Die Geschichte der Gartenstadt

Die Geschichte der Gartenstadt in Mannheim von 1910 bis heute

Der Wald um den heutigen Karlstern war Jagdrevier der Kürfürsten von der Pfalz. Das Areal gehört zu den Gemarkungen Käfertal bzw. Sandhofen, heute Stadtteile von Mannheim.
Die Gartenstadt grenzt an die Vororte Waldhof, Waldhof-Ost, Käfertal und Sandhofen und liegt direkt am Käfertaler Wald.
Mit rund 12.000 Einwohnern ist die Gartenstadt einer der jüngsten Mannheimer Stadtteile. Es gibt sie noch nicht einmal 100 Jahre. Vor allem Familien mit Kindern wohnen gerne hier, da es viel Grün gibt und es nicht weit in den Wald ist.
Ungefähr im Jahr 1820 waren die Menschen sehr arm. Viele wanderten beispielsweise nach Amerika aus. Mannheim hatte ungefähr 20.000 Einwohner – nur wenig mehr als die Gartenstadt heute. Die meisten Leute verdienten mit Ackerbau und Handwerk ihr Geld. Aber um diese Zeit gab es auch schon die ersten kleinen Fabriken. Die Industrialisierung war nicht aufhaltbar und die ersten großen Fabriken in Mannheim entstanden.
1827 Paolo Giulini: Chemische Fabrik in Wohlgelegen
1836 Maschinenfabrik Joseph Vögele
1840 Erste Bahnlinie Mannheim – Heidelberg
1848 Gründung der BASF
1854 Spiegelfabrik, heutige St. Gobain
1865 gibt es in Mannheim schon 65 Fabriken mit insgesamt 2000 Beschäftigten
1859 Heinrich Lanz, heutige John Deere
1872 Bopp und Reuther
1883 Rheinische Gasmotorenfabrik Benz

Die Einwohnerzahl in Mannheim stieg:
1820 20.000
1880 53.000
1900 141.000

Die Wohnungsnot wurde immer größer. In den vorhandenen Wohnungen wohnten viele Leute auf engstem Raum. Mit 7 bis 10 Kindern waren die Familien viel größer als heute und sie hatten nur einen Raum. An Alleinstehende wurde nur eine Schlafstelle vermietet. Die Hausbesitzer bauten einfach Häuser in die Hinterhöfe hinein, denn je mehr Wohnungen sie auf ihrem Grundstück bauen konnten, desto mehr Geld verdienten sie mit der Vermietung. Manche Fabrikbesitzer bauten Werkswohnungen (Spiegelfabrik Luzenberg, Bopp und Reuter Waldhof). Jedoch wenn die Menschen ihre Arbeit verloren, hatten sie auch keine Wohnung mehr. Die Fabrikbesitzer bauten sich tolle große Villen (siehe Oststadt). Die Arbeiter wurden schlecht bezahlt und konnten keine hohe Miete zahlen.
Aus England kam die Idee für Leute mit wenig Geld Gartenstädte zu bauen. Die Idee sah so aus: Licht, Luft und Sonne, kleine Häuser – aber mit mehreren Zimmern und Toilette. (Das war damals fast ein Luxus.) Große Grundstücke: Darauf sollten die Leute dann Obst und Gemüse anbauen, vielleicht Kleintiere halten, um sich gesünder und besser zu ernähren.

1910: Gründung der Gartenstadt-Genossenschaft. Die Stadt Mannheim stellte der Genossenschaft ein großes Waldgelände am Rande des Käfertaler Waldes in Erbpacht zur Verfügung. Bedingung: innerhalb von 15 Jahren sollte es bebaut sein.
1912: Baubeginn für die ersten Häuser an der Waldpforte: 38 Wohnungen mit drei Zimmern und 2 Wohnungen mit 4 Zimmern. Am 1. Oktober 1912 wurden die ersten Häuser bezogen.
1924 bis 1926 fand bereits gesellschaftliches Leben statt: Gesangverein, Gesellschaftshaus, Blumencorsos (Nachfolger heute: Sommertagszug des Bürgervereins).
Frühlingsgrüße in den 20ern: Dass der Männerchor Gartenstadt, - heute Gesangverein Gartenstadt, das Kulturgeschehen in der Gartenstadt über Jahre ganz wesentlich geprägt hat, steht außer Frage. Zum so genannten „Blumenfest“ 1924 bis 1926 bevölkerten Tausende die Strassen der Gartenstadt. Vor einiger Zeit übergab Helga Hoffmann, die Witwe von Rudi Hofmann, der Geschichtswerkstatt drei Postkarten des Männerchors, die auf das erste Blumenfest 1924 hinweisen. Immer wieder tauchen aus verschiedenen Hinterlassenschaften solche Kostbarkeiten auf und die Geschichtswerkstatt freut sich sehr darüber. Dieses Mal gilt unser besonderer Dank Helga Hofmann.
1925: Auf dem Gelände östlich der „alten“ Gartenstadt, das die Genossenschaft nicht hatte innerhalb von 15 Jahren bebauen können, wurden Grundstücke, meist in Erbpacht, an Privatleute vergeben. Auch hier gab es Bauvorschriften: Viele der Häuser waren „Schwarzwaldhäuser“ = die Außenwand war mit Holzschindeln verkleidet.
Ab 1929: Bau von Wohnhäusern durch die städtische Baugenossenschaft für „Kinderreiche" (bereits Sanierungsgebiet).
1926 gründete die Stadt Mannheim eine eigene Wohnungsbaugesellschaft, die GBG. Zielsetzung: Sozialer Wohnungsbau = preiswerte Wohnungen für Leute mit wenig Geld.
1929 und 1930 wurden von der GBG in zwei Bauphasen Wohnungen für Kinderreiche und alte Leute errichtet. Während die GBG andernorts vier- und fünfgeschossig baute, wurden in der Gartenstadt Häuser mit maximal 2 Geschossen erstellt. Bei jeder Wohnung war (und ist) ein Garten dabei. Noch vor dem 2. Weltkrieg wurden, angrenzend an das Siedlungsgebiet, direkt am Wald noch so genannte „Höfe“ errichtet. Auch diese Wohnungen hatten Garten und wurden für kinderreiche Familien erstellt.
Ab 1930 wurden die ersten Siedlerhäuser in der Gartenstadt gebaut. Die große Arbeitslosigkeit Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts schufen ein neues Problem: Viele Arbeitslose konnten keine Miete mehr bezahlen. Für sie wurde die Siedler-Idee entwickelt: Hilfe durch Selbsthilfe. Ein großes Stück Brachland oder Wald aus städtischem Besitz wurde in Parzellen von jeweils 1000 Quadratmeter eingeteilt. Die Arbeitslosen rodeten gemeinsam dann das Gelände und bauten Häuser. Solche Siedlerhäuser durften nicht mehr als 60 Quadratmeter Wohnfläche haben. Wenn die Häuser dann fertig waren, wurden sie unter den Helfern verlost.
1930: Bau der Waldschule abgeschlossen.
1937: Katholische Kirche St. Elisabeth ersetzt die vorher vorhandene Notkirche.
Im 2. Weltkrieg wurden viele Häuser der alten Gartenstadt zerstört. Nach dem Krieg wurden sie architektonisch einfacher wieder errichtet.
1945: Nach dem 2. Weltkrieg ließ die Evangelische Pflege Schönau auf ihrem Gelände westlich der Waldpforte durch Baufirmen Einfamilien-Reihenhäuser errichten. Diese Häuser wurden dann an Familien verkauft. Entlang der Bahn befinden sich 5-stöckige Häuser mit Sozialwohnungen der GBG. Gegenüber vom Waldhofstadion ist eine kleine Siedlung: Die Reuther-Siedlung. Diese Häuser waren - wie die Mietshäuser an der Waldstraße - für Werksangehörige der Fabrik errichtet worden.
1947 - 1949 Bau der evangelischen Gnadenkirche - erster Kirchenneubau in Mannheim nach dem 2. Weltkrieg stetige Siedlungserweiterung (Kirchwaldsiedlung) und Siedlungsverdichtung ab den 60ern Jahren.
Bau der Alfred-Delp-Grundschule, der Eduard-Spranger-Schule und der Hermann-Gutzmann-Schule.
Ab den 60ern Jahren Bau der Kirchwaldsiedlung.
Am 12. November 1982 trugen sich in den Drei Eichen auf einem Briefblock von Boehringer Mannheim die Gründungsmitglieder des Bürgervereins ein.
Typische Siedlerhäuser mit 60 Quadratmeter Wohnraum gibt es so gut wie nicht mehr. Im Zuge der Siedlungsverdichtung wurden die Grundstücke halbiert; der hintere Teil wurde bebaut. Auch die Vorderhäuser sind viel größer geworden. Im Wohngebiet „Kinderreiche“ wurde abgerissen, neu gebaut, modernisiert und saniert. In der Kirchwaldsiedlung gibt es jetzt Anbauten an die Häuserzeilen, das Dachgeschoss darf inzwischen ausgebaut werden. Die ursprüngliche Hof-Bebauung ist verschwunden; dort sind von der GBG Neubauten für Eigenheim-Besitzer errichtet worden.
Die Gartenstadt macht ihrem Namen auch heute noch alle Ehre. Immer noch ist es der grünste Stadtteil Mannheims mit Grün bei jedem Haus. Die „alte Gartenstadt“ steht inzwischen unter Denkmalschutz – ebenso wie die Gnadenkirche, St. Elisabeth und das „Rondell“, heute Teil des Kinderhauses Gartenstadt. Große Erweiterungen der Gartenstadt wird es nicht mehr geben. Schon als Kirchwald-Nord gebaut wurde, gab es große Proteste dagegen, dass noch mehr Wald verschwinden musste.

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