NRW will Straßenausbaubeiträge abschaffen Beiträge sollen teilweise auch rückwirkend erstattet werden
Oktober 2023
Ein Riesenerfolg für alle, die sich neben unserem Landesverband in Nordrhein-Westfalen gegen die Straßenausbaubeiträge (STRABS) engagiert haben: Mit dem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hat die Landesregierung das Aus in Nordrhein-Westfalen vorbereitet. Wird der Entwurf vom Parlament in Düsseldorf verabschiedet, kommt ein jahrelanger Streit für den Verband Wohneigentum in NRW zu einem guten Ende. Im Interview erklärt dessen Landesvorsitzender Peter Preuß die Details.
Verband Wohneigentum: Herr Preuss, in NRW sollen die Straßenausbaugebühren endlich abgeschafft werden. Wie bewerten Sie diese Nachricht?
Peter Preuß: Es hat sich gelohnt, dass unser Verband sich vehement, beharrlich und vor allem mit überzeugenden Argumenten für die Abschaffung eingesetzt hat. Mein Dank gilt allen Mitgliedern und Vorständen, die sich auf allen Ebenen, nicht nur auf Landesebene, sondern auch und insbesondere in den Kreisverbänden und Gemeinschaften durch Veranstaltungen, Unterschriftsaktionen und Gesprächen mit Politikern und anderen dafür eingesetzt haben. Das hat Wirkung gezeigt.
Deshalb ist es eine außerordentlich erfreuliche Nachricht, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vorgelegt hat, nachdem das Landesparlament bereits Anfang 2022 die Abschaffung beschlossen und eine entsprechende verbindliche gesetzliche Regelung gefordert hatte. Wenn der Gesetzentwurf beschlossen wird, wovon auszugehen ist, steht nunmehr für jeden "schwarz auf weiß" fest, dass zukünftig keine Ausbaubeiträge mehr erhoben werden.
Was bedeutet das konkret, wenn es heißt, die Landesregierung will das "Gesetzgebungsverfahren einleiten"?
Das zuständige Ministerium hat den Gesetzesentwurf dem Parlament zugeleitet. Es beginnt nun das übliche Gesetzgebungsverfahren mit den parlamentarischen Lesungen und Beratungen. Wir gehen davon aus, dass das Gesetz spätestens im März 2024 so beschlossen wird, wie es das Parlament erreicht hat.
Ab wann brauchen Menschen mit Wohneigentum in NRW keine folgenreichen STRABS-Bescheide mehr zu befürchten?
Laut dem Gesetzentwurf gilt das Aus für die STRABS für Baumaßnahmen ab dem 1. April 2024. Da aber aufgrund des Parlamentsbeschlusses von 2022 für alle Baumaßnahmen ab dem Stichtag 1. Januar 2018 in NRW ein Förderprogramm zur Finanzierung der Straßenbaumaßnahmen in Kraft ist, haben Mitglieder für Maßnahmen, die nach diesem Stichtag liegen, keine finanziellen Folgen zu befürchten. Die Beiträge sind für die Zeit ab diesem Stichtag schon jetzt faktisch abgeschafft.
Die STRABS sind ein wohnungspolitischer Dauerbrenner im Verband Wohneigentum. Welche wichtigen Meilensteine des Protests gegen die STRABS gab es?
Frühjahr 2018: Bayern schafft die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1.1.2018 ab. Das löst Debatten in ganz Deutschland aus.
Juli 2018: Eine Mitgliederbefragung beim Verband Wohneigentum NRW ergibt: Drei Viertel der Befragten sprechen sich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus. Auch der Vorstand im Verband Wohneigentum spricht sich anschließend klar für die Strabs-Abschaffung aus.
Oktober 2018: Die Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge startet. Initiiert wurde sie vom Bund der Steuerzahler NRW; der Verband Wohneigentum NRW schloss sich an. Die Unterschriftensammlung zur Unterstützung der Volksinitiative beginnt in den Gemeinschaften und Kreisverbänden des Verband Wohneigentum NRW.
Juli 2019: Unser stellvertretender Vorsitzender Michael Dröge legt für den Verband Wohneigentum NRW ein Finanzkonzept zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vor.
September 2019: Die 440.000 Unterschriften der Volksinitiative werden an Landtagspräsident Andre Kuper überreicht.
Dezember 2019: Der Landtag beschließt Änderungen im Kommunalabgabengesetz (KAG NRW): Die Reform macht Anliegerversammlungen, ein kommunales Straßen- und Wegekonzept zur Pflicht, Stundungen und Ratenzahlungen bei der STRABS müssen zukünftig angeboten werden. Außerdem: Über ein Förderprogramm sollen 50 % der Anliegerbeiträge durch das Land übernommen werden.
März 2022: Die regierungstragenden Fraktionen stellen einen Antrag an die Landesregierung, die STRABS zunächst vollständig über das Förderprogramm zu finanzieren und dann einen Gesetzentwurf zur Abschaffung vorzulegen.
Juni 2022: Das von der Landesregierung vorgelegte Rechtsgutachten bringt leider nur unzureichende Vorschläge zur endgültigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hervor.
September 2023: Die Landesregierung legt endlich einen Gesetzentwurf zur endgültigen Abschaffung vor.
Für alle, die es noch nicht am eigenen Leib erfahren mussten: Warum sind Straßenausbaubeiträge so ungerecht und gehören abgeschafft?
Der Gesetzgeber hatte die Vorstellung, dass der Ausbau einer Straße für die anliegenden Grundstücke eine Verbesserung darstellt und damit den Wert des Grundstücks erhöht. Deshalb sei es gerechtfertigt, die profitierenden Grundstückseigentümer mit einem erheblichen Anteil an den Ausbaukosten zu beteiligen.
Das ist ein Trugschluss. Der Wert eines Hausgrundstücks hängt von verschiedenen Faktoren ab (Baujahr/Zustand/ Wohnfläche etc.). Der Ausbau einer Straße ist je nach Straßentyp sogar wertmindernd. Wird die Straße ausgebaut, kommt es in der Regel zu mehr Verkehr, der ohnehin in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Siedlungsstraßen werden zunehmend auch von Nichtanliegern z.B. als Schleichweg genutzt, so dass der Ausbau, selbst wenn er notwendig ist, kaum im Interesse des einzelnen Grundstückseigentümers liegt, sondern im öffentlichen bzw. allgemeinen Interesse.
Hinzu kommt ganz wesentlich, dass die Baukosten in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind und damit auf die Grundstückseigentümer enorm hohe Beiträge zukommen. Das überfordert viele finanziell, vor allem ältere Grundstückseigentümer. Sie können mit ihrem "normalen" Einkommen keine liquiden Mittel ansparen, bekommen häufig aufgrund ihres Alters keinen Kredit bei der Bank und werden von den Bescheiden überrascht, weil sie Abrechnungen mitunter erst nach vielen Jahren nach Abschluss der Baumaßnahme erhalten. Vielfach stehen sie praktisch vor dem finanziellen Ruin.
Dazu: Die Abrechnungen sind komplex, deshalb auch fehleranfällig und können letztlich nur durch Fachleute wirksam überprüft werden. Selbst die Behörden klagen darüber, dass die Abrechnungen einen hohen personellen und bürokratischen Aufwand erfordern. Deshalb ist übrigens die Abschaffung auch im Interesse der Kommunen.
Interview: Anna Florenske