Eigentum verpflichtet Verkehrssicherung

Wer ein Eigenheim oder eine Wohnung mit Grundstück besitzt, muss Gefahren von Dritten abwenden, damit niemand auf dem Grundstück oder auf angrenzenden Wegen zu Schaden kommt. Diese sogenannte Verkehrssicherungspflicht begrenzt sich aber nicht nur auf herbstliches Laubfegen oder Schneeschippen im Winter, sondern beinhaltet vielerlei Aspekte. Holger Schiller, Rechtsanwalt im Verband Wohneigentum NRW, erklärt die wichtigsten Aspekte der Verkehrssicherungspflicht von Wohneigentümer*innen.

großer Baum
Lose Dachziegeln oder ein brüchiger Baum. Wie schnell muss ich handeln und die Gefahrenquelle beseitigen?   © pixabay

Verkehrssicherungspflicht - was bedeutet das für Eigentümer konkret?

Allgemein betrachtet ist die Verkehrssicherungspflicht eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen. Ein Unterlassen dieser Pflicht kann zu Schadenersatzansprüchen nach den Paragrafen 823 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führen. Es wird also nicht nur aktives Tun, das Personen oder Sachen schädigt, sanktioniert, sondern auch ein Nichthandeln, dass eine Schädigung nach sich zieht. Juristen nennen das "Unterlassung". Der Eigentümer, die Eigentümerin ist verpflichtet, aktiv zu handeln, um Schaden zu vermeiden. Aber: Ein Unterlassen stellt nur dann ein Fehlverhalten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar, wenn für den Wohneigentümer eine konkrete Rechtspflicht zum Handeln bestanden und er diese durch sein Unterlassen verletzt hat. Eine solche Pflicht besteht nach dem Gesetz für jeden, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält.

Was ist zu tun? Was gilt insbesondere nach Stürmen?

Laut Gesetz sind solche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Wohneigentümer für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Zudem liegt eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Lebenserfahrung auf eine Gefahr hinweisen. Erst recht liegt im bewussten Wegschauen eine Pflichtverletzung.

Grundstückseigentümer sollten daher in sachlich gebotenen Abständen ihr Grundstück und die angrenzenden Verkehrswege kontrollieren. Darunter fallen beispielsweise die Stufen zum Haus, der Zaun, der das Grundstück einfriedet, die Gehwegplatten vor dem Haus, im Garten oder vor der Garage. Eine Dachkontrolle steht außerdem grundsätzlich nach jedem Sturm an. Nicht nur Dachziegeln und Regenrinnen sind zu kontrollieren, sondern auch alle Aufbauten wie Schornsteine, Fotovoltaik-Anlagen, Antennen, Satellitenschüsseln etc.

Insgesamt gesehen hängt es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob, wie häufig und in welchem Umfang Wohneigentümer auf ihrem Grundstück befindliche Sachen/Bestandteile checken müssen. Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen stehen an, wenn sie im Einzelfall auch zumutbar sind.

Lose Dachziegeln oder ein brüchiger Baum. Wie schnell muss ich handeln und die Gefahrenquelle beseitigen?

Sieht man eine solche Gefahrenquelle, ist umgehend zu handeln, um Schaden zu vermeiden. Schnell ist die Stelle abzusperren und gegebenenfalls mit einer Hinweistafel zu versehen. Alsbald sollte man die Gefahrenquelle fachmännisch beseitigen lassen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich Grundstücks- und Hausbesitzer im Übrigen nicht allein durch das Anbringen eines Warnschildes von ihrer Verkehrssicherungspflicht befreien können indem sie etwa in Bezug auf die Gefahrenquelle einfach nur ein Schild "Auf eigene Gefahr" aufstellen. Allerdings, so die Rechtsprechung, fordere ein solches Hinweisschild, sofern es gut sichtbar angebracht und nicht von Büschen überwuchert ist, besondere Vorsicht von denen, die das Grundstück betreten. Das kann im Schadensfall relevant werden, wenn es um die Frage des Mitverschuldens eines Geschädigten geht. So kann ein Hinweisschild etwaige Haftungsansprüche von den geschädigten Personen reduzieren.

Die Verkehrssicherungspflicht legt auch fest, dass beispielsweise ein Baumeigentümer dafür Sorge tragen muss, dass von Bäumen, die auf seinem Grundstück stehen, keine Gefahren ausgehen. Entsprechende Vorkehrungen sind zu treffen, um Dritte zu schützen. Ein Baum muss beispielsweise stabil und standsicher sein. Ist das Gehölz dies aber nicht, können Gartenbesitzer für Schäden, die durch den Baum verursacht werden, beispielsweise durch herabfallende Äste oder Umsturz, haftbar gemacht werden. Das bedeutet im Klartext, dass der Grundstückseigentümer unter Umständen Schadensersatz oder Schmerzensgeld an die geschädigte Person zahlen muss.

Sturmschaden
© pixabay

Kann ein Eigentümer die Verkehrssicherungspflicht auf seine Mieter übertragen? Wenn ja, wie muss das geregelt sein?

Grundsätzlich ist auch bei vermietetem Wohnraum immer der Eigentümer oder die Eigentümerin verantwortlich dafür, dass die Verkehrssicherungspflicht eingehalten wird. Hausbesitzer können aber einige dieser Pflichten auf ihre Mieter umlegen. Diese Pflichten müssen jedoch explizit und vorab durch entsprechende Regelungen im Mietvertrag oder in der Hausordnung vereinbart werden. Dennoch müssen Wohneigentümer, die vermieten, kontrollieren, ob die Verkehrssicherungspflicht eingehalten wird.

Mein Grundstück ist nicht mit einem Zaun abgegrenzt und damit auch für Kinder frei zugänglich. Muss ich dann mögliche Gefahrenquellen für Kinder beseitigen?

Verkehrssicherungspflichten bestehen grundsätzlich nur gegenüber Personen, die befugtermaßen mit der Gefahrenquelle in Berührung kommen. Dennoch kann ausnahmsweise anderes gelten, nämlich wenn unbefugte Besucher nicht in der Lage sind, die Gefahrenlage zu erkennen (beispielsweise Kinder). So muss ein Grundstückseigentümer, wenn er beispielsweise auf seinem Grundstück einen offenen Gartenteich unterhält, alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen, um andere Personen, insbesondere hier Kinder, vor Schäden zu bewahren. Geeignet wäre hier ein Zaun um die Gefahrenquelle, wie einen Gartenteich, herum.

Ein Baum stürzt erst mehrere Wochen nach einem Sturm auf ein Auto. Der Eigentümer des Grundstücks hat direkt nach dem Sturm den Baum kontrolliert. Um nicht haften zu müssen: Wie kann er nachweisen, dass er dies getan hat?

Kommt es zu einem solchen Schaden, ist der Eigentümer des Baumes in der Beweispflicht. Er muss nachweisen, dass er alle ihm zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat und somit tatsächlich nicht für den verursachten Schaden verantwortlich gemacht werden kann.

Wie oft ein Baum kontrolliert werden muss, ist bis dato jedoch gesetzlich nicht festgehalten. Das bedeutet, dass die Häufigkeit der Kontrollen nicht pauschal festgelegt werden können, sondern sich diese nach den Umständen richtet: in welchem Zustand ist der Baum, welcher Art sind die örtlichen "Naturereignisse" und ähnliches. So spielt das Alter des Baumes, eventuelle Vorschäden oder Krankheiten ebenso eine Rolle wie der Standort und die dort zu erwartende Beanspruchung des Baumes.

Insbesondere nach Stürmen ist allen Grundstückseigentümern zu raten, entsprechende Kontrollen an ihrem Grundstück vorzunehmen bzw. fachlich versiert durch zertifizierte Baumkontrolleure vornehmen zu lassen. Es ist ratsam, diese Kontrollen schriftlich zu dokumentieren. Gefahrenquellen sollten unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, beseitigt werden.

Welche Versicherungen sind denn im Fall der Verkehrssicherungspflicht betroffen?

Damit im Falle eines Schadens der Grundstückseigentümer nicht auf allen Kosten selbst sitzen bleibt, empfiehlt es sich, eine Haus-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Oft ist diese schon in der normalen privaten Haftpflichtversicherung enthalten. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass derjenige, der seine Verkehrssicherungspflichten vorsätzlich bzw. grob fahrlässig vernachlässigt, seinen Versicherungsschutz unter Umständen ganz verlieren oder zumindest teilweise einbüßen kann. Grob fahrlässig handelt zum Beispiel derjenige, der beim Sichern seines Hauses und Grundstücks die erforderliche Sorgfalt grob außer Acht lässt, das heißt, dass er missachtet, was einem gewissenhaften und besonnenen Menschen bei der Gefahrenlage von vornherein hätte einleuchten müssen. Denn soviel ist sicher: Lose Dachziegel können bei Sturm herunterfliegen, Menschen verletzen und Dinge beschädigen. Brüchige Äste auch. Besser vorsorgen!

Die Landesverbände des Verbands Wohneigentum bieten ihren Mitgliedern Rechtsberatung und Gartenberatung an und helfen mit konkreten Tipps weiter.

Mehr Tipps zur Verkehrssicherung im Winter finden Sie hier.

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