Neue Klimapolitik für Gebäude?

Fünf Forschende aus Architektur und Ingenieurwesen haben eine Initiative gestartet, die etliche Verbände und Firmen unterstützen. Klimapolitik für den Gebäudebereich soll nachhaltiger, kostengünstiger und sozial verträglicher werden. Mitinitiator ist Professor Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE) und Mitglied im Beirat des Verbands Wohneigentum.

Altes Haus
Wärmewende neu denken: Dass nicht jeder allein vor den technischen Herausforderungen steht, sondern dass für 10 oder 20 Haushalte eine Lösung gemeinsam gefunden wird. Nicht 10 Wärmepumpen, sondern eine große. Genau wie früher im Verband Wohneigentum, als man noch gemeinsam Heizöl eingekauft hat.   © Familienheim und Garten/Lentner

Verband Wohneigentum: Herr Professor Walberg, was hat es mit der "Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor" auf sich?
Professor Dietmar Walberg: Wir meinen, dass wir mit dem Weg, der seit nunmehr zehn Jahren beschritten wird, um das Thema Wärmewende voranzubringen, scheitern werden. So viel ist klar: Wir müssen Energie einsparen und gleichzeitig versuchen, mit den Ressourcen, die wir haben, sorgsam umzugehen. Und dann haben wir begonnen über das Ordnungsrecht zu versuchen - mit der Energieeinspar-Verordnung 1975, später hieß es dann Gebäudeenergiegesetz - den Energieverbrauch zu senken. Anfangs funktionierte das, aber wir haben seit zehn Jahren keine sinkenden Energieverbräuche mehr und das zeigt, dass es so nicht weitergehen kann.

Dabei wurde Geld in Förderung investiert wurde, um Gebäude zu dämmen, Fenster zu tauschen und Heizungsanlagen zu ersetzen. War das falsch?
Walberg: Nein, wir müssen das weiter tun, aber mit einer ganz anderen Dynamik. Wollten wir nur mit diesen Maßnahmen am Haus die Klimaneutralität im Gebäudesektor erreichen, dann müssten wir feststellen, das Geld hätten wir gar nicht. Das heißt: Wir müssen umsteuern und uns auf die wirklich wirksamen Hebel besinnen.

Und die wären?
Einfach gesagt: Die Energieträger müssen CO2-frei (dekarbonisiert) werden, das ist das, was uns klimaneutral macht. Und da spielen die Menschen mit älteren Einfamilienhäusern eine wichtige Rolle, da wir dort auch den größten Handlungsbedarf haben. Aber würden wir jetzt erwarten, dass diese Wohneigentümer und -eigentümerinnen aus jedem ihrer Häuser ein Effizienzhaus mit niedrigstem Energieverbrauch machen würden, dann würden wir diese Menschen überfordern. Viele können das nicht leisten.

Wie geht es dann anders? Was rät Ihre Initiative?
Die Energieträger der Zukunft für die Raumwärme und die Warmwasserbereitung sind Strom und Fernwärme, auf die müssen wir uns konzentrieren. Da wo es nicht anders geht, wird es Nebenlösungen wie Biogas, Holz, Holzhackschnitzel, Pelletheizung geben müssen - aber homöopathisch, z. B. im ländlichen Bereich, weil wir sonst ein Kapazitätsproblem haben. Im innerstädtischen Bereich wird Gas zukünftig ein Auslaufmodell sein, das wird nicht in zehn, aber in 20 Jahren auch durch Strom ersetzt werden.

Doch wie kann man Strom und Fernwärme dekarbonisieren?
Portraitaufnahme Professor Dietmar Walberg
Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. und Beiratsmitglied des Verband Wohneigentum e.V. Professor Dietmar Walberg   ©ARGE e.V
Wir denken, ein Schlüssel ist die kommunale Wärmeplanung. Und da geht es auch darum, die Menschen an einen Tisch zu bringen. Dass nicht jeder allein vor den technischen Herausforderungen steht, sondern, dass für 10 oder 20 eine Lösung gemeinsam gefunden wird. Etwa nicht zehn Wärmepumpen, sondern eine große. Genau wie früher im Verband Wohneigentum, als man noch gemeinsam Heizöl eingekauft hat. Das gilt auch fürs Dämmen: Wenn ein Dachdecker zehn Dächer in der Straße saniert, ist das preisgünstiger, als wenn er sich nur ein Dach vornimmt.

Das erfordert Beratung, flächendeckend.
Ja! Beratung in der Fläche, von den Kommunen organisiert. Quartiere, Siedlungen kann man gebündelt betrachten - viele Häuser sehen zwar unterschiedlich aus, sind aber in einem ähnlichen Zustand. Da kann man sich ähnliche Maßnahmenpakete vorstellen.

Auch sprechen Sie von einer neuen Art der Förderung.
Die Bundesförderung zielt im Schwerpunkt noch darauf ab, möglichst viele Maßnahmen noch an einem Gebäude zu zentrieren. Dabei ist das eigentlich entgegen dem, was die privaten Eigentümer tun. Sie sanieren dann und das, was kaputt geht oder in die Jahre gekommen ist. Auch, weil der Geldbeutel es gar nicht anders zulässt. Viel spannender ist also, ein Förderprogramm aufzulegen, das in die Breite geht und das schrittweise Sanieren ermöglicht.

Auch der Verband Wohneigentum fordert, Wohneigentümer/innen nicht allein zu lassen mit der Generationenaufgabe Energiewende.
Das private Eigentum, das alte Siedlerhaus, vielleicht vererbt in der dritten Generation, das ist die Sicherung des Alters. Und wenn das jetzt in Frage gestellt wird, hinsichtlich einer langfristigen Betriebsfähigkeit, das geht nach hinten los. Den Druck muss man nehmen. Wir müssen sagen: Ihr kleinen Eigentümer seid zwar diejenigen, die über den schlechteren Wohnungsbestand verfügen. Der Grund ist aber nicht Unwillen, sondern es geht um Geld. Ihr müsst das tun, was sinnvoll und bezahlbar ist und dann eben auch feststellen: da hat sich die Technologie weiterentwickelt, da geht inzwischen auch eine Wärmepumpe an einem mäßig sanierten Haus. Das muss man jetzt den Menschen vernünftig nahebringen und ihnen dann die realistische Möglichkeit geben, an der Energiewende teilzuhaben. Das ist die zentrale Botschaft.

Interview: Anna Florenske

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