Haus vererben, aber richtig Interview

Wer ein Haus oder eine Wohnung besitzt, macht sich am besten frühzeitig Gedanken, wer es später bekommen soll. Man kann eine Immobilie bereits zu Lebzeiten übertragen oder sie per Testament, Erbvertrag oder mit der gesetzlichen Erbfolge vererben. Otto N. Bretzinger, der Autor des Ratgebers "Meine Immobilie verkaufen, verschenken oder vererben" der Verbraucherzentrale, erklärt im Interview die wichtigsten Aspekte.

Symbolbild: Ein Haus auf der Hand wird übergeben
Wer von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchte, braucht unbedingt ein Testament.   © PantherMedia_tommyandone

Verband Wohneigentum (VWE): Welche Übertragung einer Immobilie innerhalb der Familie ist aus Ihrer Sicht die beste, wenn man Erbschaftsteuer sparen will?
Portrait Otto N. Bretzinger, Autor und Journalist
Otto N. Bretzinger, Autor und Journalist   © Melanie Smiejkowski

Otto N. Bretzinger: Eine Immobile kann entweder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bereits zu Lebzeiten übertragen werden oder die Übertragung erfolgt im Wege des Erbrechts nach dem Tod des Erblassers. Steuerfrei ist die Schenkung des Familienheims zu Lebzeiten an den Ehegatten. Der Wert der Immobilie wird also nicht auf den dem Ehegatten zustehenden allgemeinen Steuerfreibetrag von 500.000 Euro angerechnet.

Ebenfalls steuerfrei ist die Übertragung des selbstgenutzten Wohneigentums an den Ehepartner im Wege der Erbfolge. Wenn der länger lebende Ehegatte die Immobilie komplett steuerfrei erben will, muss er oder sie diese aber grundsätzlich zehn Jahre lang selbst bewohnen. Wer früher auszieht, muss er die Steuer nachzahlen, es sei denn, es wird ein Umzug ins Pflegeheim erforderlich. Erbt ein Kind das Wohneigentum, so ist die Übertragung nur dann erbschaftsteuerfrei, wenn es maximal 200 qm groß ist. Darüber hinaus muss Erbschaftsteuer gezahlt werden, abzüglich des persönlichen Freibetrags von 400.000 Euro.

Welche Vor- und Nachteile hat die Übertragung einer Immobilie zu Lebzeiten und was ist dabei wichtig?
Ein Vorteil der Vermögensübertragung zu Lebzeiten ist, dass die Nachkommen Vermögen zu einem Zeitpunkt erhalten, zu dem sie es benötigen. Dadurch können auch Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche bei geschickter Gestaltung minimiert werden.

Ein großer Nachteil ist zwangsläufig der Verlust des Vermögens, selbst wenn man sich die weitere Nutzung vorbehält (z. B. durch ein Wohnrecht). Es verlangt eine Prognose der künftigen Lebensumstände, damit trägt man zwangsläufig das Risiko, wie sich die eigenen finanziellen Verhältnisse künftig entwickeln werden. Schließlich kann die Durchführung einer vorweggenommenen Erbfolge erheblich mehr Kos¬ten (z. B. Notar- und Grundbuchkosten) verursachen als die Vermögensübertragung im Wege des Erbrechts.

Ob es sinnvoll ist, sich schon zu Lebzeiten von Vermögenswerten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu trennen, kann generell nicht beurteilt werden. Individuelle familiäre und wirtschaftliche Gesichtspunkte sind maßgebend. So kann beispielsweise die lebzeitige Übertragung einer Immobilie auf die Kinder sinnvoll sein, wenn eine größere Instandsetzung oder Renovierung ansteht.

Wie wichtig ist ein Testament bzw. ein Erbvertrag?
Ein Testament ist immer dann wichtig, wenn man von der vom Gesetz geregelten Erbfolge abweichen will. So sieht das Gesetz beispielsweise vor, dass bei Eltern mit Kindern neben dem länger lebenden Ehegatten auch die Kinder erben. Ist diese Erbfolge nicht gewollt, muss man ein Testament verfassen und die Erbfolge individuell regeln. Ein Testament ist immer auch dann notwendig, wenn man andere erbrechtliche Regelungen treffen will. So etwa, wenn man in Form eines Vermächtnisses einer Person eine Zuwendung machen will (z. B. dem Enkelkind ein Sparbuch), ohne sie als Erbe einzusetzen, oder wenn man den Erben Auflagen erteilen will.

Der Erbvertrag ist gegenüber dem Testament eher die Ausnahme. Er wird abgeschlossen, um dem Erben die Erbschaft rechtlich zu sichern. Während Verfügungen im Testament grundsätzlich jederzeit widerrufen werden können, ist das beim Erbvertrag grundsätzlich nicht möglich, weil sich der Erblasser rechtlich gebunden hat. Und in manchen Fällen besteht tatsächlich das Bedürfnis nach mehr Bindung als in einem Testament. So etwa, wenn ein Kind in das Haus seiner Eltern für Instandhaltung oder Renovierung investiert hat und sichergehen will, dass es die Immobilie später erben wird. Vor allem für nichteheliche Partner ist der Erbvertrag eine geeignete Form, erbrechtliche Verfügungen zu treffen.

Welche erbrechtlichen Anordnungen können darin getroffen werden und welche nicht?
Im Testament können zum Beispiel andere als die gesetzlich vorgesehenen Erben eingesetzt werden. Es kann sich auch darauf beschränken, gesetzliche Erben zu enterben. Den Erben können Auflagen erteilt werden, etwa in der Form, dass Sie eine Immobilie nicht verkaufen dürfen. Durch ein sogenanntes Vermächtnis kann einer Person ein Vermögensvorteil (z. B. Geld oder ein Grundstück) zugewendet werden, ohne sie als Erben einzusetzen. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, kann testamentarisch festgelegt werden, wie die Erben den Nachlass untereinander aufzuteilen haben. Testamentarisch kann auch Testamentsvollstreckung angeordnet und so sichergestellt werden, dass die erbrechtlichen Verfügungen vollzogen werden.

Nicht zulässig sind sittenwidrige Verfügungen in einem Testament. Häufig verfassen Eheleute ein Berliner Testament , in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben und nach dem Tod des länger lebenden Partners die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen. In einem solchen gemeinschaftlichen Testament werden nicht selten in Form einer sogenannten Wiederverheiratungsklausel die Folgen einer erneuten Heirat des länger lebenden Ehepartners geregelt. Wenn diese Klausel zu eng gefasst ist, ist sie unwirksam. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ehepartner für den Fall, dass er wieder heiratet, das gesamte Erbe verlieren soll und nicht einmal Vermögen in Form seines Pflichtteils behalten darf.

Welche Pflichtteilsansprüche sind zu berücksichtigen?
Wenn Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge durch ein Testament abweichen wollen, müssen im Rahmen einer sinnvollen Nachlassplanung immer auch etwaige Pflichtteilsansprüche berücksichtigt werden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, ist aber ein reiner Geldanspruch gegen den Erben. Pflichtteilsberechtigt sind nur der Ehegatte, die Kinder und die Eltern des Erblassers.

Pflichtteilsansprüche der Kinder müssen vor allem dann berücksichtigt werden, wenn die Eheleute ein Berliner Testament verfasst haben. Weil die Kinder zu den gesetzlichen Erben gehören und beim ersten Erbfall enterbt sind, können sie vom länger lebenden Elternteil ihren Pflichtteil verlangen. Dies kann unter Umständen die wirtschaftliche Existenz des länger lebenden Ehegatten gefährden. Reicht das Barvermögen nicht aus, um Pflichtteilsansprüche zu befriedigen, muss nicht selten das Familienheim verkauft werden, um Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Deshalb ist es nicht nur beim Berliner Testament, sondern immer dann, wenn Pflichtteilsberechtigte enterbt werden, wichtig, dies bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen.

Am besten kann der länger lebende Ehegatte beim Berliner Testament vor Pflichtteilsansprüchen geschützt werden, wenn die Kinder beim ersten Erbfall auf ihren Pflichtteil verzichten. Hierfür bedarf es eines Vertrags zwischen den Eltern und den pflichtteilsberechtigten Kindern, der notariell beurkundet werden muss. Wenn sich die Kinder nicht dazu bewegen lassen, beim ersten Erbfall auf ihren Pflichtteil zu verzichten, bleibt nur die Möglichkeit, durch sogenannte Pflichtteilstrafklauseln im Testament die Kinder zu bewegen, den Pflichtteil beim ersten Erbfall nicht geltend zu machen. Dabei handelt es sich um die Androhung von finanziellen Nachteilen, wenn der Pflichtteil beim ersten Erbfall verlangt wird.

Ein Ehepaar mit Kindern möchte nach dem Tod des einen Partners vor allem den anderen absichern. Was raten Sie?
In diesem Fall wird regelmäßig der länger lebende Ehegatte als Alleinerbe bestimmt. Es muss dann in jedem Fall ein entsprechendes Testament errichtet werden, weil andernfalls bei gesetzlicher Erbfolge, wenn also kein Testament vorliegt, neben dem Ehegatten auch die Kinder erben würden.

Häufig greifen Eheleute auf das sogenannte Berliner Testament zurück, wenn in erster Linie der länger lebende Ehegatte versorgt werden soll und erst danach die Kinder. In diesem Fall setzen sich die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben ein und verfügen gleichzeitig, dass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten der beiderseitige Nachlass an die Kinder fallen soll. Das Berliner Testament hat jedoch einige Schwächen und wird in vielen Fällen den Wünschen der Beteiligten nicht gerecht. Ein Problem sind Pflichtteilsansprüche der Kinder, weil sie beim ersten Erbfall enterbt sind. Insbesondere wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einer Immobilie besteht und Kinder ihren Pflichtteil verlangen, kann dies zur Folge haben, dass der länger lebende Ehegatte die Immobilie verkaufen muss, um Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Deshalb würde ich davon abraten, einfach den Text eines Muster-Testaments zu übernehmen.

Was ist aus steuerlicher Sicht wichtig?
In den allermeisten Fällen dürfte die Erbschafts- und Schenkungsteuer wegen der hohen Freibeträge keine nennenswerte Rolle spielen. Eheleute haben einen Freibetrag von 500.0000 Euro, Kinder können bis 400.000 Euro steuerfrei erben. Hinzu kommt ein wichtiges steuerliches Privileg, wenn eine Immobilie, die der Erblasser zuletzt bewohnt hat, an den länger lebenden Ehegatten oder die Kinder vererbt wird.

Steuerfrei erbt der länger lebende Partner die Immobilie, wenn er für weitere zehn Jahre darin wohnt. Wird die Immobilie aber zum Beispiel nach fünf Jahren verkauft oder vermietet, muss nachträglich die komplette Erbschaftsteuer gezahlt werden. Nur wenn die Wohnung aus zwingenden Gründen, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, aufgegeben werden muss, entfällt die Zehn-Jahresfrist.

Auch Kinder müssen keine Erbschafts¬teuer für das Familienheim zahlen, wenn sie selbst unverzüglich dort einziehen und dann zehn Jahre dort wohnen. In der Regel beträgt diese Einzugsfrist sechs Monate nach dem Tod des Elternteils. Es gibt aber eine zusätzliche Einschränkung für die Steuerfreiheit: Sie greift nur, wenn die Wohnfläche maximal 200 qm beträgt. Darüber hinaus muss Erbschaftsteuer gezahlt werden, abzüglich des Freibetrags von 400.000 Euro.

Was ist bei individuellen Lebenssituationen wie in Patchworkfamilien oder nichtehelichen Lebenspartnerschaften zu berücksichtigen?
Das deutsche Erbrecht berücksichtigt und privilegiert nach wie vor die Ehe. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird erbrechtlich der Ehe nicht gleichgestellt. Die Folge ist, dass erbrechtliche Begünstigungen und Vorteile dem länger lebenden nichtehelichen Partner vorenthalten werden.

Der nichteheliche Lebensgefährte des Verstorbenen gehört nicht zu den gesetzlich berufenen Erben. Er hat gegenüber den Erben keinen Pflichtteilsanspruch. Zuwendungen an den nichtehelichen Partner im Wege der Erbfolge etwa durch die Erbeinsetzung oder eines Vermächtnisses können somit nur durch ein Testament oder einen Erbvertrag erfolgen. Allerdings können nichteheliche Partner kein gemeinschaftliches Testament errichten. In Betracht kommen nur Einzeltestamente. Der Nachteil des Einzeltestaments liegt insbesondere darin, dass es jederzeit widerrufen oder geändert werden kann. Nur durch einen Erbvertrag können die Partner erbrechtlich bindende Verfügungen vereinbaren.

Auch steuerlich haben nichteheliche Partnerschaften erhebliche Nachteile. Der allgemeine Freibetrag bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer beträgt bei nichtehelichen Lebenspartnern nur 20.000 Euro, während Ehegatten ein Steuerfreibetrag von 500.000 zusteht. Zusätzlich sind die Steuersätze deutlich höher als bei Eheleuten.

Auch auf so "komplizierte" Familienverhältnisse wie in einer Patchworkfamilie ist das deutsche Erbrecht nicht ausgelegt. Das Vermögen in der Patchworkfamilie verteilt sich je nachdem, welcher Partner zuerst stirbt. Beim Tod eines Partners erleben dessen leibliche Kinder, das heißt einseitige und/oder gemeinsame Kinder. Daneben erbt der Partner die Hälfte des Nachlasses, wenn die Partner verheiratet waren und in Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Waren die Partner nicht verheiratet, erben nur die leiblichen Kinder. Eine andere Erbfolge kann nur durch testamentarische Verfügung erfolgen.

Interview: Anna Florenske

Buchcover Ratgeber
© Verbraucherzentrale NRW
Buchtipp

Otto N. Bretzinger
"Richtig vererben und verschenken"
202 Seiten, Klappenbroschur 2023
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Taschenbuch 18 Euro
ISBN 978-3-6336-653-7

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