Tiny Houses - Chancen und Grenzen Trendthema oder doch eher etwas für die Nische?

November 2023

Trendthema oder doch eher etwas für die Nische? Ingenieur und Verband Wohneigentum-Mitglied Jens Engelhardt widmet sich mit seiner kleinen Projektentwicklungs-Firma im Landkreis Hildesheim unter anderem auch dem Thema Tiny Houses. Seine Meinung: Die Mini-Häuser stehen auch für eine Lebenseinstellung. Eine Studie bestätigt das. Und Kommunen reagieren.


Modell Tiny House
Speziell für Singles und Paare entwickelt - das Tiny House "Chilly Hilly" mit ca. 51 m².   © HildesHome
Ja klar, der Name kommt von der Stadt. Oder? Hildesheim - da liegt es nahe, das eigene dort ansässige Unternehmen HildesHome zu nennen. Der Name hat dann allerdings doch nicht nur mit dem Landkreis zu tun, sondern auch mit der Großmutter Hilde im fränkischen Fürth.

Jens Engelhardt erinnert sich gerne an die Wochenenden, die er und seine Geschwister bei der Oma verbracht haben. "Wenn sie ihren Mittagsschlaf gehalten hat, durften wir immer in dem großen Garten spielen. Da haben wir Kinder natürlich überall Ecken und Winkel entdeckt, und schon damals habe ich mir in meiner Phantasie immer ausgemalt, welche Häuser ich dorthin bauen könnte."

Tiny Houses: Thema kommt an

So gesehen ist Jens Engelhardt sich treu geblieben, auch wenn sein beruflicher Weg den 49-Jährigen Ingenieur über einige Umwege geführt hat. Heute baut er Häuser, 2017 hat er zusammen mit einem Rohbauer das Unternehmen gegründet. Und seit einem guten Jahr setzt er stark auf das Thema Tiny Houses (neudeutsch: winzige Häuser). "Wir können auch klein, und das können wir gut", sagt er, "inzwischen ist die Tiny-Serie unsere wichtigste Serie, das Thema kommt zunehmend in der Bevölkerung an".

Jens Engelhardt auf einer Tiny-House-Baustelle
Jens Engelhardt – seinen Kundinnen und Kunden drückt er übrigens immer einen VWE-Flyer in die Hand.   © HildesHome
Inzwischen gibt es Magazine zum Thema, Messen für Neugierige und die Facebook-Gruppe "Tiny House Deutschland" hat mehr als 72.000 Mitglieder. Woher kommt das Interesse an der kleinen und kompakten Wohnform? "Die größeren Häuser können sich viele nicht mehr leisten", ist Engelhardts Erklärung.

In Teilen der Bevölkerung wachse auch der Wunsch nach alternativen Wohnformen. Das Leben auf kleinem Raum steht für viele für ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Wohnen, für Individualität, Freiheit und Reduktion auf das Wesentliche - ist also auch ein Stück Lebenseinstellung.

Studie: Sechs Typen

Genau das bestätigt eine Studie zu Chancen, Grenzen und Risiken von Tiny Houses, die das schleswig-holsteinische Innenministerium zusammen mit der TH Lübeck im August 2023 herausgegeben hat. Laut der Studie leben Menschen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen in einem Tiny House - anders als in den aus den USA bekannten Trailerparks. Sie haben sich vielmehr bewusst dafür entschieden, Wohnraum, Besitz, Kosten, Aufwand und die Verantwortung zu reduzieren und begreifen das vielfach als Befreiung.

"Hinter der Konzentration auf das Wesentliche stecken in der Regel eine Philosophie und ein persönlicher Lebensentwurf", heißt es in der Studie, die sechs Typen benennt, die sich für die XS-Wohnform interessieren:

  • "Empty Nester", Mitte 50, beide erwerbstätig, die Kinder sind ausgezogen und das Familienhaus ist für zwei Personen zu groß;

  • Schwellenhaushalte, die sich nur bei Reduktion von Fläche Wohneigentum leisten können;

  • Idealisten und Idealistinnen, die sich für Naturbezug, Reduktion auf das Wesentliche und eine individuelle Wohnform entscheiden;

  • Menschen mit "brüchigen" Lebensläufen, deren Leben weder privat, noch beruflich oder räumlich Kontinuität hat - Hinweis? Tiny Houses kann man umziehen, herkömmliches Wohneigentum nicht;

  • Urbane Minimalisten, die Besitz als Belastung empfinden;

  • Menschen, die ihre Wohnsituation vorübergehend verbessern möchten, wie beispielsweise Studenten.

Kommunen reagieren

Immer mehr Kommunen beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema. Aktuelle Beispiele dazu finden sich auf der Website des 2019 gegründeten Tiny House Verbands. In Lübeck plant die städtische Wohnungsgesellschaft "Trave" bis zu 22 Tiny Houses. Die Stadt Bremen hat die für Mikrohäuser geeigneten Grundstücke in ihrem Baulückenkataster extra ausgezeichnet. Der Stadtrat Quakenbrück hat die Weichen für eine erste Siedlung in der Stadt gestellt.

Andere Kommunen bieten Infoveranstaltungen an oder starten Pilotprojekte. Offenheit einerseits, andererseits aber auch Vorbehalte und Unsicherheit, wie mit der XS-Wohnform in der Kommune ordnungsrechtlich umzugehen ist. Der Gebäudetyp kommt in Gesetzen und Regelwerken nicht vor, das Erfahrungswissen zu dieser relativ neuen Bewegung fehlt.

Chancen und Grenzen

Als Einsatzmöglichkeiten für die Minihäuser benennt die Studie unter anderem die Nachverdichtung in Baulücken oder die Nutzung bereits versiegelter Flächen wie beispielsweise ungenutzte Parkplätze oder Dächer. Die beweglichen Häuschen könnten auch eine Nutzungsperspektive für die sogenannten Enkelgrundstücke bieten und vorübergehend auf Pachtbasis "weitergegeben" werden. Die Besitzer "untergenutzter" Eigenheime, die ihre Wohnsituation ändern möchten, wenn die Kinder aus dem Haus sind, könnten sich kleine Restflächen in der Umgebung des Familienheims erschließen.

Tiny Houses eignen sich laut Studie allerdings nicht zur Lösung des bestehenden Wohnraummangels, da das Leben auf reduzierter Fläche nicht für alle möglich ist und besondere Anforderungen stellt - daher eignen sie sich auch nicht für den geförderten Wohnungsbau. Die Lebensdauer der kleinen Häuser ist noch ungeklärt, und die Nachhaltigkeit - oft als Argument ins Feld geführt - hängt von vielen Faktoren ab (Hersteller, Baumaterial, Lebensstil, Energiequellen), die nicht in jedem Fall erfüllt sind.

So autark wie möglich

Für Jens Engelhardt ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema, "ich bin so erzogen, auf die Umwelt zu achten", sagt er. Ein Stichwort: Autarkie. "Ein kleines Haus hat im Verhältnis eine größere Dachfläche, die wird so gut es geht zur Stromgewinnung genutzt. Geheizt wird über eine Stromheizung in den Fenstergläsern und rein rechnerisch schaffen wir Häuser, die autark in energetischer Hinsicht sind. Ob das in der Realität klappt, hängt natürlich davon ab, wie warm man es haben möchte." Gebaut werde in Hybridbauweise - ein hoher Holzanteil mit Betonkern, "wo möglich, setzen wir Recycling-Beton ein", so Engelhardt.

Engelhardt schätzt, dass er und sein Partner in einem Jahr mit einem guten Netzwerk an Subunternehmen zehn bis zwölf Häuser bauen werden, "mehr schaffen wir derzeit nicht". Aber er hat seine Fühler ausgestreckt, auch in andere Regionen Deutschlands, "das Thema kommt an, und wir wachsen mit." Oma Hilde hätte es gefreut.

Rund um Tiny Houses

Der Begriff Tiny House stammt aus den USA. Dort gelten Häuser mit umgerechnet 37 Quadratmetern Wohnfläche und darunter als "tiny". In Deutschland gibt es für das Minihaus bislang keine etablierte Definition. In der Regel hat es nicht mehr als 45 Quadratmeter Grundfläche, meist liegt sie zwischen 20 und 30 Quadratmetern (zum Vergleich: die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner beträgt in Deutschland aktuell 47,7 Quadratmeter). Die Spanne bei den Kosten ist groß: Die Minihäuser sind als "Bausatz" für 10.000 Euro zu bekommen oder schlüsselfertig und vollausgestattet für 100.000 Euro und mehr. Genehmigungsrechtlich entspricht das Tiny House grundsätzlich dem klassischen Einfamilienhaus, es gelten die üblichen Bauvorschriften, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Man muss sich also mit Genehmigungspflichten und regionalen Verordnungen auseinandersetzen, beispielsweise muss das Baugrundstück verkehrsmäßig und technisch erschlossen sein und Baugrenzen sind einzuhalten.

Katrin Ahmerkamp

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