Erbbaurecht "Erbpacht muss ein bezahlbares Zukunftsmodell bleiben"

August 2024

Erbbaurecht: In den kommenden Jahren laufen viele Pachtverträge aus, wegen gestiegener Bodenpreise drohen starke Erhöhungen des Erbpachtzinses. In Lüneburg wehren sich Pächterinnen und Pächter sich zusammen mit dem Verband Wohneigentum Niedersachsen dagegen.

Ein Blick von oben auf die Lüneburger Altstadt mit ihren roten Backsteinhäusern.
Etwa 5 % der Gebäude hierzulande stehen auf Erbpacht-Grundstücken. Laufen Erbbauverträge in den kommenden Jahren aus und werden erneuert, drohen wegen der gestiegenen Bodenpreise höhere Erbpachtzinsen. In Lüneburg engagieren sich die Menschen gemeinsam mit dem Verband Wohneigentum Niedersachsen dagegen.   © PantherMedia/Uwe Gernhoefer

Erbbaurecht: Laufzeit vieler Verträge endet

In Lüneburg leben rund 10.000 Menschen auf Erbbaugrundstücken. Matthias Fricke ist einer von ihnen. Seit 1990 wohnt er mit seiner Familie in Zentrumsnähe in einem Mitte der 1950er Jahre erbauten Einfamilienhaus. Wie bei vielen anderen Eigentümern auch läuft sein Pachtvertrag in den nächsten Jahren aus. Wird dieser erneuert, droht eine saftige Erhöhung des Erbpachtzinses. Darum sind die Lüneburger zusammen mit dem Verband Wohneigentum Niedersachsen aktiv geworden.

"Wir haben uns damals für dieses Haus entschieden, weil die Lage für uns ideal war. Wir haben beide im Zentrum gearbeitet. Und im Laufe der Jahre haben wir natürlich viel in das Haus hineingesteckt, viel renoviert und modernisiert", erzählt Matthias Fricke, "man versucht ja immer auf dem Stand zu sein, was bei Häusern aus dieser Zeit gar nicht so einfach ist." Die drohende Erhöhung der Pacht macht ihm Sorgen. Seit Juli dieses Jahres ist der 64-Jährige im Ruhestand und engagiert sich in der im Herbst 2023 gegründeten Initiative "Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau - Lüneburg".

Porträtbild von Interviewpartner Matthias Fricke
Matthias Fricke, Initiative "Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau - Lüneburg".   © privat
Die Lüneburger Initiative unter Federführung des Verbands Wohneigentum Niedersachsen geht mit Informationsveranstaltungen an die Öffentlichkeit und führt Gespräche mit der Kommunal- und Landespolitik. Inzwischen wurde auf Initiative des Stadtkämmerers auch ein interfraktioneller Ausschuss eingesetzt, der sich mit dem Thema beschäftigt.

Die Ursprünge

In seinen Ursprüngen war das Erbbaurecht ein gezielt eingesetztes sozial- und wohnungspolitisches Instrument: Menschen mit kleineren Einkommen sollte bezahlbares Wohnen ermöglicht werden. Die Idee: Eigenes Haus auf fremden Grund. Denn wer sein Haus auf einem sogenannten Erbbaugrundstück kauft oder baut, spart die Kosten für den Grundstückskauf und zahlt stattdessen nur Erbbauzins. Für die Errechnung des Erbbauzinses ist der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entscheidend. Oft beträgt der jährliche Erbbauzins zwischen 3 und 5 Prozent des Grundstückswertes. Bei einem Wert des Grundstücks von 120.000 Euro würde das marktübliche Entgelt somit zwischen 3.600 Euro und 6.000 Euro pro Jahr liegen.

Laufen Verträge aus und werden erneuert, droht nun wegen der gestiegenen Bodenpreise eine Erhöhung des Zinssatzes. Matthias Fricke rechnet vor, was auf die Pächter in Lüneburg zukommen könnte: "Wenn wir von einem Bodenpreis von 430 Euro pro Quadratmeter ausgehen, das mit einer Grundstücksgröße von 600 Quadratmetern und einem Zinssatz von 4 % multiplizieren, sind wir bei 10.320 Euro."

Drohende Verdrängung aus dem Wohneigentum

Er verweist auf Senioren oder junge Familien, die auf einem Erbbaugrundstück wohnen und nicht das Budget haben, diese Erhöhungen finanziell zu verkraften. Bei alten Verträgen betrage die Pacht in der Regel etwa 500 bis 800 Euro im Jahr. Wer eine Rente von 1.250 Euro monatlich habe, könne sich eine Pacht von künftig 8.000 bis 11.000 Euro schlicht und einfach nicht leisten. Damit drohe eine Verdrängung aus dem oft zur Altersabsicherung erworbenen Wohneigentum, fürchtet Fricke. Weiteres Problem: Werden die Erbbauzinsen zu hoch, lässt sich die Immobilie auch nicht mehr verkaufen.

Die Initiative kritisiert, dass derartig hohe Erbbauzinsen im Grunde mit den Konditionen eines kreditfinanzierten Kaufs vergleichbar sind. Damit würden die eigentlichen Ziele des Erbbaurechts ad absurdum geführt werden. Fricke: "Das Erbbaurecht muss ein bezahlbares Zukunftsmodell bleiben." Die Initiative fordert daher, dass der Erbbauzins auf einen sozialverträglichen Zinssatz gesenkt wird und zusätzlich soziale Kriterien aufgesetzt werden.

"Ein bewährtes Modell erhalten"

Aber nicht nur in Lüneburg laufen in den kommenden Jahren viele Erbbauverträge aus. Viele dieser Grundstücke von Kommunen, Stiftungen oder Kirchen wurden in der Nachkriegszeit langfristig an Hauseigentümer vergeben und hatten eine Laufzeit zwischen 80 und 99 Jahren, die demnächst zu Ende geht. Aus einer Studie des Deutschen Erbbaurechtsverbands von 2023 geht hervor, dass in dem Zeitraum von 2041 bis 2050 zahlreiche Verträge hierzulande auslaufen.

Der Verband Wohneigentum fordert vor dem Hintergrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum dazu auf, die soziale Komponente des Instruments nicht aus den Augen zu verlieren. Peter Wegner, Präsident des Verbands Wohneigentum und Landesvorsitzender in Niedersachsen: "Es muss jetzt insgesamt um eine situationsangepasste Neugestaltung auslaufender Verträge gehen. Das Erbbaurecht ist ein in vielen Städten und Gemeinden bewährtes Modell, das Menschen die Schaffung und den Erhalt bezahlbaren Wohnraums ermöglicht. Das muss so bleiben."

Verband-Wohneigentum-Präsident Peter Wegnert
Peter Wegner, Präsident Verband Wohneigentum und Landesvorsitzender Niedersachsen.   © Chris Zeilfelder
Um das zu erreichen, sind nach Ansicht des gemeinnützigen Verbands verschiedene Wege denkbar:

  • Festlegen klarer Obergrenzen für die Erhöhung der Erbbauzinsen. Diese könnten beispielsweise 1 bis 2 Prozent des Bodenrichtwerts entsprechen, der regelmäßig überprüft und angepasst wird. Wegner: "Erbbauzinsen von 3 bis 6 % des Bodenrichtwerts entsprechen fast dem Finanzierungsaufwand bei Kauf des Grundstückes und konterkarierten den sozialen Charakter."

  • Koppelung der Erbbauzinsen an den lokalen Mietspiegel. Dies würde sicherstellen, dass die Anpassungen der Erbbauzinsen im Einklang mit den allgemeinen Mietpreisentwicklungen in der Region stehen und somit für die Erbbaurechtsnehmer*innen nachvollziehbarer und gerechter wären.

  • Denkbar wären auch sozial gestaffelte Erbbauzinsen.

Nach wie vor eine interessante Option

Die Grundstückskosten sind für Bauherren ein erheblicher Kostenfaktor - angesichts der rasant steigenden Grundstückspreise mehr denn je. Deshalb ist das Erbbaurecht nach Ansicht von Wegner nach wie vor eine interessante Option: "Es ermöglicht den Zugang zu Grund und Boden ohne die sofortige finanzielle Belastung des Kaufs, was für viele Familien und junge Menschen attraktiv ist. Durch die langfristige Nutzung könnten soziale und gemeinschaftliche Strukturen gestärkt und gleichzeitig der Wohnraummangel bekämpft werden." Für Wegner ist das Erbbaurecht ein Instrument, das auch in Zukunft Potenzial hat, zur Lösung aktueller wohnungspolitischer Herausforderungen beizutragen.

Zum Erbbaurecht
In Deutschland befinden sich nach Angaben des Deutschen Erbbaurechstverbands etwa 5 % der Gebäude auf Grundstücken, die in Erbpacht vergeben werden. Erbbaurechtsgeber sind meist Kommunen, Stiftungen oder Kirchen, seltener Immobilienunternehmen oder Privatpersonen. Rund 30 % der Erbbaurechtsverträge laufen zwischen 2041 und 2050 aus - das liegt daran, dass hierzulande sehr viele Erbbaurechte nach dem Zweiten Weltkrieg vergeben wurden. Die Laufzeit von Erbbaurechten ist gesetzlich nicht festgelegt, oft laufen die Verträge über einen Zeitraum von 70, 80 oder 99 Jahren.


Katrin Ahmerkamp

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