Verbandspositionen

1. Präambel

Energie ist kostbar. Das wird uns seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine besonders bewusst. Die Abhängigkeit von dem großen Energielieferanten Russland muss mit allen Kräften durch viele zuverlässige alte und neue Partner aufgefangen werden - langfristig durch Erschließung neuer, klimaneutraler Energiequellen. Stabilität der Energiepreise und Energiesicherheit sind enorme Herausforderungen für Politik, Wirtschaft, Verbraucher und Verbraucherinnen in ganz Europa.

Gleichzeitig machen wir die Erfahrung: Klimaschutz ist existenziell und Aufgabe aller Teile unserer Gesellschaft. Die deutschen Ziele zur Minderung von Treibhausgasen sind mit Änderung des Klimaschutzgesetzes 2021 verbindlich auf Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 festgelegt. Seit 1990 konnten die CO2-Emmissionen bereits um 40 % reduziert werden. (QUELLE: BMWi; Datenbasis 1990-2020: UBA März 2021). Im Bereich der Gebäude sind es sogar 43 %. Auch das Engagement der selbstnutzenden Wohneigentümer und Wohneigen-tümerinnen, die bereits in neue Fenster, Türen, Dämmung oder eine neue Heizungsanlage investiert haben, hat dazu beigetragen. Dennoch wurden die angestrebten Klimaziele nicht erreicht. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die weiteren Anstrengungen in diesem Prozess für die Menschen zumutbar und sozial gerecht durchgeführt werden.

In Anbetracht möglicher Klimawandelfolgen und weiterer Krisen müssen wir zügig und mutig unser Engagement erhöhen, Häuser und Siedlungen zukunftsorientiert und resilient zu gestalten. Auf Wetterereignisse wie Hitze und Trockenheit, mögliche Waldbrände, aber auch Starkregen und Überflutung ist mit entsprechenden Anpassungen der bebauten Umwelt zu antworten. Kommunen, Siedlungen und einzelne Eigentümer*innen müssen in diesem An-passungsprozess beraten, unterstützt und begleitet werden. Die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen 2021 hat gezeigt, wie wichtig die Überprüfung und Neuaufstellung des Katastrophenschutzes, aber auch der vorausschauenden Bebauungs-pläne ist.

Resilienz schaffen heißt aber ebenso, das solidarische nachbarschaftliche Zusammenleben in Siedlung und Quartier unterstützen und fördern. Gerade in Krisenzeiten erweist sich ein starker Gemeinschaftssinn als stabilisierend. Die Wohnform "selbstgenutztes Wohneigentum" eignet sich in besonderer Weise, Identität, Generationengerechtigkeit, Nachbarschaft sowie
Engagement in der Kommune und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.
Der bewusste Umgang mit den endlichen Ressourcen und eine Änderung vorherrschender Denk- und Konsummuster ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Eigentümer und Eigentümerinnen sind bereit, ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Hierfür sind jedoch massive Förderungen, intensive Beratung und praktische staatli-che Unterstützung notwendig.

2. Der VWE tritt für die Schaffung und Erhalt des selbstgenutzten Wohneigentums ein

Das selbstgenutzte Wohneigentum hat einen hohen gesellschaftlichen Wert und ist mehr als ein "Dach über dem Kopf". Es ist selbstbestimmtes und selbstgestaltetes Wohnen in jeder Phase des Lebens. Wohneigentum ermöglicht Vermögensaufbau, ist Altersvorsorge und macht unabhängig. Es bietet Schutz vor Krisen wie Corona (Homeoffice, Homeschooling) und ermöglicht ein teilweise autarkes Leben inklusive der Selbstversorgung im Garten (Obst und Gemüse) und der eigenen Energieversorgung. 75% aller Menschen in Deutschland träumen vom eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung, während im europäischen Vergleich mit 44 % Wohneigentumsquote relativ wenige im selbstgenutzten Wohneigentum leben.

Wohneigentümer*innen stehen zugleich aktuell und perspektivisch unter erhöhtem Druck, durch hohe Steuern, Abgaben und Auflagen. Die aktuellen Krisen treffen Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum sowie Bauherr*innen in besonderem Maße: Energiepreise, Inflation, Lieferengpässe, Handwerkermangel aber auch speziell: Verteuerung von Bau-grund, Baufinanzierung, Baustoffen und Handwerkerkosten. Die Politik muss daher handeln und die Rahmenbedingungen gezielt für die Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum verbessern.

3. Positionen und Forderungen

1. Abschaffung der Grunderwerbssteuer für selbst genutzte Wohnimmobilien bzw. Einführung eines Freibetrags

Die Grunderwerbssteuer ist mit 6% ein wesentlicher Kostenfaktor beim Erwerb von Wohneigentum.
Das Ziel, mehr Menschen und vor allem jungen Familien den Wohneigentumserwerb als Element des Vermögensaufbaus, der Familienförderung und der Altersvorsorge zu erleichtern, muss durch einfache und umsetzbare Instrumente erfolgen.
Die Grunderwerbsteuer wurde erstmals 1983 für selbstgenutztes Wohneigentum mit 2 % eingeführt und betrug von 1997 bis 2006 bundesweit 3,5 Prozent. Danach konnten die Bundesländer die Höhe selbst bestimmen. In Hessen wurde die Grunderwerbsteuer zweimal er-höht, zuletzt zum 01.08.2014 auf 6%. Die Nachfrage nach Immobilien hat sich seitdem deut-lich erhöht und die Immobilienpreise sind drastisch gestiegen. Das Land Hessen hat mit der Grunderwerbsteuer dabei kräftig mitverdient. Seit 2014 haben sich die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer mit rd. 2 Mrd. EUR fast verdoppelt.
Als Verband Wohneigentum Hessen fordern wir die Landespolitik auf, Erleichterungen für die selbst genutzten Immobilien zu schaffen, indem die Grunderwerbsteuer für selbst genutzte Wohnimmobilien abgeschafft oder die Einführung eines Freibetrages vorgenommen wird.

2. Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (nach der sogenannten Ersterschließung) durch die Kommunen stößt weiterhin landesweit auf Kritik.
Die Regelung in § 11 KAG, wonach die Kommunen selbst entscheiden können, ob sie Stra-ßenbeiträge erheben oder nicht, trägt nicht zu einer Befriedung der Situation bei. Eine Ent-lastung der Grundstückseigentümer*innen ist nicht gegeben, im Gegenteil, die neuen Rege-lungen führen dazu, dass finanzstarke Kommunen die Straßenbeiträge abschaffen und es dadurch zu weiteren Ungerechtigkeiten im Land kommt. Die Mehrheit der Kommunen ist dazu nicht in der Lage und erhebt weiterhin Straßenbeiträge von den Anliegern und Anliegerinnen.

Straßenausbaubeiträge sind ungleich, ungerecht und unsozial.
Ungleich, weil die Situation der Bürger*innen von der zufälligen Lage seines Grundstücks in dieser oder jener Kommune abhängt. Denn diese gibt es nicht in allen Bundesländern und Kommunen. In Hessen haben wir inzwischen einen Flickenteppich. Gleiche Lebensbedingun-gen für alle Bürger in Hessen sind nicht gegeben.
Der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 des Grundge-setzes ist nachvollziehbar.
Ungerecht, weil die kommunalen Straßen, genau wie Bundes- und Landstraßen, nicht nur von den Grundeigentümern und Grundstückseigentümerinnen, sondern ebenso von der Allgemeinheit genutzt werden.
Dies vor allem deshalb, weil viele Kommunen ihre innerörtlichen Straßen allzu oft nicht zeit-gerecht und regelmäßig auf eigene kommunale Kosten sanieren, sondern so lange warten, bis eine Komplettsanierung auf Kosten der Anlieger*innen unumgänglich ist.
Auslöser der öffentlichen Diskussionen sind nicht nur die Fälle, in denen Grundbesitzer*innen zu immensen Beiträgen herangezogen wurden und die mit dem Verlust der eigenen wirtschaftlichen Existenz enden. Bereits die finanzielle Belastung in üblicher Höhe, mit der der Anrainer und die Arainerin nicht rechnen musste, ist oft unzumutbar. Der Kritik schließen wir uns an.
Straßen sind Bestandteil der Infrastruktur genauso wie Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen oder Anlagen. Diese werden durch allgemeine Steuergelder finanziert und überwiegend durch Landesmittel bezuschusst.
Unsozial, weil die - auch durch den Staat ermunterte - Wohneigentumsbildung durch überraschende Zusatzkosten belastet wird: Vor allem junge Familien sparen für ein eigenes Haus und tragen dazu bei, dass viele regionale Unternehmen Arbeitsplätze schaffen. Ist das Haus abbezahlt und die Investition auch im Sinne einer Altersvorsorge abgeschlossen, kommen vielfach erneut hohe Kosten für den Straßenausbau hinzu.

Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, die ja unverzichtbar zur Erreichung der durch die Politik gesetzten Klimaziele notwendig sind, zehren die Rücklagen der Wohneigentümer*innen auf.
Die Situation ist unbefriedigend und viele wohnungswirtschaftliche Verbänden fordern eine landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge.
Das in der Hessischen Verfassung in Artikel 26 d formulierte Staatsziel "Gleichwertige Le-bensverhältnisse für alle Bürger*innen" ist auch bei den Straßenbeiträgen zu beachten.
Unser Nachbarland Nordrhein-Westfalen hat bei gleicher politischer Konstellation eine rückwirkende Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Koalitionsvertrag vereinbart. Kann Hessen als eines der finanzstärksten Bundesländer sich diesen Schritt nicht leisten?

Wir fordern die Hessische Landesregierung auf:
• Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus dem Kommunalabgabengesetz Hessen
• Kompensierung der Anliegerbeiträge durch Landesmittel
• Härtefallregelung für Beitragspflichtige, die seit dem 01.01.2018 noch zu Beiträgen her-angezogen wurden
• Ermöglichung von Rückzahlungssatzungen auf kommunaler Ebene
• Förderung eines nachhaltigen Straßenbaumanagements zur Kosteneinsparung in den Kommunen

3. Zeitliche Begrenzung für Abrechnung von Erschließungskosten

Die Kosten für die Ersterschließung sollen nur in einem Zeitraum von höchstens 10 Jahren nach Abschluss der Maßnahme gefordert werden können. Eigentümer*innen ist nicht zuzumuten, nach Jahrzenten - und dann naturgemäß überraschend - zur Kasse gebeten zu wer-den. Vor allem Erwerbern und Erwerberinnen von selbstgenutztem Wohneigentum, die ihre Investition ins Familienheim gut berechnen müssen und langfristige Darlehen bedienen, müssen stärker vor überraschenden Kosten geschützt werden.

4. Wohneigentumsförderung

Kosten- und Zinssteigerungen tragen dazu bei, dass der Erwerb von Wohneigentum für breite Schichten der Bevölkerung zunehmend schwieriger wird.
Das Eigenheim und die Eigentumswohnung sind nach wie vor die beliebtesten Wohnformen in Deutschland und bieten auch den besten Schutz vor steigenden Mieten und eine gute Altersvorsorge. Um die soziale Frage Wohnen lösen zu können, muss auch der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum aktiv gefördert werden - insbesondere für Haushalte mit normalen und niedrigen Einkommen und gerade jetzt in einer Krisenzeit.
Eine der Kostensteigerung angepasste Förderung beim Hessendarlehen unter Beibehaltung der niedrigen Zinssätze trägt dazu bei.

5. Pflicht von PV-Anlagen im privaten Wohnungsbau

Der Klimawandel gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Transformation zur Elektromobilität und der Wärmeversorgung mit Wärmepumpen bedarf eines enormen zusätzlichen Strompotentials. Dieser Strombedarf kann größtenteils klimaneutral durch Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern erzeugt werden. Deshalb ist es unerlässlich, eine gesetzliche Solarpflicht zur Installation von PV-Anlagen auf allen neu gebauten Wohngebäuden einzuführen.

6. Sanierungsberatung und -begleitung:

Beratung und Aufklärung sind der Schlüssel, um Eigentümerinnen und Eigentümer von Sanierungen zu überzeugen und die erforderlichen privaten und staatlichen Mittel sinnvoll mit einem möglichst hohen Nutzen einzusetzen. Das Beratungsangebot muss daher noch breiter ausgebaut werden und regional gut erreichbar sein. Die Kosten des individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP) sollten zu 100% übernommen werden oder der Eigenanteil durch Fördermittel bei der Sanierung ausgeglichen werden. Den lokalen Energieversorgern kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Bereits heute sind sie in der Regel bekannte und bewährte Anlaufstellen, die sowohl räumlich als auch personell in der Lage sind, entsprechende niederschwellige Angebote zur neutralen Energieeffizienzberatung vorzuhalten und anzubieten. Auch die weitere Einbindung der Verbraucherzentrale und Fachverbänden scheint hier sinn-voll.
Bund und Länder müssen zudem mit Nachdruck dafür sorgen, dass ausreichende Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für Handwerksmeister*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen vorgehalten werden.

7. Nachhaltige Regenwassernutzung auf Privatgrundstücken und in Hausgärten

Die in vielen Landesteilen langanhaltende Trockenheit in diesem Jahr zeigt deutlich, dass der Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser gründlich überdacht werden muss. Dabei sind nicht nur die Verbraucher*innen gefragt. Gemeinden und Städte, Industrie, Land-/Wirtschaft und Politik: Wenn es ums Wassersparen geht, müssen alle an einem Strang ziehen!
Die Regenwasserrückhaltung auf Privatgrundstücken und in Hausgärten ist hier ein wichtiger Baustein. Viel zu viel Wasser gelangt immer noch in die Kanalleitungen. Bei Starkregener-eignissen kollabiert das Netz und Überschwemmungen sind die Folge. Die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr hat die Problematik nur wenig entlastet, zu gering ist der Spar-anreiz.
Mit dem Sammeln von Regenwasser in Zisternen oder der Versickerung vor Ort in Mulden oder in Rigolen können Regenwasserspitzen abgefangen werden, gleichzeitig wird die Nutzung von kostbarem Trinkwasser reduziert.
Mit Förderprogrammen können Anreize für den Bau dieser Maßnahmen geschaffen werden.

8. Verbot von Kiesschüttungen in öffentlichen und privaten Gärten

Trotz Klimawandel und Artensterben scheint der Trend der Kiesschüttungen ungebrochen. Zwar gibt die Hessische Bauordnung in § 8 vor, dass die nicht überbauten Flächen der bebau-ten Grundstücke 1. wasserdurchlässig zu belassen oder herzustellen und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen sind. Allerdings findet entweder keine Kontrolle vor Ort statt, oder es fehlt seitens der Baubehörden die Handhabe, gegen diese "Gleisbettanlagen" in den (Vor)Gärten vorzugehen - zu schwammig die Definition der HBO. Einzelne Kommunen haben die Zeichen erkannt und gestalten ihre Satzungen entsprechend neu. Ein Verbot dieser Kiesschüttungen (als Schottergärten sollte man sie nicht bezeichnen, denn mit Gärtnern haben sie nichts zu tun) auf Landesebene, ähnlich wie in Baden-Württemberg schon 2020 geschehen oder aktuell in Nordrhein-Westfalen geplant, würde einerseits den Kommunen Rechtssicherheit bieten und auf der anderen Seite den Bürger*innen klarmachen, dass diese Art der Freiflächennutzung in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel ist.

9. Erbbaurecht reformieren

Das Erbbaurecht ist als soziales Instrument weiterzuentwickeln. Wir fordern insbesondere, die aktuellen Regeln zu Erbbauzinserhöhungen, Erbbauzins bei Neuabschluss nach Ablauf des Altvertrags, Entschädigungen bei Vertragsbeendigung zu prüfen und eine faire soziale Neuregelung anzustreben.


Oberursel, März 2023

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