Wohneigentum für Generationen denken Positionspapier zum "Tag des Wohneigentums" 2022

Auf dem Tag des Wohneigentums 2022 legt der Verband Wohneigentum das umfassende Positionspapier "Wohneigentum für Generationen denken" vor. Es beeinhaltet zentrale Forderungen an die Politik, um Wohneigentum bezahlbar, familienfreundlich und klimagerecht zu gestalten.

Familie vor Wohneigentum
VWE-Präsident Manfred Jost: "Wohneigentum muss bezahlbar, familienfreundlich und klimagerecht sein."   © PantherMedia

1 Präambel

Energie ist kostbar. Das wird uns seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine besonders bewusst. Die Abhängigkeit von dem großen Energielieferanten Russland muss mit allen Kräften durch viele zuverlässige alte und neue Partner aufgefangen werden - langfristig durch Erschließung neuer, klimaneutraler Energiequellen. Stabilität der Energiepreise und Energiesicherheit sind enorme Herausforderungen für Politik, Wirtschaft, Verbraucher und Verbraucherinnen in ganz Europa.

Gleichzeitig machen wir die Erfahrung: Klimaschutz ist existenziell und Aufgabe aller Teile unserer Gesellschaft. Die deutschen Ziele zur Minderung von Treibhausgasen sind mit Änderung des Klimaschutzgesetzes 2021 verbindlich auf Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 festgelegt. Seit 1990 konnten die CO2-Emmissionen bereits um 40 % reduziert werden. (QUELLE: BMWi; Datenbasis 1990-2020: UBA März 2021). Im Bereich der Gebäude sind es sogar 43 %. Auch das Engagement der selbstnutzenden Wohneigentümer und Wohneigentümerinnen, die bereits in neue Fenster, Türen, Dämmung oder eine neue Heizungsanlage investiert haben, hat dazu beigetragen. Dennoch wurden die angestrebten Klimaziele nicht erreicht. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die weiteren Anstrengungen in diesem Prozess für die Menschen zumutbar und sozial gerecht durchgeführt werden.

In Anbetracht möglicher Klimawandelfolgen und weiterer Krisen müssen wir zügig und mutig unser Engagement erhöhen, Häuser und Siedlungen zukunftsorientiert und resilient zu gestalten. Auf Wetterereignisse wie Hitze und Trockenheit, mögliche Waldbrände, aber auch Starkregen und Überflutung ist mit entsprechenden Anpassungen der bebauten Umwelt zu antworten. Kommunen, Siedlungen und einzelne Eigentümer*innen müssen in diesem Anpassungsprozess beraten, unterstützt und begleitet werden. Die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen 2021 hat gezeigt, wie wichtig die Überprüfung und Neuaufstellung des Katastrophenschutzes, aber auch der vorausschauenden Bebauungspläne ist.

Resilienz schaffen heißt aber ebenso, das solidarische nachbarschaftliche Zusammenlebens in Siedlung und Quartier unterstützen und fördern. Gerade in Krisenzeiten erweist sich ein starker Gemeinschaftssinn als stabilisierend. Die Wohnform "selbstgenutztes Wohneigentum" eignet sich in besonderer Weise, Identität, Generationengerechtigkeit, Nachbarschaft sowie Engagement in der Kommune und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Der bewusste Umgang mit den endlichen Ressourcen und eine Änderung vorherrschender Denk- und Konsummuster ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Eigentümer und Eigentümerinnen sind bereit, ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Hierfür sind jedoch massive Förderungen, intensive Beratung und praktische staatliche Unterstützung notwendig.

2 Der Verband Wohneigentum tritt für die Schaffung und Erhalt des selbstgenutzten Wohneigentums ein

Das selbstgenutzte Wohneigentum hat einen hohen gesellschaftlichen Wert und ist mehr als ein "Dach über dem Kopf". Es ist selbstbestimmtes und selbstgestaltetes Wohnen in jeder Phase des Lebens. Wohneigentum ermöglicht Vermögensaufbau, ist Altersvorsorge und macht unabhängig. Es bietet Schutz vor Krisen wie Corona (Homeoffice, Homeschooling) und ermöglicht ein teilweise autarkes Leben inklusive der Selbstversorgung im Garten (Obst und Gemüse) und der eigenen Energieversorgung. 75% aller Menschen in Deutschland träumen vom eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung, während im europäischen Vergleich mit 44 % Wohneigentumsquote relativ wenige im selbstgenutzten Wohneigentum leben.

Wohneigentümer*innen stehen zugleich aktuell und perspektivisch unter erhöhtem Druck, durch hohe Steuern, Abgaben und Auflagen. Die aktuellen Krisen treffen Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum sowie Bauherr*innen in besonderem Maße: Energiepreise, Inflation, Lieferengpässe, Handwerkermangel aber auch speziell: Verteuerung von Baugrund, Baufinanzierung, Baustoffen und Handwerkerkosten. Die Politik muss daher handeln und die Rahmenbedingungen gezielt für die Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum verbessern.

3 Positionen und Forderungen

A Kosten des Wohnens: Reduzieren der Lasten und Fördern des Wohneigentums
A1 Lasten
Grunderwerbsteuer: Die Grunderwerbsteuer, die in großen Teilen der Republik bei 6,5 % angelangt ist, frisst mühsam angespartes Eigenkapital auf und erschwert gerade Menschen mit geringerem und mittlerem Einkommen die Eigentumsbildung. Die Grunderwerbsteuer ist daher für selbstnutzende Erwerber und Erwerberinnen von Wohneigentum abzuschaffen. Zumindest der Ersterwerb muss durch einen entsprechend hohen Freibetrag erleichtert werden.

Grundsteuer-Kostenstruktur nach Reform: Die Reform der Grundsteuer ist nicht zufriedenstellend, denn sie schafft einen weiteren Flickenteppich im Steuer- und Abgabenbereich und wird zu neuen Ungerechtigkeiten führen. Wir fordern, dass die Grundsteuerreform für Wohnimmobilien nachvollziehbar und auch bei größeren Veränderungen des individuellen Grundsteuerbetrags sozial gerecht umgesetzt wird - oder besser: für selbstgenutzte Wohnimmobilien bis zu einem bestimmten Quadratmetersockel komplett entfällt.

Sonstige Erwerbsnebenkosten: Um den Ersterwerb einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses für alle Gehaltsgruppen möglich zu machen, sind die Erwerbsnebenkosten so gering wie möglich zu halten. Insbesondere das Bestellerprinzip für Maklerkosten beim Kauf, nachdem die Maklerkosten auf Käufer*in und Verkäufer*in hälftig aufzuteilen sind, sollte konsequent umgesetzt und auch auf Grundstücke ausgeweitet werden.

Straßenausbaubeiträge: Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (nach der Ersterschließung) durch die Kommunen lehnt der Verband Wohneigentum ab. Die kommunalen Straßen werden nicht nur von den Grundeigentümern, sondern von der Allgemeinheit genutzt. Daher fordert der Verband Wohneigentum, auch die kommunalen Straßen zur allgemeinen Infrastruktur zu rechnen und die Kosten entsprechend aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu tragen.

Ersterschließung: Die Kosten für die Ersterschließung sollen nur in einem Zeitraum von höchstens 10 Jahren nach Abschluss der Maßnahme gefordert werden können. Eigentümer*innen ist nicht zuzumuten, nach Jahrzenten - und dann naturgemäß überraschend - zur Kasse gebeten zu werden. Vor allem Erwerbern und Erwerberinnen von selbstgenutztem Wohneigentum, die ihre Investition ins Familienheim gut berechnen müssen und langfristige Darlehen bedienen, müssen stärker vor überraschenden Kosten geschützt werden.

A2 Förderung von Wohneigentum
Bau und Erwerb: Der Verband Wohneigentum kritisiert, dass es keine adäquate Eigenkapitalförderung gibt. Das erfolgreiche und zielgerecht Familien fördernde Baukindergeld ist ersatzlos ausgelaufen. Gerade junge Familien mit geringerem Einkommen (Schwellenhaushalte) haben von der Förderung profitiert und konnten sich so ein Eigenheim leisten. Bestehende Zuschuss- und Förderungsprogramme des Bundes, aber auch der Länder und Kommunen müssen verstetigt und ausgebaut werden. Potenzielle Eigentümer und Eigentümerinnen sind unbedingt besser über bestehende Programme zu informieren.

Anpassung an Familienphase: Die meisten Menschen wollen in ihrem Haus oder ihrer Wohnung nach dem Kauf so lange wie möglich leben. Die verschiedenen Phasen des Lebens ergeben jedoch jeweils neue Anforderungen an die Wohnumgebung. Manchmal müssen Menschen ihr Eigenheim auch verlassen und umziehen. Die politischen Rahmenbedingungen sollten dabei so gestaltet werden, dass Flexibilität auch mit dem Eigenheim möglich ist. Der Ausbau, Rückbau/Umzug und altersgerechte Umbau muss für Eigentümerinnen und Eigentümer machbar und finanzierbar sein.

In einer zunehmend alternden Gesellschaft ist es unerlässlich, Häuser und auch das Umfeld so altersgerecht und barrierearm zu gestalten, dass ein selbstständiges Leben weitestgehend möglich bleibt. Das KfW-Zuschussprogramm "Altersgerecht Umbauen" trägt dem Rechnung, muss aber mit sukzessiv steigenden Finanzmitteln ausgestattet und verstetigt werden. Nicht zuletzt die Planbarkeit von Investitionszuschüssen ist für die Zielgruppe ausschlaggebend.

Wohnberatung sollte flächendeckend, neutral und kostengünstig angeboten werden. Die Einbeziehung technischer Assistenzsysteme (Notrufsysteme, Smart Home, usw.) muss hierbei mitgedacht werden.

Erbbaurecht reformieren: Das Erbbaurecht ist als soziales Instrument weiterzuentwickeln. Wir fordern insbesondere, die aktuellen Regeln zu Erbbauzinserhöhungen, Erbbauzins bei Neuabschluss nach Ablauf des Altvertrags, Entschädigungen bei Vertragsbeendigung zu prüfen und eine faire soziale Neuregelung anzustreben.

A3 Baugewerbe und Handwerk unterstützen
Fachkräftemangel beheben: Schon heute klagen viele Bauherr*innen über lange Lieferzeiten für Baumaterial und einen Mangel an Fachkräften für die Durchführung der erforderlichen Arbeiten an ihren Immobilien sowie zur Bearbeitung von Bauanträgen in den kommunalen Baubehörden. Eine Sanierungswelle mit einer Vielzahl zu sanierender Häuser wird diesen Zustand verschärfen. Der Verband Wohneigentum fordert die Politik auf, durch Ausbildungsinitiativen, Duale-Ausbildungsprogramme, die Förderung von Mädchen und jungen Frauen in den sogenannten MINT-Fächern sowie gezielte Zuwanderung dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem erwarten wir in dem Zusammenhang, dass die Politik die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht aus dem Auge verliert, um die Erwerbsquote von Eltern mit Kindern sowie pflegenden Familienangehörigen weiter zu erhöhen.

B Energetische Versorgung im selbstgenutzten Wohneigentum: Energiesicherheit und Kosten

Vermeidung von Energiearmut und Versorgungssicherheit: Erstmals seit vielen Jahrzehnten steht die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas in Frage. Die Kosten für Energie steigen immens. Menschen mit mittleren Einkommen werden vergleichsweise wenig entlastet. Viele Menschen verdienen gerade so viel, dass sie von den bisherigen Entlastungspaketen der Bundesregierung kaum profitieren. Sie treffen die Energiepreise und Umlagen mit voller Wucht, da die Kosten für Verträge und Kredite etc. nicht einfach kurzfristig reduziert werden können. Der Verband Wohneigentum fordert die Entlastung aller Menschen, die die gestiegenen direkten und indirekten Energiekosten nicht allein tragen können. Hierzu gehören viele Hauseigentümer*innen wie junge Familien oder Rentner*innen. Langfristig muss dafür gesorgt werden, dass Energie erschwinglich bleibt und keine Energiearmut entsteht. Der Verband Wohneigentum fordert ein Wohngeld bzw. einen Lastenausgleich mit dauerhaftem Heizkostenzuschuss zu versehen, der sich in Abhängigkeit der Höhe der Energiekosten dynamisch regelt, sowie die Ausweitung der Berechtigten durch angemessene Erhöhung der Einkommensgrenzen.

Zudem muss die Regierung mit höchster Priorität an der Sicherung der Versorgung mit Energie und Gas arbeiten. Notfallversorgung muss vorgedacht und gesichert sein. Der Ausbau der regenerativen Energien muss weiter beschleunigt und europäische Unabhängigkeit von ausländischen Energiemärkten geschaffen werden.

Sanierungsförderung: Inflation, Energiekosten- und Zinssteigerungen führen zu Unsicherheiten und Belastungen, bei denen Entscheidungen für Investitionen ins Eigenheim für Verbraucherinnen und Verbraucher schwerfallen. Vielen Eigentümern und Eigentümerinnen mit geringeren und mittleren Haushaltseinkommen fehlen die erforderlichen Rücklagen für eine energetische Sanierung. Die Einzelförderhöhe im Bereich energetischer Sanierung wurden im Sommer 2022 zusätzlich reduziert - zwar um mehr Menschen davon profitieren zu lassen, durch die Reduktion wird der Anreiz zur Sanierung über die Förderung jedoch geringer.

Der Verband Wohneigentum mahnt die Politik an, erheblich mehr Mittel für die Förderungen von klimagerechter Sanierung der Häuser bereitzustellen. Der gemeinnützige Verein fordert:

  • Der Grundsatz "Es kann nur gefördert werden, was nicht gefordert wird", muss abgelöst werden, wenn anstelle von Anreizpolitik mit Ordnungsrecht neue Sanierungspflichten auferlegt werden. Klimakompatible Modernisierungen sind ansonsten noch nicht wirtschaftlich attraktiv genug. Zudem müssen gerade Menschen ohne Ersparnisse, die in Häusern mit schlechter Energieeffizienz wohnen, beim Sanierungsprozess unterstützt werden.

  • Förderungen zur Gebäudesanierung müssen sowohl viele Menschen erreichen als auch auskömmlicher, als wirklicher Anreiz, gestaltet werden. Zuschuss- wie Kreditprogramme müssen verstetigt werden und ein verlässliches Einplanen der Förderung ermöglichen.

  • Insbesondere ältere Eigentümer*innen müssen dabei unterstützt werden Kredite für die Sanierung zu erhalten, insbesondere im Zusammenhang mit verbilligten Krediten über die KfW.

  • Förderanträge müssen verständlich und die Beantragung einfach sein.

  • Gefördert werden sollte - in Verbindung mit einer entsprechenden Beratung - technologieoffen die Reduktion von klimaschädlichen Gasen. Eine Förderung von einzelnen Technologien hält der Verband Wohneigentum für nicht zielgerichtet.

  • Ebenso darf die in der GEG-Novelle vorgesehene Verpflichtung, bei einem Heizungsaustausch ab 2024 mindestens 65 % erneuerbare Energien einzusetzen, nur mit Rücksicht auf die vorzufindenden individuellen Vorgaben der Bestandsgebäude, die tatsächliche Umsetzbarkeit (lieferbare Technik, Handwerkerkapazität) und der jeweiligen Energieversorgungsinfrastruktur umgesetzt werden. Keinesfalls dürfen die Eigentümer*innen überfordert werden, entsprechende Ausnahmen in Härtefällen müssen möglich sein.

  • Verbraucherinnen und Verbraucher müssen bei der Förderung durch eigene Programme besonders berücksichtigt werden und nicht im Wettbewerb mit großen Unternehmen und Kommunen stehen. Gilt das so genannte Windhundprinzip haben private Wohneigentümer*innen sonst das Nachsehen.

  • Für die Einspeisung und Nutzung regenerativer Energien wie z.B. Photovoltaik müssen Anreize wie die Einspeisevergütung auch nach der kürzlich erfolgten Anpassung des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und der geplanten Steuererleichterungen weiter erhöht werden, um die Amortisationsdauer deutlich zu verringern. Gerade ältere Eigentümer und Eigentümerinnen scheuen Investitionen, die sich erst in 20 Jahren finanziell rechnen.

CO2-Bepreisung und Rückfluss für Sanierung: Dass CO2-Verursacher für die Emissionen zahlen, ist auf den ersten Blick angemessen. Die Aufteilung des CO2-Preises auf Vermieter*innen und Mieter*innen scheint jedoch unausgewogen. Vor allem Kleinvermietende (z.B. private Einliegerwohnung), die je nach finanziellen Möglichkeiten nur nach und nach sanieren können, am Verbrauch der Mieter*innen zu beteiligen, ist eine ungerechtfertigte zusätzliche Belastung. Ungewollt wird der Druck auf Mietende bei der Wohnungssuche steigen. Bei größeren Familien und älteren Menschen, die häufig zu Hause sind, vermuten Vermietende einen höheren Verbrauch. Ein Nachteil bei der Wohnungssuche. Auch die bürokratischen Hürden könnten zukünftig mehr Menschen von der Vermietung von zusätzlichem Wohnraum im Eigenheim abhalten. Der Verband Wohneigentum fordert, dass dies bei der Konzeption der CO2-Preis-Aufteilung mitbedacht wird.

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung müssen zudem unmittelbar und im vollen Umfang an die Verbraucherinnen und Verbraucher zurückgeführt werden, indem ökologisch sinnvolle Investitionen wie beispielsweise Sanierungen gefördert werden.

Sanierungsberatung und -begleitung: Beratung und Aufklärung sind der Schlüssel, um Eigentümerinnen und Eigentümer von Sanierungen zu überzeugen und die erforderlichen privaten und staatlichen Mittel sinnvoll mit einem möglichst hohen Nutzen einzusetzen. Das Beratungsangebot muss daher noch breiter ausgebaut werden und regional gut erreichbar sein. Die Kosten des individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP) sollten zu 100% übernommen werden oder der Eigenanteil durch Fördermittel bei der Sanierung ausgeglichen werden. Den lokalen Energieversorgern kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Bereits heute sind sie in der Regel bekannte und bewährte Anlaufstellen, die sowohl räumlich als auch personell in der Lage sind, entsprechende niederschwellige Angebote zur neutralen Energieeffizienzberatung vorzuhalten und anzubieten. Auch die weitere Einbindung von Verbraucherzentralen und Fachverbänden scheint hier sinnvoll.
Bund und Länder müssen zudem mit Nachdruck dafür sorgen, dass ausreichende Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für Handwerksmeister*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen vorgehalten werden.

C Nachhaltiger Bau und Bestandssanierung

Nachhaltige Baustoffe, Recycling: Der Bausektor ist weltweit für etwa 40 % der CO2-Emissionen verantwortlich, die Zementindustrie allein verursacht 8 % der globalen Treibhausgase. Außerdem bestehen schon heute Versorgungsengpässe für Rohstoffe. Nur ein Drittel der Baustoffe wird derzeit recycelt. Der Abriss und anschließende Neubau von Häusern an gleicher Stelle sollte daher Ausnahme und nicht häufige Konsequenz von zu hohen Sanierungskosten sein.

Für Neubauten und Bestandssanierungen sollten Baustoffe möglichst klimaschonend ausgewählt werden. Bauherr*innen sollten daher obligatorisch und kostenlos im Baugenehmigungsprozess über den Einsatz von klimafreundlichen Baustoffen, Bau mit wenigen verschiedenen Baustoffen (Sortenreinheit) sowie die Entsorgung von Baustellenabfällen intensiv beraten werden.

Interessante Ansätze für den Einsatz von neuen und alten klimafreundlichen Baustoffen bestehen bereits. Der Bau mit Holz muss forciert werden. Neben den alten traditionellen Baumethoden mit Lehm und/oder Stroh oder Kalksandstein gibt es zudem interessante Neuentwicklungen wie z.B. der Einsatz biologisch abbaubarer Pilze beim Bau. Die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich muss stärker gefördert werden.

Flächenversiegelung versus Hausgärten als Faktor fürs Kleinklima: Anders als bei Gewerbegebieten im Randbereich von Gemeinden nebst umfangreicher Verkehrsinfrastruktur ist die Flächenversiegelung bei privaten Neubauten relativ überschaubar. Aus Brachfläche oder landwirtschaftlicher Monokultur kann sogar nicht selten ökologischer Gewinn erwachsen. Die Hausgärten der Ein- und Zweifamilienhäuser können das Stadtklima positiv beeinflussen und bieten gerade in Städten wichtige ökologische Nischen zum Erhalt der Artenvielfalt. Viele Eigentümer*innen achten heute schon darauf, den Garten naturnah, insektenfreundlich und klimagerecht zu gestalten.

Auch die Versickerung von Wasser auf dem Grundstück und der nachhaltige Wasserverbrauch sind bei der Gartenplanung zu berücksichtigen. Deshalb soll dort, wo es Bausünden in Form von Schotterflächen oder übermäßig versiegelten Flächen gibt, mit einem Rückbau (Entsiegelung) derselben begonnen werden. Wo immer möglich, soll das Oberflächenwasser durch Zisternen oder ähnliches zurückgehalten werden. Der Einsatz von Regenwasser zur Bewässerung der Gartenbepflanzung soll dem Trinkwasser vorgezogen werden. Auch hier sollte die Beratung der Verbraucher und Verbraucherinnen zum naturnahen Gärtnern ausgebaut werden.

D Quartiersentwicklung: Städte und ländliche Räume

Bauland und Nachverdichtung nach Klimakriterien (Konsequenzen aus Flutkatastrophe 2021): Die Ausweisung von neuem Bauland sollte nach ökologischen Aspekten und vor dem Hintergrund von Hochwasserschutz mit Augenmaß geschehen. Gerade kleinere Gemeinden und Städte benötigen neue Konzepte für die Nachverdichtung und Wiederbelebung von Dorfkernen und Innenstädten, um neuen dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Quartiers- oder Siedlungsstrukturen sind zu berücksichtigen sowie bewohnbar zu erhalten.

In Ballungszentren und Regionen mit hoher Nachfrage ist knappes Bauland das Nadelöhr für Bau und Erwerb von Wohneigentum. In diesem Fall benötigt man die Ausweisung von Neubausiedlungen unter entsprechenden Anforderungen an Umwelt- und Hochwasserschutz.

"Jung kauft Alt": Der Verband Wohneigentum fordert die Politik auf, das punktuell vorhandene Programm "Jung kauft Alt" bundesweit aufzulegen. Mit einem solchen Programm können ältere Gebäude für Ersterwerber attraktiv werden. So werden Ressourcen geschont und Dorf- und Stadtkerne belebt. Bei einem Ausbau dieses Programms muss im Rahmen von Quartierskonzepten auch an notwendige Infrastrukturen sowie Digitalisierung gedacht werden.

Nah- und Fernwärme, erneuerbare Energien: Es braucht einen enormen Zuwachs an erneuerbaren Energien und die entsprechenden staatlichen Investitionen und Rahmenbedingungen. Mit dem beschleunigten Ausbau hat die Bundesregierung bereits begonnen. Neben dem Ausbau von Windkraft, Solarenergie und Wärmepumpen müssen energetische Quartierskonzepte weitergedacht, auskömmlich gefördert werden. Kommunen müssen bei der Entwicklung von Nah- und Fernwärmekonzepten sowie bei der Entwicklung individueller Lösungen technologieoffen unterstützt werden. Der VWE fordert die beschleunigte Entwicklung der energetischen Konzepte sowohl für geplante Neubausiedlungen als auch für die Versorgung bestehender Eigenheimsiedlungen. Die Partizipation der Bewohner und Bewohnerinnen ist dabei stärker in den Blick zu nehmen.

PV-Anlagen: Im Umfeld der Wohnimmobilien werden sich viele Eigentümer*innen zur Energiegewinnung auf PV-Anlagen konzentrieren. Der hierdurch gewonnene Strom kann vielfältig genutzt werden. Durch Entbürokratisierung und Wegfall der Besteuerung bzw. steuerliche Erleichterungen, sollte das Engagement der selbstnutzenden Wohneigentümer*innen noch stärker mobilisiert werden.

Smart Home: Mit der gewonnenen Energie müssen wir effizient umgehen. Smart Homes haben die ersten funktionalen Systeme, die es ermöglichen, bestimmte energieintensive Nutzungen in Zeiten zu verlagern, in denen die Energie mit Sonnenlicht erzeugt werden kann. Die entsprechenden Technologien sind weiter zu unterstützen und deren Nutzung zu fördern.

Infrastruktur, ÖPNV/Digitalisierung /schnelles Internet: Gerade im ländlichen Raum müssen Infrastruktur, ÖPNV und schnelles Internet ausgebaut werden, um eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicher zu stellen.

E Zusammenhalt der Gesellschaft: die Mitte stärken

Fördern des Gemeinschaftslebens: In krisenhaften Zeiten erweist sich ein starker Gemeinschaftssinn für den Einzelnen sowie für Siedlungen und Quartiere als stabilisierend. Vereine und Gemeinschaften sowie ehrenamtlich tätige Bürger*innen müssen stärker unterstützt werden. Gemeinschaften und Vereine sollten besonders beim Einrichten und bei der Unterhaltung von sozialen Begegnungsstätten Unterstützung erhalten. In "alternden" Siedlungen müssen rechtzeitig zukunftsfähige Konzepte erstellt werden.

Partizipation bei kommunaler Entwicklung: Bürgerinnen und Bürger müssen stärker in die kommunale Planung und Entwicklung ihrer Kommune einbezogen und an den Ergebnissen beteiligt werden. Die Beteiligung birgt die Möglichkeit von höherer Identifikation und mehr Bürgerengagement. Entsprechende Initiativen sind von Kommunen, Ländern und bundesweit auszubauen und weiterzuentwickeln.


Berlin, 6. Oktober 2022
Verband Wohneigentum

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