftig werden sollte, beträgt das voraussichtliche Rückzahlungsrestrisiko des Sohnes für den Fall, dass das Sozialamt die ?Rückforderung der Schenkung wegen Verarmung? geltend macht

  • 1.806,12 Euro, sofern die obigen Gegenleistungen im Übertragungsvertrag wirksam vereinbart worden sind,

  • 100.000,00 Euro, wenn keine Gegenleistungen im Übertragungsvertrag aufgenommen worden sind.


Diese Informationen stammen von Hans-Michael Schiller Rechtsanwalt und Notar Vorsitzender des Landesverbandes Wohneigentum NRW e.V.

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