Was passiert mit den Gasnetzen? Greenpaper als Diskussionsgrundlage

Juni 2024

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. In 21 Jahren soll es also keine leitungsgebundene Erdgasversorgung mehr geben, weshalb der Gasverbrauch sinken wird. Die bestehende Gasinfrastruktur ist dann in ihrer aktuellen Form voraussichtlich nicht mehr nötig. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat darum jetzt mit Blick in diese Zukunft ein Green Paper als Diskussionsgrundlage veröffentlicht: "Transformation der Gas-/Wasserstoffverteilernetze." In diesem Prozess stehen für den Verband Wohneigentum Planungs- und Rechtssicherheit für Nutzerinnen und Nutzer ganz oben.

Eine gelbe Plakette mit der Aufschrift Gas vor einer roten Ziegelwand
Mehr als 500.000 km Gasverteilernetze gibt es in Deutschland.   © PantherMedia
Mehr als 500.000 km Gasverteilernetzte gibt es laut BMWK hierzulande und mehr als 700 Netzbetreiber. Wenn nun in den kommenden Jahren immer mehr Nutzerinnen und Nutzer auf Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, werden Teile des Gasnetzes nicht mehr gebraucht. Und: Gas wird - falls nicht gegengesteuert wird - teurer, wenn die Abnehmerzahl sinkt. Schließlich werden die Kosten für das Netz derzeit von den Kundinnen und Kunden aufgebracht werden.

Agieren im Spannungsfeld

In dem Diskussionspapier ist die Herausforderung so formuliert: "Gasverteilernetze müssen im Rahmen der Transformation bis zu deren Abschluss im Interesse der Gewährleistung der Energieversorgung für Verbraucherinnen und Verbraucher sicher weiter betrieben werden. Sie werden jedoch am Ende der Transformation aller Voraussicht nach in deutlich geringerem Umfang benötigt werden als derzeit. Hieraus ergibt sich ein Spannungsfeld, in dem gleichzeitig Klimaziele, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen sind."

Was soll also mit der bestehenden Infrastruktur passieren? Rückbau oder nicht? Kann sie zur Verteilung von Wasserstoff umgerüstet oder für den Transport von Biogas/synthetischem Gas genutzt werden? (Das BMWK hält allerdings eine dezentrale Wasserstoffversorgung von Heizkunden/einzelnen Haushalten derzeit u. a. wegen der hohen Kosten und der voraussichtlich begrenzt verfügbaren Mengen für wenig wahrscheinlich.) Wie werden die verbleibenden Gaskunden verlässlich mit bezahlbarer Energie versorgt? Wie muss der gesetzliche Rahmen angepasst werden (der bislang von einem Gasnetz ausgeht, das auf nicht begrenzte Zeit von Kunden genutzt wird)?

Neuer Ordnungsrahmen

Ein Punkt bei einer Neudefinition des Ordnungsrahmens sind die Ende 2023 im EU-Gas-/Wasserstoff-Binnenmarktpaket beschlossenen Regelungen, die u.a. vorsehen, dass neue Gasnetzanschlüsse verweigert und bestehende gekündigt werden können. Angestrebt ist laut Green Paper, diese Regelungen bis 2025 im nationalen Recht zu verankern. Mit Blick auf die selbstnutzenden Wohneigentümer*innen hält der Verband Wohneigentum in den anstehenden Diskussionsprozessen u.a. folgende Punkte für unabdingbar:

  • Die enge Verzahnung einer übergeordneten Netzplanung mit der kommunalen Wärmeplanung. Entscheidungen darüber, was mit einzelnen Bereichen des Gasnetzes geschieht, müssen unter verpflichtender Einbindung lokaler Akteurinnen und Akteure getroffen werden mit Kenntnissen über die Erfordernisse vor Ort (Bottom-Up-Ansatz). Die Entscheidungen sind in die Wärmeplanung zu integrieren und für private Haushalte als Nicht-Experten transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren. Für Endnutzer*innen muss Planungs- und Rechtssicherheit in Bezug auf mögliche Anschlusskündigungen und Stilllegungspläne bestehen.

  • Der Transformationsprozess muss - wie auch vom BMWK in dem Green Paper verschiedentlich formuliert - eine bezahlbare Energieversorgung für private Haushalte gewährleisten. Eine partielle Stilllegung/Anschlussverweigerung darf nur möglich sein, wenn adäquate Versorgungsalternativen verfügbar sind. Der zeitliche Vorlauf dafür muss so definiert werden, dass Verbraucher*innen Investitionsentscheidungen zur Umrüstung ihrer Energieversorgung planen können. Eine erste Information sollte fünf Jahre, eine verbindliche Information drei Jahre im Vorhinein erfolgen.

  • Um in der Übergangsphase unbillige Härten, also eine unzumutbare und unverhältnismäßige Belastung oder Benachteiligung durch steigende Netzentgelte zu vermeiden, ist eine Härtefallregelung erforderlich.

  • Zu klären ist die Frage von Fällen, in denen Eigentümer sich für eine im novellierten Gebäudeenergiegesetz möglichen Hybrid-Lösungen entschieden haben (im Vertrauen auf den Weiterbetrieb des Gasnetzes) und im Nachhinein von Stilllegungen betroffen sind. Hier liegt ein Vertrauensschaden vor, für diese Fälle sind Entschädigungen vorzusehen.

Katrin Ahmerkamp

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